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10.09.08
11:39 Uhr
SPD

Ralf Stegner zu TOP 3a und 3b: Wir wollen Bildung

Presseinformation der SPD-Landtagsfraktion

Kiel, 10.09.2008 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuell
TOP 3: a) Entwurf eines Haushaltsstrukturgesetzes zum Haushaltsplan 2009/2010, b) Finanzplan des Landes Schleswig-Holstein 2008-2012

Ralf Stegner:

Wir wollen Bildung

Mit einem Bekenntnis zur nachhaltigen Haushaltskonsolidierung beginnt der Vorsit- zende der SPD-Landtagsfraktion, Dr. Ralf Stegner, seine Rede. Ein gesellschaftlich und wirtschaftlich zukunftsfähiges Schleswig-Holstein hat einen enormen Investitions- bedarf in den Bereichen Bildung und Betreuung. Wir müssen unsere Strukturen effi- zienter gestalten, fordert Stegner. Dazu gehört eine konsequente Verwaltungsstruktur- und Funktionalreform. Er schlägt einen Zukunftspakt für Bildung, Kinderbetreuung und Familien vor mit Einstieg in die beitragsfreie Kita-Betreuung und mehr Chancengerech- tigkeit im Schulsystem. Die SPD möchte Kostenfreiheit für Bildungsangebote auf allen Ebenen einschließlich dem gebührenfreien Erststudium. Das Haushaltsdefizit Schles- wig-Holsteins ist zu einem großen Teil strukturell bedingt, deswegen müssen diese strukturellen Nachteile mit solidarischer Hilfe der anderen Länder bei unseren Alt- schulden ausgeglichen werden. Das Land selbst kann durch Bürokratieabbau zum Sparen beitragen. Wie auf der Ämterebene, muss das auch auf der Kreisebene funkti- onieren. Stegner argumentiert gegen Förderungen nach dem Gießkannenprinzip und fordert Prioritäten; jede Förderung muss daran gemessen werden, in wie weit sie den Zielen der Gerechtigkeit und der Nachhaltigkeit genügt. In diesem Zusammenhang geht es auch um Mindestlohn und Tariftreue. Denn wo es keinen fairen Lohn gibt, er- höht sich die Staatsquote für Sozialleistungen. Stegner möchte, dass das Parlament mehr Einfluss bekommt auf die Auswahl von Förderprojekten und über Evaluationen.



Herausgeber: Landeshaus SPD-Landtagsfraktion Postfach 7121, 24171 Kiel Verantwortlich: Tel: 0431/ 988-1305/1307 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Petra Bräutigam Fax: 0431/ 988-1308 Internet: www.spd.ltsh.de -2-



Er würdigt den Beitrag der Beschäftigten des Landes zur Konsolidierung des Haus- halts und bekräftigt Zusagen, was den Stellenbestand im Vollzugsdienst der Landes- polizei und das Personalentwicklungskonzept für die Polizei betrifft.



Die Rede im Wortlaut:
Vom römischen Kaiser Marc Aurel stammt die Aufforderung: „Die Zukunft darf dich nicht beunruhigen; wenn es nötig werden sollte, wirst du ja an sie im Besitz derselben Vernunft herankommen, die du jetzt gegenüber der Gegenwart gebrauchst.“ Diese Aufmunterung passt gut für meine erste Haushaltsrede als Fraktionsvorsitzender. Die SPD-Fraktion bekennt sich ausdrücklich dazu, heute alle Anstrengungen zu unter- nehmen für eine nachhaltige Haushaltskonsolidierung, indem wir entschlossen die Weichenstellungen für die Zukunft vornehmen, die politisch notwendig und verantwort- bar sind. Lassen Sie mich mit einer Einsicht beginnen, die aus dem Haushaltskonzept eines früheren Finanzministers stammt:
„Selbst bei einem angemessenen Wirtschaftswachstum wäre ohne einschneidende Änderungen der haushaltspolitischen Rahmenbedingungen und Konzepte die Hand- lungsfähigkeit des Staates gefährdet bzw. eingeschränkt. Hinzu kommen erhebliche Herausforderungen, die es notwendig machen, auch sehr langfristige, d.h., über die Dauer von Legislaturperioden hinausreichende Fragestellungen aufzuarbeiten und entsprechende Konsequenzen für die Haushaltsplanung und insbesondere für die Förderpolitik des Landes zu ziehen. Dazu gehört insbesondere die demografische Entwicklung, aber auch die Entwicklung der Wirtschaftsstruktur sowie die Veränderun- gen in der föderalen Struktur Deutschlands und eines wachsenden Europas.“
Damals schlug ich einen Konsolidierungs- und Wachstumspakt vor und um etwas Ähn- liches muss es auch heute gehen. -3-



