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29.02.08
15:38 Uhr
B 90/Grüne

Detlef Matthiessen zu Kampfmittelablagerungen in der Ostsee

PRESSEDIENST Fraktion im Landtag Schleswig-Holstein Pressesprecherin Es gilt das gesprochene Wort. Claudia Jacob Landeshaus TOP 28 + 29 – Kampfmittelablagerungen in der Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel Ostsee Telefon: 0431 / 988-1503 Fax: 0431 / 988-1501 Dazu sagt der umweltpolitische Sprecher Mobil: 0172 / 541 83 53 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Detlef Matthiessen: Internet: www.sh.gruene-fraktion.de


Nr. 098.08 / 29.2.2008

Unsere Ostsee ist keine Sondermülldeponie
Vielen Dank für den Bericht aus Ihrem Hause, Herr Innenminister Hay. Ich bin aber auch dem ehrenamtlichen Umweltschutz, allen voran dem NABU Schleswig-Holstein, aber auch engagierten Einzelpersonen wie Dr. Nehring, dankbar, die mit Konferenzen, Expertenrunden und einer sehr niveauvollen Sacharbeit das Thema zu Recht in das öffentliche Bewusstsein gerückt haben.
Schon lange ist bekannt, dass in der Lübecker Bucht vor Travemünde noch 1961 in 20 Meter Tiefe nur acht Kilometer vom Strand entfernt Chlorgas und Phosgen versenkt wurden.
Erschreckend ist dabei vor allem, dass die Bedrohung durch das versenkte Gift den Behör- den seit 47 Jahren bekannt war. Dennoch kam es erst jetzt, nach lauter öffentlicher Diskussi- on überhaupt zu Untersuchungen.
Die Stadt Lübeck hat es zunächst aus Kostengründen abgelehnt, die Giftgasflaschen orten und beseitigen zu lassen. Der Sprecher des Umweltministeriums wird wie folgt im Holsteini- schen Courier vom 2. Februar dieses Jahres zitiert: „Wir haben keine Anhaltspunkte dafür, dass von den Flaschen eine Gefahr für Flora und Fauna ausgeht.“ Das reicht nicht aus, so leicht darf man es sich nicht machen.
Bei Ortungsversuchen in den letzten Wochen stellte sich heraus, dass an der angegebenen Stelle keine Flaschen zu finden waren, dafür ortete man aber eine Ansammlung von exakt 15 Flaschen am Meeresboden dreieinhalb Seemeilen weiter östlich.
Diese wurden bereits vor sieben Jahren vom BSH geortet, ein Zusammenhang mit den 15 Giftgasflaschen wurde damals angeblich nicht gesehen. Sollte die Bedrohung damals ver- tuscht werden?
1/2 Das Innenministerium hat jetzt mitgeteilt, dass diese Behälter nun endlich geborgen werden sollen. Zu den erneuten Untersuchungen war es erst gekommen, nachdem Naturschützer und Meeresbiologen erheblichen Druck gemacht haben. Immerhin liegen die Flaschen bei Pelzerhaken deutlich näher am Strand als die ursprünglich angegebene Position der Versen- kung der Flaschen. Ob es sich tatsächlich um die 15 Flaschen aus dem Jahr 1961 handelt, wird man wohl erst wissen, wenn sie geborgen sind.
Wenn sie es sein sollten, ist eine spannende Frage, wie sie dort hingekommen sind. Immer- hin berichtet das BSH von einem dichten Netz von Schleppnetzspuren der Grundfischerei in der Nähe der vermuteten Lagerstelle.
Wenn sie es nicht sein sollten, muss die Suche erst richtig losgehen. Denn sollte ein Schiff eine solche Giftgasflasche aufnehmen oder sie aus dem Sediment frei setzen und diese dann an den Strand gespült werden, kann das bedrohliche Folgen haben.
Lassen Sie uns das Problem angehen – bevor etwas passiert! Ich vermute, wenn man das Korrosionsverhalten anderer Funde zugrunde legt, dass eine Bergung der Behältnisse mög- lich ist. Aber das gilt es ja zu klären.
Doch das Problem Munitionsablagerungen, Kampfmittel und Giftmüll in den schleswig- holsteinischen Küstengewässern beschränkt sich nicht auf die 15 Flaschen in der Lübecker Bucht, deshalb beantragen wir die Aufarbeitung alter Erkenntnisse und die Erhebung aktuel- ler Daten in einem abgestuften Verfahren.
Jüngst wurde eine Statistik veröffentlich, nach der seit Ende des Zweiten Weltkrieges bis heute in Deutschland allein durch Munition in der Ostsee mindestens 168 Menschen getötet und mindestens 263 Menschen größtenteils schwer verletzt wurden. Auf eine beträchtliche Dunkelziffer wurde zusätzlich verwiesen. Zwar sind laut Statistik Todesfälle nur bis in die 1950er Jahre regelmäßig aufgetreten und kommen zum Glück heute nicht mehr vor. Hinge- gen hält sich die Zahl der Vorfälle mit Verletzten auf offensichtlich gleich bleibend hohem Ni- veau.
In den vergangenen 15 Jahren hat sich Phosphor zum Hauptproblem an der deutschen Ost- seeküste entwickelt. Es gibt zwei bekannte Schwerpunktgebiete, in denen besonders häufig Phosphor angeschwemmt wird: Karlshagen auf Usedom, wo in den 70er Jahren bei einem Vorfall über 100 Menschen verletzt wurden und die Strände über Wochen gesperrt waren, und Laboe an der Kieler Außenförde.
Panikmache können wir bei diesem Thema nicht gebrauchen, aber wir brauchen einen an- gemessenen, sachorientierten Umgang mit dem Problem.
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