Navigation und Service des Schleswig-Holsteinischen Landtags

Springe direkt zu:

Diese Webseite verwendet ausschließlich für die Funktionen der Website zwingend erforderliche Cookies.

Datenschutzerklärung

Pressefilter

Zurücksetzen
29.02.08
12:32 Uhr
SPD

Bernd Schröder zu TOP 13: Schwarzarbeit ist unsozial und kein Kavaliersdelikt

Presseinformation der SPD-Landtagsfraktion

Kiel, 29.02.2008 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuell
TOP 13, Große Anfrage Schwarzarbeit in Schleswig-Holstein (Drucksache 16/1847)

Bernd Schröder:

Schwarzarbeit ist unsozial und kein Kavaliersdelikt

Schwarzarbeit verzerrt den Wettbewerb, gefährdet Arbeits- und Ausbildungsplätze und schadet dem Arbeitsmarkt, führt der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD- Landtagsfraktion, Bernd Schröder, aus. Besonders betroffen sind die mittelständischen Handwerksbetriebe. Untersuchungen zeigen, dass es keinen Zusammenhang zwi- schen Schattenwirtschaft und konjunktureller Entwicklung gibt. Schröder beklagt das fehlende Unrechtsbewusstsein in der Bevölkerung, die Schwarzarbeit überwiegend als Kavaliersdelikt einstuft. Ein Hauptproblem in der Bekämpfung der Schwarzarbeit be- steht in den zersplitterten Zuständigkeiten, deshalb müssen die Kräfte konzentriert werden. Insbesondere die Kreise und größeren Städte sollten Ermittlungsgruppen ein- richten. Bevor über weitere Vergünstigungen wie steuerliche Absetzbarkeit von Hand- werksleistungen gesprochen wird, müssen die Auswirkungen der jetzigen Regelung evaluiert werden. Mindestlöhne und das Tariftreuegesetz tragen dazu bei, Schwarzar- beit unattraktiv zu machen.



Die Rede im Wortlaut: Ich möchte mich zunächst bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Ministerium für Justiz, Arbeit und Europa für die ausführliche und informative Beantwortung der Anfra-



Herausgeber: Landeshaus SPD-Landtagsfraktion Postfach 7121, 24171 Kiel Verantwortlich: Tel: 0431/ 988-1305/1307 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Petra Bräutigam Fax: 0431/ 988-1308 Internet: www.spd.ltsh.de -2-



ge bedanken. Die Fraktion der FDP hatte das Thema bereits im Jahr 2001 aufgegrif- fen, so dass ich heute vor allem auf die neuesten Entwicklungen eingehen möchte. Das Thema Schwarzarbeit oder besser „Schattenwirtschaft“ hat für Beschäftigte, Un- ternehmen und Staat so hohe Bedeutung, dass es durchaus angemessen ist, es re- gelmäßig aufzugreifen.

Mehrere Studien renommierter Wirtschaftsforschungsinstitute zeigen, dass Schwarz- arbeit und Schattenwirtschaft zwar leicht rückläufig sind, nach wie vor aber ein milli- ardenschweres Problem darstellen. Die Spannweite reicht von 3,1 Prozent Anteil „schwarz“ geleisteter Arbeitsstunden gemessen an den gesamten Arbeitsstunden bis zu einem aktuellen Anteil der Schattenwirtschaft am Brutto-Inlandsprodukt in Höhe von rund 15 Prozent.

Schwarzarbeit verzerrt den Wettbewerb, gefährdet bestehende Arbeits- und Ausbil- dungsplätze und schadet dem Arbeitsmarkt, weil sie einen fairen Wettbewerb zwi- schen den Unternehmen verhindert. Jeder an den Steuer- und Sozialkassen vorbei verdiente Euro wird der regulären Arbeit aufgebürdet und verteuert diese noch mehr, das ist ein Teufelskreislauf.

Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung gefährden auch in Schleswig-Holstein unse- re Unternehmen. Insbesondere das Baugewerbe, der Gartenbau, das Hotel- und Gaststättengewerbe sowie der soziale haushaltsbezogene Dienstleistungsbereich sind Brennpunkte der Schattenwirtschaft.

Wie häufig, ist besonders der Mittelstand betroffen und hier insbesondere unsere Handwerksbetriebe. Das ist für unser Land nicht akzeptabel. Die Intensivierung der Bekämpfung der Schwarzarbeit ist deshalb ein wichtiges Element der politischen Ge- samtstrategie zur Stärkung der Wirtschaft und zur Schaffung von mehr Arbeit. -3-



Es ist wohl zutreffend, dass eine hohe Steuer- und Abgabenlast die Bereitschaft zu schattenwirtschaftlichen Aktivitäten erhöhen. So stieg die Sozialversicherungsquote von 26,5 % im Jahr 1970 auf derzeit rund 40 % und der Mehrwertsteuersatz in den vergangenen 25 Jahren von 11 % auf 19 %. Wie langfristige Untersuchungen zwi- schen 1970 und 2005 ergeben haben, gibt es aber offenbar keinen Zusammenhang zwischen Schattenwirtschaft und konjunktureller Entwicklung. Die Schattenwirt- schaft dürfte gerade in den Jahren 2003 bis 2006 deutlich zurückgegangen sein.

Das Hauptproblem ist nach wie vor: Es ist bisher nicht gelungen, ein breites Un- rechtsbewusstsein in der Bevölkerung hinsichtlich der Schwarzarbeit zu schaffen. Ein großer Teil der Bevölkerung stuft Schwarzarbeit immer noch als Kavaliersdelikt ein. Und wenn hoch verdienende Leistungsträger unserer Gesellschaft in großem Um- fang Steuern hinterziehen, muss man sich nicht wundern, wenn es Menschen gibt, die bei der Hinterziehung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen durch Schwarz- arbeit kein Unrechtsbewusstsein haben, so bedauerlich das ist.

Es muss darum gehen, diesen Menschen zu vermitteln, dass illegal gleichzeitig auch unsozial bedeutet. Wenn jemand schwarz arbeitet, bezahlen andere, die sozialversi- cherungspflichtig tätig sind, über ihre Steuern und Sozialabgaben alles mit: Gesund- heitsversorgung, Kindertagesstätten, öffentliche Infrastruktur. Das können wir nicht hinnehmen. Es ist nicht fair, es ist nicht gerecht und es schadet der gesamten Gesell- schaft.

Wir haben in den letzten Jahren zahlreiche Anreize gesetzt, damit Schwarzarbeit weniger attraktiv ist: Von Vereinfachungen bei Minijobs über die steuerliche Absetz- barkeit für Handwerksleistungen und haushaltsnahe Dienstleistungen bis hin zu klaren Regelungen bei Arbeitnehmerfreizügigkeit und Dienstleistungsfreiheit. Gleichzeitig greifen auch die Kontrollinstrumente. Das im Jahr 2004 in Kraft getretene Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit mit seiner Kombination aus Prävention und Verfol- -4-



gung zeigt den richtigen Weg. Es reichte aber noch nicht für eine entscheidende Trendumkehr bei der Entwicklung der Schwarzarbeit.

Ein Hauptproblem in der Bekämpfung der Schwarzarbeit besteht in den zersplitterten Zuständigkeiten. Hier müssen die Kräfte konzentriert werden: Wir brauchen Aktions- bündnisse gegen Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung. Mit im Boot sind die Kammern, die Verbände der Wirtschaft und die Gewerkschaften. Die Menschen hier im Lande müssen die Bekämpfung von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung nicht nur als hoheitliche, sondern als gesellschaftliche Aufgabe wahrnehmen. Ziel muss sein: „Wo kein illegaler Auftraggeber, da kein illegaler Auftragnehmer“.