Wir sehen, dass wir trotz steigender Steuereinnahmen Probleme haben, allein die Mi- nimalanforderungen finanziell zu bedienen. Wir sehen, dass wir für ein gesellschaftlich und wirtschaftlich zukunftsfähiges Schleswig-Holstein einen enormen Investitionsbe- darf in den Bereichen Bildung und Betreuung haben. Alles andere würde zum ei- nen jene ohne Perspektiven lassen, die dringend welche brauchen, und uns zum an- deren von der deutschen und europäischen Entwicklung abhängen.
Was heißt das?
1. Wir müssen unsere Strukturen effizienter gestalten! Jeder Euro, der in unnötige Bürokratie fließt, ist ein Euro zu viel. Wir müssen unsere Hausaufgaben machen mit einer konsequenten Verwaltungsstrukturreform und der Funktionalre- form. Ich hoffe immer noch – trotz der gestrigen Einlassungen des Kollegen Dr. Wadephul -, dass im Koalitionsausschuss nächste Woche die Zeichen auf grün bleiben und nicht parteipolitische Erwägungen dem Wohl des Landes vorgezo- gen werden.
2. Wir können und dürfen auf Einnahmen nicht verzichten. Das gilt in jeder Hin- sicht. Ich fordere hier ganz klar eine vernünftige Reform der Erbschaftsteuer, die z. B. durch angemessene Belastung der großen Immobilienvermögen nicht nur gerechter ist, sondern uns auch eher mehr als weniger Geld in die Kassen bringt.
3. Wir müssen gerade vor den großen Herausforderungen in Sachen Bildung Steuersenkungsphantasien solange eine Absage erteilen, solange keine se- riöse Gegenfinanzierung steht oder Schleswig-Holstein in der Lage ist, einen Haushalt ohne neue Schulden aufzustellen.
4. Wir werden unsere Schwerpunkte nur finanzieren können, wenn wir auf ande- res verzichten. Ich glaube, dass wir in der gesamten Förderpolitik diesbezüg- lich eine eindeutigere Ausrichtung brauchen – Gießkannen helfen dabei, Zim- merpflanzen zu wässern, für eine vernünftige Haushaltspolitik taugen sie nicht. -4-



Wir brauchen einen Zukunftspakt für Bildung, Kinderbetreuung und Familien. Die wirtschaftsliberalen Konzepte rigoroser Ordnungstheoretiker taugen nicht für die politi- sche Praxis. Im Gegenteil: Sie stärken real die aktuelle Negativspirale, da wir wichtige, ja existentielle Weichenstellungen für die Zukunft nicht treffen könnten. Bildung ist der Rohstoff, aus dem wir zukünftigen Wohlstand und eine gerechtere Gesellschaft errei- chen können. Das ist ein teurer Rohstoff; es gibt nur eines, was uns noch teurer zu stehen käme, nämlich wenn wir diesen Rohstoff in den Köpfen unserer Kinder und Ju- gendlichen nicht entschlossen fördern.

Es gibt nichts Besseres als Bildung, wenn man eine Gesellschaft stark, leistungsfähig, gesund und modern gestalten will. Bildungsarmut hingegen zieht andere Arten von Armut nach sich. Wer Bildung hat, partizipiert – das gilt für Einzelne ebenso wie für die Bildungsgesellschaft. Menschen mit höherer Bildung sind deutlich weniger von Arbeits- losigkeit und von Armut bedroht, sie werden älter und sie können die Teilhabemöglich- keiten in unserer Gesellschaft besser nutzen. Wer Gerechtigkeit will, muss für faire Bildungschancen sorgen.

