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09.04.08
12:48 Uhr
B 90/Grüne

Karl-Martin Hentschel zu Ölbohrungen im Wattenmeer

PRESSEDIENST Fraktion im Landtag Schleswig-Holstein Pressesprecherin Claudia Jacob Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel
Telefon: 0431 / 988-1503 Fax: 0431 / 988-1501 Mobil: 0172 / 541 83 53 E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Internet: www.sh.gruene-fraktion.de


Nr. 126.08 / 9.4.2008

Keine Ausweitung der Ölbohrungen im Wattenmeer
Zur geplanten Ausweitung der Ölförderung im Nationalpark Wattenmeer erklären der Vorsitzende der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Karl-Martin Hentschel, und der Vorsitzende der Kreistagsfraktion Nordfriesland, Andreas Tietze:
Eine Ausweitung der Ölförderung im hochsensiblen Nationalpark Wattenmeer lehnen wir ab. Sie widerspricht diametral dem Schutzgedanken. Sie konterkariert das Bestreben, das Wattenmeer als Weltnaturerbe anzumelden. Sie ist sogar gesetzeswidrig, da das Nationalparkgesetz ausdrücklich jede Öl-Bohrung oder Förderung im Nationalpark ver- bietet und als Ausnahme lediglich einen Bestandsschutz für die bestehende Förderung von der Plattform Mittelplate gewährt.
Nach unserer Auffassung ist bereits die bisher vom Landesbergamt als Behörde des Wirtschaftsministers erteilte Aufsuchungserlaubnis rechtswidrig. Die Behauptung, dass Bundesrecht - also das Bundesberggesetz - Landesrecht - das Nationalparkgesetz - bricht, ist schon deshalb nicht zutreffend, da das Wattenmeer auch durch europäisches Naturschutzrecht geschützt wird und das Nationalparkgesetz explizit europäisches Um- weltrecht umsetzt.
Sie ist aber auch rechtswidrig, weil überwiegende öffentliche Interessen nach Paragraf 11 Nr. 10 Bergbaugesetz dem Anliegen entgegenstehen. Denn eine Ausweitung der Öl- förderung ist eine Gefahr für die Natur, eine Gefahr für den Tourismus, dem mit Abstand größten Wirtschaftsfaktor an der Westküste und eine Gefahr für die Fischerei.
Es ist unbegreiflich, dass der Umweltminister von Boetticher es zulässt, dass mit dem größten Kleinod der schleswig-holsteinischen Natur in dieser Weise verfahren wird.
Die Landtagsfraktion hat deshalb einen Landtagsantrag eingereicht. Wir fordern,
-> dass keine Ausweitung der Ölförderung stattfindet, -> dass die Landesregierung – und hier insbesondere der Umweltminister – sich klar und eindeutig für den Nationalpark einsetzt und -> dass das Bundesberggesetz so geändert wird, dass es modernen Anforderungen ent- spricht, die im Baurecht und Verkehrsrecht heute selbstverständlich sind. Dazu gehören transparente öffentliche Verfahren, verpflichtende Bürger- und Verbandsbeteiligung und Umweltverträglichkeitsprüfungen.
Zum Hintergrund:
Anfang 2007 ist bekannt geworden, dass die RWE Dea AG an mehreren Stellen im Nati- onalpark außerhalb der bestehenden Förderplattform „Mittelplate“ Explorationsbohrun- gen plant. Im Herbst 2007 ist ein entsprechender Genehmigungsantrag bei der National- parkverwaltung gestellt worden, der dann später zurückgezogen wurde. Später ist sei- tens RWE Dea angekündigt worden, den Antrag erneut stellen zu wollen.
Ferner hat RWE Dea vor mehreren Monaten einen Antrag auf eine ganz neue Konzessi- on (Aufsuchungserlaubnis) für die Suche nach Erdöl im Kreis Nordfriesland, darunter große Teilen des Nationalparks Wattenmeer, gestellt. Genehmigungsbehörde dafür ist das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie in Clausthal-Zellerfeld, die gemein- same Bergbaubehörde der norddeutschen Länder.
Die neu beantragte Aufsuchungserlaubnis über Öl- und Gasbohrungen bezieht sich auf große Teile des schleswig-holsteinischen Wattenmeeres, für die es bislang noch keine solche Erlaubnis gab. Dies schließt einen sehr großen Teil Nordfrieslands ein, darunter den Norden Eiderstedts sowie einen Großteil der Festlandküste, Inseln und Halligen so- wie große Teile des Nationalparks.
Dieses Verfahren für die Konzession zur Ölsuche in Nordfriesland wurde nichtöffentlich, also im Geheimen durchgeführt. Auf diese Weise wurde das Verfahren als internes Ver- fahren unter Beteiligung der Kreisverwaltungen - ohne Kenntnis der Kreistage - und des Wirtschaftsministeriums - ohne Beteiligung des Landtages - und ohne Beteiligung von Verbänden durchgeführt.
Erst die Berichte durch „Report Mainz“ und den „Spiegel“ im Januar 2008 machten das Vorhaben bekannt.
Entschieden wird dabei auf Grundlage des Bundesberggesetzes. Dieses „altmodische“ Gesetz kennt noch nicht in allen erforderlichen Fällen eine obligatorische Umweltverträg- lichkeitsprüfung. Wir sind aber der Auffassung, dass diese sowieso aufgrund der EU- Richtlinien auch bei der Erteilung von Aufsuchungserlaubnissen vorgeschrieben sein dürfte, wenn hiervon europäische Schutzgebiete betroffen sind.
Wichtig für das aktuelle Verfahren ist der Paragraf 11 des Berggesetzes, der die Gründe regelt, bei deren Vorliegen die Erlaubnis zu versagen ist. Dazu gehören unter Punkt 10 „überwiegende öffentliche Interessen, die die Aufsuchung im gesamten zuzuteilenden Feld ausschließen“. Es ist offensichtlich, dass für die oben genannten Gebiete andere gesellschaftliche und wirtschaftliche Zielsetzungen bestehen als die Förderung von Öl.
Laut Nationalparkgesetz ist die Ölförderung im Nationalpark ausgeschlossen. Es gibt le- diglich einen Bestandsschutz für die Ölförderung von der Bohr- und Förderplattform Mit- telplate aus. Aber nicht nur der Nationalpark steht den angestrebten Explorationen ent- gegen. Neben dem Naturschutz stehen auch zentrale wirtschaftliche Interessen auf dem Spiel. Eine Ausweitung der Ölförderung, und mehr noch ein Ölunfall, hätte gravierende langfristige Auswirkungen vor allem für den Tourismus. Daneben wäre auch die Fischerei im Wattenmeer wie auch in der Nordsee wäre betroffen, da das Wattenmeer die Kinder- stube für zahlreiche Fischarten bildet.
Unklar ist auch noch, welche Gefahren mittelfristig von der Ölförderung durch das wach- sende Erdbebenrisiko entstehen. Seitdem es im Ecofisk-Feld zu einem Beben der Stärke 5.0 auf der Richterskala gekommen sein soll, muss die Entnahme von Öl oder Gas auch in dieser Hinsicht geprüft werden.
Durch die Presseberichterstattung ist es dann auf Antrag der Grünen im Kreistag von Nordfriesland zu einer einstimmigen Positionierung des nordfriesischen Kreistages ge- gen das Vorhaben gekommen.
Nun ist die Landesregierung am Zuge. Es steht zu befürchten, dass das Wirtschaftsmi- nisterium die Anfragen des Landesbergamtes aus Clausthal-Zellerfeld einfach durchge- winkt hat. Das Umweltministerium hat sich bislang nicht geäußert. Es stellt sich die Fra- ge, ob es überhaupt beteiligt worden ist.
Die Grüne Landtagsfraktion hat deshalb einen Antrag in den Landtag eingebracht, der die Landesregierung auffordert, alles zu tun, um die geplanten Vorhaben zu verhindern und begleitend eine Initiative zur Änderung des Bundesberggesetzes zu ergreifen.

