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18.07.08
10:32 Uhr
B 90/Grüne

Karl-Martin Hentschel zur Abschaffung der Regionalschulen

PRESSEDIENST Fraktion im Landtag Schleswig-Holstein Pressesprecherin Es gilt das gesprochene Wort! Claudia Jacob Landeshaus TOP 20 – Abschaffung der Regionalschulen und Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel rechtliche Gleichstellung der Gymnasien und Gemeinschaftsschulen Telefon: 0431 / 988-1503 Fax: 0431 / 988-1501 Mobil: 0172 / 541 83 53 Dazu der Fraktionsvorsitzende E-Mail: presse@gruene.ltsh.de von Bündnis 90/Die Grünen, Internet: www.sh.gruene-fraktion.de
Karl-Martin Hentschel: Nr. 284.08 / 18.7.2008


Die Hängepartie auf Kosten der Schulen muss beendet werden
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren, in Itzstedt im Kreis Segeberg ist vor einem Jahr aus zwei Hauptschulen eine Gemein- schaftsschule gebildet worden. Die beiden Hauptschulen hatten im Jahr zuvor noch zu- sammen 20 angemeldete Kinder. In diesem Jahr wurden an der Schule 104 Kinder an- gemeldet – also fünfmal so viele Kinder, wie vor zwei Jahren.
Die gegenteilige Entwicklung können Sie in der Gemeinde Selent im Kreis Plön beobach- ten. Selent hat sich für eine Regionalschule entschieden. Entgegen der Prognose des Schulverbandes wurden dort nur 33 Kinder angemeldet.
Auch in Lübeck haben sich mehrere Schulen darum beworben, Gemeinschaftsschule zu werden. Die CDU-Mehrheit im Rat wollte das gegen den Elternwillen verhindern. Das Er- gebnis dieser Politik ist beeindruckend. Die CDU in Lübeck schaffte es ihr Ergebnis von 51 Prozent auf 26 Prozent glatt zu halbieren. Nun wollen Vertreter der CDU in Lübeck aus ihren Fehlern lernen und ihren Widerstand gegen die Gemeinschaftsschule aufge- ben.
Der stellvertretende Landesvorsitzende der CDU, Rasmus Vöge hat dasselbe gefordert. Und der Fraktionsvorsitzende Wadephul hat sich in seinem bemerkenswerten Sommerin- terview ebenfalls in so geäußert, musste aber zwei Tage widerrufen.
1/4 Fazit: Die Regierungspartei SPD und alle Oppositionsparteien lehnen die Regionalschule ab. In allen Befragungen lehnt die Mehrheit der Eltern diese Schulform ab. In Lübeck und einer Reihe anderer Gemeinden in Schleswig-Holstein wollen die Ratsversammlungen nun die von den Eltern abgelehnten Entscheidungen gegen Gemeinschaftsschulen kip- pen.
Und die CDU, der wir diese ungeliebte Schulart zu verdanken haben, streitet sich intern immer mehr, ob diese Entscheidung richtig war.
Ist es da wirklich noch sinnvoll, dass jetzt nach den Sommerferien über 30 solcher Schu- len neu beginnen sollen? Wollen Sie das wirklich den Eltern, den Lehrern und vor allem den Kindern zumuten? Es gibt den alten Indianerspruch: „Wenn Du feststellst, dass Du ein totes Pferd reitest, dann steig ab.“ Herr Wadephul – es ist Zeit! Steigen Sie ab!
Meine Damen und Herren, ich komme jetzt zu den weiteren Punkten des Antrages: wer die neu gegründeten Gemeinschaftsschulen besucht und mit den Eltern und LehrerInnen redet, der stellt fest, dass wir noch eine ganze Reihe anderer ungelöster Probleme mit der Schulreform haben. Die Ursache dieser Probleme liegt nicht in den Schulen. Die Ur- sache liegt daran, dass die neue Schulform von der CDU nicht gewollt wird, und Sie sich deswegen nach allen Kräften bemüht haben, den Schulen Knüppel zwischen die Beine zu werfen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, gestatten Sie mir ein Zitat von einer Ih- nen gut bekannten linken Bildungsideologin: „Das dreigliedrige Schulsystem seht für eine Lernorganisation mit möglichst homogenen Schülergruppen und einer Lernförderung nach unterschiedlichen Begabungen. Die inter- nationale Lernforschung kommt in der Mehrheit der vorliegenden empirischen Studien jedoch zu dem Befund, dass sowohl die Leistungsfähigen wie die Leistungsschwächeren in heterogen zusammengesetzten Lerngruppen größere Lernforschritte machen. … (Es) kommt … entscheidend auf die individuelle Lernförderung an.“