Deshalb müssten wir uns den Einstieg in die beitragsfreie Kindertagesstätte selbst dann leisten, wenn wir ihn uns fiskalisch und nach dem Saldo aus gegenwärtigen Ein- nahmen und Ausgaben nicht leisten könnten. Deshalb müssen wir dringend Geld in die Hand nehmen, um mehr Chancengerechtigkeit in unserem Schulsystem herzustel- len. Landesweit stimmen die Eltern mit den Füßen ab und geben uns Sozialdemokra- ten Recht, wenn wir ihren Kindern längeres gemeinsames Lernen und Aufstieg durch Bildung von Flensburg bis Ratzeburg ermöglichen.

Deshalb betonen wir die Qualität der Bildung auch und gerade in der Weiterbildung. Bildungsbarrieren sind Zukunfts- und Wohlstandshemmnisse bzw. ganz praktisch die Haushaltsprobleme von morgen – ob beim Jugendhilfeetat oder bei den Sozialtrans- fers im Erwerbsalter und später noch einmal nach dem Berufsleben. -5-



Für uns gilt weiterhin, so wie es auch Sozialdemokraten auf Bundesebene und in an- deren Ländern in der vergangenen Woche erneut bekräftigt haben, dass wir die Kos- tenfreiheit für Bildungsangebote auf allen Ebenen erreichen wollen; für uns gilt weiterhin, dass auch das Erststudium von Gebühren frei bleiben muss, mit der SPD- Fraktion wird es Studiengebühren in Schleswig-Holstein nicht geben.

Wir wollen nicht auf Effizienz verzichten. Mit der Verteilung von Geld allein ist es nicht getan, sondern es braucht eine vernünftige, an Fairness und Gerechtigkeit orien- tierte Struktur, wenn wir bestehende Ungleichheiten überwinden wollen. Es geht nicht um Tabubereiche im Landeshaushalt und die Effizienz bestehender Strukturen wird auch im Bildungsbereich nicht ausgeklammert. Und, ja: Wir können auch weniger Bil- dungsbürokratie und mehr Eigenständigkeit für Schulen noch erreichen.

Bildung ist mehr als nur Schule. Unser Land wird deshalb seine Ausgaben für die Bil- dung und Betreuung kleiner Kinder in den nächsten zwei Jahren beinahe verzehnfa- chen. Wir Sozialdemokraten wollen die Gebührenfreiheit für das erste KiTa-Jahr si- cherstellen. Darüber hinaus streben wir weiterhin an, in der kommenden Legislaturpe- riode zusätzlich das zweite und das dritte KiTa-Jahr für die Eltern kostenfrei zu gestal- ten.

Und wir müssen dafür sorgen, dass kein Kind in Schleswig-Holstein ohne warme Mahlzeit bleibt. Zu diesem Weg haben uns Fachleute in Gesprächen noch einmal aus- drücklich ermutigt. Der volkswirtschaftliche Nutzen amortisiert schnell die Anfangsin- vestitionen, so wie das die Frau Bildungsministerin vor einigen Monaten zu Recht von diesem Redepult aus festgestellt hat.

Lassen Sie mich an dieser Stelle auch kurz auf die Debatte über die Kosten der Schulreform eingehen: Klar ist, dass diejenigen Schulträger, die sich stetig und kon- -6-



sequent um die Instandhaltung und Entwicklung der Schulen ihn ihrem Verantwor- tungsbereich gekümmert haben, heute viel bessere Ausgangsbedingungen haben als diejenigen, die seit Jahrzehnten einen Investitionsstau von sich herschieben.

Klar ist auch, dass die Kommunen vom Bund erhebliche Mittel für Kinderbetreuung in Sachen U 3 und Ganztagsschulen bekommen haben und bekommen werden. Klar ist aber auch, dass wir als Land unsere rechtlichen Verpflichtungen erfüllen werden, die die Verfassung vorgibt: Das Konnexitätsprinzip gilt. Wir sollten aber vermeiden, dass Kommunen unter Berufung auf die Schulstrukturreformen Rechnungen an das Land schicken, die bei näherem Hinsehen gar nicht durch die neuen Schulformen verur- sacht worden sind.

