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09.10.08
11:26 Uhr
B 90/Grüne

Monika Heinold zur beitragsfreien Kindertagesstätte

Presseinformation

Es gilt das gesprochene Wort! Landtagsfraktion TOP 32: Umsetzung eines beitragsfreien Kindertagestät- Schleswig-Holstein tenjahres in Schleswig Holstein Pressesprecherin Claudia Jacob Dazu sagt die parlamentarische Geschäftsführerin der Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 Fraktion Bündnis/Die Grünen: 24105 Kiel
Monika Heinold: Telefon: 0431 / 988 - 1503 Fax: 0431 / 988 - 1501 Mobil: 0172 / 541 83 53
presse@gruene.ltsh.de www.sh.gruene-fraktion.de
Nr. 364.08 / 09.10.2008
Zankapfel Kindertagesstätten: Koalitionspoker auf dem Rücken unserer Kinder
Wir freuen uns, dass es auch in Schleswig-Holstein nun endlich den Einstieg in die bei- tragsfreie Kindertagesstätte gibt! Damit wird eine Forderung meiner Fraktion aus dem Jahr 2002 umgesetzt. Eine Forderung, für die wir sehr gescholten wurden, weil angeb- lich nicht bezahlbar.
So warf uns die Bildungsministerin Frau Ute Erdsiek-Rave damals einen populistischen Schnellschuss vor, die FDP sprach sogar von Wolkenkuckucksheimpolitik! Auch in den Koalitionsverhandlungen 2005 ist es uns nicht gelungen, ein Jahr beitragsfrei zu be- schließen: Die SPD war strikt dagegen, weil angeblich nicht finanzierbar. Damaliger Fi- nanzminister war Herr Stegner – jetzt als Fraktionsvorsitzender ein glühender Verfech- ter von sogar drei beitragsfreien Jahren.
Noch im März 2006 antwortet die Bildungsministerin auf eine Kleine Anfrage von mir: „Die Gewährung der Beitragsfreiheit ist keine Aufgabe des Landes.“ Sie war nicht ein- mal bereit, Gespräche mit den Kommunen darüber aufzunehmen, ob und wie man die- ses Ziel vielleicht gemeinsam erreichen könnte.
Nun – zwei Jahre später – hat das Lebenslange Lernen dazu geführt, dass auch die Bildungsministerin weiß: Die beitragsfreie Kindertagesstätten kann durchaus eine Lan- desaufgabe sein.
Volkswirtschaftlich rechnet es sich allemal, alle Kinder von klein auf optimal zu fördern. Der Zugang zu Bildung ist die beste Prävention gegen Armut, gegen Arbeitslosigkeit und gegen soziale Ausgrenzung! Deshalb beinhaltete unser ursprüngliches Konzept nicht nur die Beitragsfreiheit, sondern wir wollten den Kindergartenbesuch im letzten Jahr vor der Schule für alle Kinder verpflichtend machen.
Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes hat aber gezeigt, dass es kaum mög- lich ist, eine Verpflichtung einzuführen ohne zu stark in das Elternrecht einzugreifen. Deshalb ist es richtig, nun erst einmal mit dem freiwilligen und kostenfreien Angebot zu versuchen, alle Kinder zumindest im letzten Jahr vor der Schule in die Kindtagesstätte zu bekommen.
Zurzeit nehmen 93 Prozent aller Kinder dieses Angebot wahr. Das heißt, dass 7 Pro- zent aller Kinder im letzten Jahr vor der Schule nicht in die Kindertagsstätte gehen. Sie profitieren nicht von den wertvollen sozialen Erfahrungen der Kita, ihnen bleibt das Bil- dungsangebot und die individuelle Förderung versagt.
Mit der Einführung der Kostenfreiheit müssen wir also auch massiv dafür werben, dass zukünftig alle Kinder die Chance des Kita-Angebotes auch wahr nehmen, auch alle Kin- der aus bildungsfernen Schichten und auch alle Kinder aus Familien mit Migrationshin- tergrund.
Wer über die Arbeit und über den Alltag von Kindertagesstätten redet, darf aber nicht nur über die Abschaffung der Gebühren reden, sondern es ist absolut dringend notwen- dig, auch eine Debatte über die Qualität unserer Kindertagesstätten zu führen. Die Kin- dertagesstätten wollen den Bildungsauftrag umsetzen, sie wollen Elterngespräche füh- ren und sie wollen die Kinder individuell fördern, aber die Rahmenbedingungen sind äußerst schwierig.
Die Kitas fordern zu Recht mehr Geld um fachlich gut zu arbeiten, um mehr und besser qualifiziertes Personal einzustellen, um sich fort- und weiterbilden zu können, um den Kindern eine gesunde Ernährung anbieten zu können und um sich zu Familienzentren weiter zu entwickeln.
Während es in anderen europäischen Ländern üblich ist, im vorschulischen Bereich mit studierten Fachkräften zu arbeiten, verdient bei uns eine 25jährige Sozialpädagogische Assistentin ca. 1.850 Euro brutto im Monat, oft noch deutlich weniger, weil es sich ü- berwiegend um Teilzeitarbeitsplätze handelt. Wenig Geld für eine Tätigkeit, an die wir alle die höchsten Ansprüche stellen!