Die linke Bildungsideologin, die das gesagt hat, heißt übrigens Rita Süßmuth und war für die Union einmal Bundesministerin. Wenn sie recht hat, und das ist ja die Grundidee bei der Bildung von Gemeinschaftsschulen, dann müssen wir unter allen Umständen verhin- dern, dass wir von einer Dreispaltung der Schülerschaft nun zu einer Zweispaltung kom- men. Denn dann würde auch die Gemeinschaftsschule zur Restschule. Dann gehen in wenigen Jahren zwei Drittel aller Schüler aufs Gymnasium und der Rest wird abgehängt.
Wenn wir das nicht wollen, dann gibt es meines Erachtens nur einen Weg: Schaffen wir gleiche Chancen zwischen Gymnasien und Gemeinschaftsschulen. Setzen wir auf einen kreativen Wettbewerb zwischen zwei Schulkonzepten, die beide zum Abitur führen kön- nen. Das ist der Grund, warum wir fordern, dass Gemeinschaftsschulen und Gymnasien rechtlich gleichgestellt werden sollen. Das gilt für den rechtlichen Rahmen, die Freiheit der Curriculae und für die Zugangsbe- rechtigung. Damit fällt dann auch die Grundlage für die Einschränkung des Elternwillens bei der Wahl der Schulart und für das Querversetzen.
Meine Damen und Herren, wir wollen auch, dass die Entscheidung über die Länge der Schulzeit, also G8 oder G9, erst nach der 9. Klasse fällt. Es ist Unsinn, die SchülerInnen schon mit zehn Jahren einzuteilen. Es ist auch Unsinn, den ganzen zusätzlichen Schul- stoff in die Jahre der Pubertät zu packen.
Wenn wir in Zukunft auf individuelle Förderung setzen, dann kann nach der 9. Klasse in- dividuell entschieden werden, ob die oder der Jugendliche direkt in die Oberstufe geht, ob noch ein 10. Schuljahr als Vertiefungsjahr eingelegt wird.
Der nächste Punkt betrifft die LehrerInne: Es ist ein Unding, dass LehrerInnen, die an der gleichen Schule die gleichen Klassen unterrichten, auch in Zukunft unterschiedlich be- zahlt werden und unterschiedliche Beförderungschancen haben. Es geht auch nicht an, dass LehrerInnen an Gemeinschaftsschulen mehr unterrichten müssen als LehrerInnen an Gymnasien. Unterschiede sind nur dann gerechtfertigt, wenn LehrerInnen auch unter- schiedliche Anforderungen bewältigen.
Wir halten es weiterhin für notwendig, dass alle Gemeinschaftsschulen eine eigene O- berstufe haben. Das kann auch bedeuten, dass mehrere Gemeinschaftsschulen oder Gymnasien eine gemeinsame Oberstufe bilden – also ein Oberstufenzentrum.
Dazu wollen wir auch die beruflichen Gymnasien mit einbeziehen. Eine solche Lösung ist für die SchülerInnen sehr attraktiv, weil dann ein viel breiteres Angebot an Oberstufen- profilen möglich ist. Auch musisch-künstlerische Profile, mathematisch-technische Profile und Profile mit selteneren Fremdsprachen wie chinesich, japanisch und russisch, die heute selten angeboten werden, hätten dann eine bessere Chance.
Meine Damen und Herren, wenn wir wollen, dass die Jugendlichen an allen Schulen gleiche Chancen haben, dann müssen wir auch die unterschiedliche Zusammensetzung der Schülerschaft berücksichtigen. Schulen sind je nach Stadtteil und nach sozialer Her- kunft der SchülerInnen in unterschiedlicher Weise mit pädagogischen Problemen kon- frontiert. Deswegen müssen wir einen Förderfaktor einführen.
Schulen, die SchülerInnen mit Handicap aufnehmen, Schulen, die sich größeren Heraus- forderungen bei der Förderung von schwachen SchülerInnen stellen, müssen dafür ent- sprechende zusätzliche Ressourcen bekommen.
Meine Damen und Herren, wer A sagt, muss auch B sagen. Wer eine Reform des Schul- systems einleitet, muss auch die Rahmenbedingungen dafür schaffen. Die Blockade der CDU gegen die Herstellung von akzeptablen Rahmenbedingungen für Gemeinschafts- schulen schadet nicht nur den Schulen. Sie schadet auch der CDU, wie man an den Wahlergebnissen in vielen Gemeinden ablesen kann, wo die CDU den Elternwillen igno- riert hat.
Ich fordere Sie deshalb auf, unserem Antrag zu folgen, damit wir möglichst noch in die- sem Jahr eine entsprechende Novelle des Schulgesetzes verabschieden können.

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