Das Land leistet mit seinem Schwerpunkt „Sicherung der Unterrichtsversorgung“ einen großen Beitrag. Das schlägt sich nieder in 675 neuen Lehrerstellen im Jahr 2009 und weiteren 255 im Jahr 2010, und auch in dem Fonds von über 12 Mio. € zur Ver- meidung des Unterrichtsausfalls. Ich weiß, dass hier in der Feinsteuerung noch man- cher Verdruss auszuräumen ist, es bleibt aber ein enormer Kraftakt.

Bildung ist zu wichtig, um damit politische Ränke zu schmieden. Wir haben viel vor in unserem Land: Das können wir nur gemeinsam – Land und Kommunen - schaffen. Die Kommunen als Schulträger sollten ebenso wie das Land ihre Prioritäten so setzen, dass Kinder faire Bildungschancen haben und später einen fairen Start ins Berufsle- ben.

Wer Schwerpunkte setzt, muss sich darüber klar sein, dass andere Dinge dann nur in geringerem Maß gefördert werden können. Das Vorziehen von Bildung im Sinne der Priorität Nr. 1 hat Posterioritäten zur Folge; dies ist ein lateinisches Stiefgeschwister- wort, das fast niemand kennt und niemand liebt. -7-



Wir sprechen heute über einen Landeshaushalt von rund 12 Mrd. Euro, davon eine Milliarde und 50 Millionen Euro allein für Zinsen im Jahr 2009; 2010 werden es noch mehr sein.

Ich bin, wie Sie wissen, kein Anhänger eines absoluten Verschuldungsverbots. Eine schlichte Selbstfesselung von Parlamenten ist ein Armutszeugnis für unsere Verant- wortungsbereitschaft und beschleunigt nur den Ansehensverlust der Politik. Ein Staat muss in der Lage sein, notwendige Zukunftsaufgaben zu finanzieren und auf konjunk- turelle Schwankungen zu reagieren. Wenn die Zinsen jedoch, wie im Haushalt von Schleswig-Holstein, so hoch sind, dass sie den Haushaltsgesetzgeber knebeln, gibt es dringenden Handlungsbedarf. Das Haushaltsdefizit Schleswig-Holstein hat viel mit strukturell bedingten geringeren Einnahmen und strukturell bedingten Mehrausgaben zu tun. Das sind mehrere hundert Millionen Euro, die andere Länder für Lehrer und Polizisten einsetzen können. Deswegen ist es richtig, dass Schleswig-Holstein in der Föderalismuskommission darauf dringt, dass diese strukturellen Nachteile mit soli- darischer Hilfe bei unseren Altschulden ausgeglichen werden.

Aber ich sage auch: Wenn wir Solidarität von anderen erwarten, müssen wir selbst un- sere Hausaufgaben machen und Einsparungen dort erwirtschaften, wo es sinnvoll ist und uns niemand daran hindert. Wir können nicht mit weniger Bildung oder weniger innerer Sicherheit solche Strukturdefizite ausgleichen. Das wäre politisch absolut ver- antwortungslos und kontraproduktiv. Dazu reicht die SPD-Fraktion nicht die Hand.

Bei Bürokratieabbau und Posten, da können wir schon sparen. Schleswig-Holstein hat mit der Verwaltungsstrukturreform hier einen richtigen Weg beschritten. Davon sollten wir nicht abrücken. Wenn wir nicht einmal diese Reform bewältigen, werden wir uns schwer tun, uns als zukunftsfähiges und entscheidungsfähiges Land zu präsentie- ren. Die Reform auf Ämterebene hat bewiesen, dass das geht – 15 Mio Euro mindes- tens jährlich mehr in den kommunalen Kassen. Leicht war das nicht, aber es ging. Ich -8-



habe Respekt vor der Tatkraft von Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern. Das erwarte ich von der Kreisebene nach wie vor ebenso. Ich weiß, dass das nicht einfach ist. Auch in der SPD ist das mehr ein Kopf- als ein Herzthema.