Aber für die Debatte über die Qualität der Kindertagesstätten, über Ausbildung und Be- zahlung der Fachkräfte, für diese notwendige Debatte ist im Koalitionsgezänk keine Platz. Es geht nur noch darum, wer den besten Wahlkampfschlager hat. Einigkeit gibt es bei CDU und SPD nicht einmal mehr darüber, worauf man sich eigentlich geeinigt hat.
So verkündet die Große Koalition zwar großspurig, man habe sich auf drei Jahre Bei- tragsfreiheit geeinigt, aber beschließen will man das jetzt lieber noch nicht. Wirklich be- 2 schlossen werden soll im Dezember nur das erste beitragsfreie Jahr, ein Jahr vor der Schule, so, wie die CDU es wollte.
Die SPD wird auf das nächste Jahr vertröstet und ich sage Ihnen schon jetzt: Wie bei der Kreisgebietsreform wird die CDU ihre Zusagen Stück für Stück aufkündigen.
Wer die beitragsfreie Kindertagesstätte in einer Situation der internationalen Finanz- marktkrise an die Frage von verfassungskonformen Haushalten bindet und dann noch auf die Mitfinanzierung durch die Kommunen setzt, der macht klar: So ernst ist die gan- ze Sache gar nicht gemeint!
Meine Damen und Herren von CDU und SPD, schenken Sie den Eltern reinen Wein ein! Wenn Sie sich tatsächlich auf drei beitragsfreie Jahre verständigt haben, dann kön- nen Sie diese im Dezember auch gleich mit beschließen. Wer hindert sie denn daran? Wozu zwei Gesetzesverfahren? Fakten statt Wahlkampflyrik: Die Eltern würden es Ih- nen danken!
Aber anstatt zu handeln haben CDU und SPD erst einmal die Verwaltungsreform beer- digt, wohl wissend, dass Land und Kommunen damit jährliche Einsparungen in Höhe von über 100 Millionen verloren gehen. Geld, dass wir dringend für die Bildung unserer Kinder brauchen!
Andere Vorschläge, wie Sie die beitragsfreie Kindertagesstätte finanzieren wollen, ha- ben Sie auch nicht gemacht. Im Frühjahr großspurig angekündigte Finanzierungskon- zepte von CDU und SPD wurden klammheimlich einkassiert!
Dass ist verantwortungslose Politik zu Lasten der zukünftigen Generation. Wer in den nächsten Jahren jährlich über 105 Millionen Euro zusätzlich für die Kindertagesstätten ausgeben will – so viel kosten drei beitragsfreie Jahre – der muss doch zwei Fragen beantworten können: Wo ist der vordringliche Bedarf und wie kann ich die neuen Auf- gaben bezahlen?
Wir GRÜNE haben dazu im April dieses Jahres einen Landtagsantrag eingebracht. Wir haben gefordert, ab 2009 ein beitragsfreies Kindertagesstättenjahr umzusetzen, und mittelfristig alle drei Jahre beitragsfrei zu stellen, zuvor aber mit dem Doppelhaushalt 2009 deutlich mehr Geld für die qualitative Verbesserung der Arbeit in den Kindertages- stätten zur Verfügung zu stellen und das Programm „Kein Kind ohne Mahlzeit“ dauer- haft finanziell abzusichern.
Und wir haben dazu Finanzierungsvorschläge gemacht. Dabei hatten wir sehr konser- vativ gerechnet, weil wir davon ausgegangen waren, dass bei einer Erhöhung der Grunderwerbssteuer ein Großteil der Einnahmen im Länderfinanzausgleich verschwin- det. Wie wir nun wissen, ist das aber nicht so.
Würden wir die Grunderwerbssteuer von 3,5 Prozent auf 4,5 Prozent erhöhen, blieben die zusätzlichen Einnahmen von jährlich ca. 60 Millionen Euro voll beim Land, bzw. ein 3 Teil würde über den Finanzausgleich bei den Kommunen ankommen. Viel Geld, um es Bildung zu investieren.
Für den einzelnen Häuslebauer wäre die Belastung hingegen eher gering: Bei einem Kaufpreis von 200.000 Euro müssten statt 7.000 Euro dann 9.000 Euro Grunderwerbs- steuer gezahlt werden. An diesen 2.000 Euro würde die Finanzierung einer Immobilie in dieser Größenordnung mit Sicherheit nicht scheitern.
Die Eltern in unserem Land haben zwei Anliegen: Sie wollen von den überproportional hohen Beiträgen entlastet werden und sie erwarten eine hohe Qualität und bedarfsge- rechte Öffnungszeiten in den Kindertagesstätten.
Lassen Sie uns also endlich ernsthaft darüber diskutieren, wie wir die Beitragsfreiheit und die Qualitätsverbesserung hinbekommen, lassen Sie uns Finanzierungskonzepte erarbeiten und Prioritäten festlegen – am besten gemeinsam mit der Landeselternver- tretung der Kindertagesstätten.
Deutschland gibt zu wenig Geld für die Bildung, Betreuung und Erziehung seiner Kinder aus. Das muss sich ändern. Wir GRÜNE haben dazu einen konkreten Vorschlag auf den Tisch gelegt.
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