Wirtschaftliche Bedeutung von Tourismus und Umweltschutz versus Ölförderung
Es wird immer wieder der Eindruck erweckt, als würden diejenigen, die sich für den Tou- rismus und die Umwelt einsetzen, sich gegen die wirtschaftlichen Interessen der Region und gegen Arbeitsplätze wenden.
Natürlich wird mit Öl viel Geld verdient. Und natürlich ist jeder Arbeitsplatz an der West- küste wichtig. In der Ölförderung sind in Schleswig-Holstein aber maximal einige hundert Menschen beschäftigt.
Vom Tourismus leben in Schleswig-Holstein dagegen zirka 80.000 Menschen. Damit ist die Tourismusbranche Arbeitgeber Nummer 1. In Nordfriesland hängt ein großer Teil des Inlandsprodukts direkt oder indirekt vom Tourismus ab. Der Gesamtumsatz der Touris- muswirtschaft beträgt zirka 4 bis 5 Mrd. Euro im Jahr. Bundesweit sind im Tourismus mehr Menschen beschäftigt als im Maschinenbau, in der Autoindustrie, im Bauwesen und in der Chemieindustrie zusammen 1.
Für den Tourismus spielt die Natur und die sauberen Strände eine zentrale Rolle. Für 84 Prozent der Deutschen sind eine intakte Natur und Umwelt wichtig für die Urlaubszufrie- denheit. Kein Sektor wächst so schnell wie der Naturtourismus. Ein großer Ölunfall im Wattenmeer würde den Tourismus auf Jahre massiv schädigen.
1 Beschäftigtenzahlen in wichtigen Branchen in Deutschland Tourismus 2,8 Mio. (Quelle. Deutsche Zentrale für Tourismus) Straßenfahrzeugbau 750.000 (Quelle: VDMA, Verband Deutscher Maschinen Maschinenbau 873.000 und Anlagenbauer) Chemie 418.000 Bauhaupt- und Nebengewerbe 621.000 (Quelle: Statistisches Bundesamt) Summe 2,662.000

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