Aber wenn wir den Willen haben, Einsparungen zu maximieren und nicht zu minimie- ren, wie wir das in der Koalition glasklar vereinbart haben, dann ist viel mehr möglich als neuerliche Rechnungen uns weismachen wollen. Der damalige Innenminister – ich kenne ihn persönlich ganz gut – hat Potenziale errechnen lassen, die von mehreren Gutachten unabhängig voneinander eindeutig bestätigt worden sind, ja sogar als vor- sichtig galten und in anderen Ländern – ob in CDU- oder SPD-Verantwortung – auch erreicht worden sind. Je mehr man jedoch die Annahmen verändert und Reformgeg- nern Konzessionen macht, desto geringer werden die Potenziale. Ich hoffe und erwar- te, dass beide Partner dieser Regierungskoalition die Kraft haben, diesen 4. Schwer- punkt der Regierungspolitik neben Arbeit, Bildung und Haushaltskonsolidierung nicht leichtfertig zu opfern; die Rechnung dafür müssten die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes bezahlen. Es kann doch nicht sein, dass wir am Widerstand von Parteifunktio- nären scheitern. Die SPD-Fraktion erwartet, dass unsere bestehenden Vereinbarun- gen eingehalten werden, zumal wir im Dezember mit dem Kompromiss zur Revisions- klausel in Sachen Kooperation statt Fusion, wenn mehr dabei herauskommt, weit auf unseren Koalitionspartner zugegangen sind.

Wenn wir diese Effizienzreserven nicht heben und wenn wir daran scheitern sollten, frische, bürgernahe und moderne Verwaltungen einzuziehen, werden wir es sehr schwer haben, von den anderen Ländern bei der Föderalismusreform zusätzliche Un- terstützung einzuwerben. Wenn das so käme, würden wir unsere Verantwortung für dieses Land grob verletzen. Und ich sage Ihnen auch, ein Scheinreförmchen, das uns wegen des Mehrfach-Neugliederungsverbots über Jahrzehnte in die Sackgasse führt, wird es mit der SPD nicht geben. -9-



Die Modernisierung der Justiz, wie sie Justizminister Döring mit der Verlagerung von Aufgaben an die Gerichte weiterführt, sollte beispielhaft sein für weitere Modernisie- rungsmaßnahmen. Eine Verlagerung von Aufgaben auf andere Ebenen ist dann richtig, wenn die Aufgaben dort insgesamt effizienter, bürgernäher und wirtschaftlicher durchgeführt werden können, das will dieser Landtag seit fast 20 Jahren.

Wir werden sehr deutlich zeigen müssen, dass wir Prioritäten setzen können und dass wir unsere Hausaufgaben machen – bei der Verwaltungsstruktur ebenso wie bei den Fördermaßnahmen des Landes. Das bedeutet für uns auch, dass – ich möchte das sehr deutlich sagen – Struktur- und Zukunftsentscheidungen Vorrang haben ge- genüber Einzelfall-Gefälligkeiten, beispielsweise bei der einzelbetrieblichen Förderung. Wir müssen uns sehr genau ansehen, welche Auswirkungen die einzelnen Förderun- gen haben, wie unser Land, wie das Schleswig-Holstein von morgen aussieht. Ob Spaßbäder, das x-te Gewerbegebiet oder die Strandpromenade oder auch nur Bierfla- schenverschlüsse und neue Autobahnschilder für die Imagewerbung – wir müssen Nachhaltigkeit zum Maßstab machen, mögen die Fördermaßnahmen auch noch so schöne Etiketten tragen.

Es geht quer durch alle Themen von Bildung bis Wirtschaft für uns Sozialdemokratin- nen und Sozialdemokraten, um Gerechtigkeit und um Nachhaltigkeit. Jede Förde- rung, jede Maßnahme wird sich daran messen lassen müssen, in wie weit sie den Zie- len der Gerechtigkeit und der Nachhaltigkeit genügt, und zwar in sozialer Hinsicht, in Bezug auf Arbeitsmarkteffekte und ebenso in ökologischer und in finanzieller.

Gerade in einer Haushaltsdebatte, wo es natürlich um die enormen Aufwendungen in unseren Sozialetats geht, stellen wir Sozialdemokraten fest: Wir dürfen nicht auf kurzfristige Profitmaximierung und auf prekäre Arbeitsverhältnisse wie schlecht bezahl- te Leih- und Zeitarbeit setzen. Denn wir haben sonst mittel- und langfristig hohe ge- sellschaftliche Reparaturkosten zu zahlen. Für gute Arbeit muss es daher einen fairen - 10 -



Lohn geben. Das ist nicht nur gerecht, sondern: Wer das nicht will, erhöht die Staats- quote für Sozialleistungen – übrigens langfristig, denn wer heute nicht ordentlich be- zahlt wird, muss morgen die Rente aus Sozialleistungen aufstocken. Das ist nicht Marktwirtschaft, nein, es ist geradezu die Aufforderung an Unternehmen, Dumpinglöh- ne zu zahlen. Deshalb werden wir Sozialdemokraten bei Mindestlohn und Tariftreue nicht locker lassen.

Armut ist ein dramatisches soziales Problem, nicht nur für die Betroffenen, sondern für die gesamte Gesellschaft. Daher setzen wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokra- ten natürlich weiter auf guten Lohn für gute Arbeit, auf tarifliche und wenn nötig gesetz- liche Mindestlöhne, auf eine qualifizierte Bildung und Ausbildung und auf faire Chan- cen für alle.

Faire Chancen zu bieten beinhaltet, dass Vielfalt in Schleswig-Holstein großen Raum einnimmt. Wer sich Diskriminierung leistet, verzichtet dagegen auf erhebliche Potenzi- ale in der Gesellschaft. Die meisten großen Unternehmen haben die enormen Folge- kosten von Diskriminierung erkannt und haben große Anstrengungen unternommen, um die Potenziale aller Beschäftigten in ihre Wertschöpfung einzubeziehen. Auch für das gesellschaftliche Zusammenleben gilt, dass es deutlich besser funktioniert, Unter- schiedlichkeit wertzuschätzen als sie zu bekämpfen.

Wir in Schleswig-Holstein haben langjährige positive Erfahrung mit Vielfalt. Wir haben nach dem Ende von Diktatur und Faschismus Millionen Flüchtlinge integ- riert. Wir betreiben seit 1988 eine sehr moderne Politik der Gleichstellung von Frauen und Männern. Unsere nicht minder moderne Integrationspolitik für und mit Menschen mit Migrati- onshintergrund umfasst vorschulische Sprachförderung ebenso wie die Integration in den Arbeitsmarkt und Migrationssozialberatung. - 11 -



Unser Zusammenleben mit Menschen mit Behinderung ist durch Partizipation ge- prägt, dafür stehen wir mit der Stelle des Behindertenbeauftragten, mit Barrierefrei- heit im öffentlichen Raum und mit der Verlagerung der Eingliederungshilfe auf die Kommunen, die Unterstützung aus einer Hand anbieten können. Wir haben frühzeitig eine weitgehende Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Le- benspartnerschaften im Landesrecht umgesetzt. Und wir profitieren seit vielen Jahren gegenseitig intensiv vom Zusammenleben mit der friesischen Volksgruppe und mit der nationalen dänischen Minderheit und haben eine vorbildliche Minderheitenpolitik etabliert, die sich auch im Landeshaushalt er- kennen lässt.

Die dänische Minderheit hat in Schleswig-Holstein eine besondere Stellung und dazu stehen wir. Wir stehen auch bei der Politik für dänische Schulen dazu, was vereinbart wurde. Hierzu besteht im Rahmen der Haushaltsberatungen noch Gesprächsbedarf, denn wir sind dort seit 2005 im Wort, dass wir das in diesem letzten Doppelhaushalt für diese Legislaturperiode regeln wollen.

Wir sollten unsere Aufgaben als Parlament ernst nehmen. Dazu gehört auch, dass wir diejenigen sind, die über den Landeshaushalt beschließen und die die Arbeit der Re- gierung kontrollieren. Bei allem Verständnis für die Notwendigkeit von Flexibilität wer- den wir uns in den Haushaltsberatungen auch mit der Frage zu beschäftigen haben, ob es tatsächlich sinnvoll ist, die Deckungsfähigkeit innerhalb des Haushalts weiter zu erhöhen. Hier bedarf es einer sorgfältigen Abwägung der Argumente, die wir in den nächsten Monaten leisten werden, bevor wir den Haushalt für die nächsten beiden Jahre im De- zember beschließen. Mir ist allerdings wichtiger, dass wir Einfluss bekommen auf die Priorisierung, die Auswahl von Förderprojekten und über Evaluationen, als über einzelne Haushaltstellen nur einen Scheineinfluss wahrzunehmen, - 12 -



Dem Personal des Landes haben wir in den letzten Jahren viel zugemutet. Ohne die Beiträge, die die Beamtinnen und Beamten und die Angestellten des Landes geleistet haben, wäre es nicht gelungen, den Anstieg der Neuverschuldung zu bremsen und Verwaltungsmodernisierungen einzuleiten. Beschäftigte des Landes mussten auf Son- derzuwendungen verzichten, ihre Arbeitszeit wurde verlängert und sie stehen gleich- zeitig in der ersten Reihe, wenn es darum geht, die Herausforderungen von Umstruk- turierungen zu bewältigen. Ich nenne hier nur beispielhaft die Veränderungen bei der Polizei und die neue Software mit den geänderten Verfahren bei den Finanzämtern.

Gerade wegen der starken Beteiligung der Beschäftigten an den Veränderungen in der Verwaltung ist es richtig, wenn Justizminister Döring den einfachen Dienst in den Ge- richtsverwaltungen abschaffen und die Stellen heben will. Es ist auch richtig, zusätzli- che Stellen für Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger sowie Staatsanwälte zu schaffen und es ist richtig, dafür Sorge zu tragen, dass unsere Polizei gut und modern ausges- tattet ist und bleibt. Öffentliche Sicherheit ist auch eine Frage der Gerechtigkeit und es bleibt bei unseren Zusagen, was den Stellenbestand im Vollzugsdienst der Landespo- lizei und das Personalentwicklungskonzept für die Polizei betrifft.

Und es ist richtig, die Ausbildung in der Verwaltung fortzuführen, wie es beispiels- weise in der Finanzverwaltung erfolgt. Wir haben uns in den zurückliegenden Jahren dafür eingesetzt und werden es auch in diesem Jahr wieder tun.

Im Bereich der Umwelt- und Landwirtschaftspolitik geht es uns um die Zukunft der ländlichen Räume, die Natur und Umwelt sowie um die Eine-Welt-Politik – z.B. das freiwillige ökologische Jahr - des Landes. Wir werden uns in den Ausschussberatun- gen noch ein genaues Bild verschaffen, ob diese für die Zukunft unseres Landes wich- tigen Themen tatsächlich noch ausreichend mit Haushaltsmitteln ausgestattet sind. - 13 -



Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wollen Innovation und Gerechtigkeit und wir wollen Nachhaltigkeit als Grundlage unserer Haushaltspolitik, und wir wollen beides in sozialer, finanzieller und ökologischer Hinsicht. Wer nicht an die Zukunft denkt, der wird bald große Sorgen haben, sagte Konfuzius, (551 - 479 v. Chr.) – und da hat er Recht.

Wir tun gut daran, nicht nur den Blick, sondern auch unserer Schritte in diese Richtung zu lenken. Wir werden uns in diesen Haushaltsberatungen dafür stark machen, dass Bildung unsere allererste Priorität bleibt, damit die Kinder von heute gute Chancen in der Welt von morgen haben.

Auch bundesweit tut sich einiges - wer weiß, was beim Bildungsgipfel herauskommen wird. „Zukunftsforschung ist die Kunst, sich zu kratzen, bevor es einen juckt“, sagte einst Peter Sellers. Ich glaube, dass wir mit unseren Schulreformen gut davor sind, dass wir mit dem Schwerpunkt Bildung in diesem Haushalt die richtigen Weichen stel- len und das wir auch in der Kinderbetreuung den richtigen Weg einschlagen werden und schon auf das bundespolitische Kratzen vorbereitet sind.