Zahlreiche Kreishandwerkerschaften in Schleswig-Holstein beschäftigen Personen, die auf Hinweise aus dem Handwerk oder der Bevölkerung Sachverhalte aufnehmen, um sie den zuständigen Behörden zu übermitteln. Gefordert sind jetzt insbesondere die Kreise und größeren Städte, sie sind zuständig für die Bekämpfung von Schwarzar- beit bei Erbringung von handwerklichen Leistungen in einem zulassungspflichtigen Handwerk ohne Eintragung in die Handwerksrolle. Diese gesetzliche Verpflichtung wird sehr unterschiedlich, meist in viel zu geringem Umfang und zum Teil überhaupt nicht wahrgenommen.

Effektiv arbeitende Ermittlungsgruppen gibt es in Schleswig-Holstein lediglich noch in den Kreisen Herzogtum Lauenburg sowie Ostholstein/Plön. Gerade die Ermittlungs- gruppe Ostholstein/Plön, die Anfang des Jahres um die Stadt Neumünster erweitert wurde, ist ein gutes Beispiel für eine effektivere Form der Schwarzarbeitsbekämpfung, ein Hoffnungssignal für das Handwerk und ein gutes Beispiel für alle anderen Kreise. Ermittlungsgruppen zeichnen sich dadurch aus, dass die Verfolgung, Ermittlung, Sachverhaltsbearbeitung und Ahndung in einer Hand liegt und dadurch effektivere Strukturen geschaffen werden. Früher bestehende Ermittlungsgruppen, z. B. in Lübeck und Kiel wurden dagegen aufgelöst. -5-



Ich bitte die Kreise und größeren Städte dringend, die Ermittlungstätigkeit im Bereich der Schwarzarbeit zu verstärken und zur effektiven Abwicklung hierfür Ermittlungs- gruppen einzurichten. Wie das Beispiel Ostholstein/Plön zeigt, können die entstehen- den Personalkosten zu einem erheblichen Teil durch tatsächlich vereinnahmte Buß- gelder refinanziert werden.

Neben der Bekämpfung der Schwarzarbeit sind aber auch Maßnahmen erforderlich, die die ehrliche und legale Arbeit der Handwerksbetriebe preisgünstiger machen. Seit 2006 können Handwerksleistungen bis zur Höhe von 3.000 Euro von der Steuer abge- setzt werden, dabei werden 20%, also 600 Euro von der Steuer abgezogen. Für haus- haltsnahe Dienstleistungen gelten entsprechende Regelungen. Das Handwerk sieht darin einen sehr positiven, Beschäftigung fördernden Ansatz und fordert höhere Ab- setzbeträge.

Eine Evaluation steht noch aus. Wir sind dieser Forderung nicht grundsätzlich abge- neigt. Jedoch ist vor einer Ausweitung zu prüfen, ob die positiven Effekte wirklich überwiegen. Die Absetzbarkeit von Handwerksleistungen wird wie jede andere Subvention von den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern finanziert, auch von jenen, die sich überhaupt keine Handwerker leisten können, ob mit oder ohne Absetzbarkeit. Mitnahmeeffekte sind ebenfalls zu berücksichtigen, weil viele Aufträge ohnehin erteilt worden wären.

Sehr positiv ist der nach ersten Erkenntnissen hohe Refinanzierungswert zu werten, ebenso die Verbesserung der Auslastung im Handwerk, die Arbeitsplätze schafft und sichert. Daher gilt bei dieser wie auch bei anderen Maßnahmen: Bevor über weiter ge- hende Vergünstigungen gesprochen wird, müssen die Auswirkungen der jetzigen Re- gelung evaluiert werden. -6-



Eine weitere bereits kurzfristig wirkende Maßnahme wäre die vom Handwerk seit lan- gem geforderte Herausnahme schwarz arbeitender Beschäftigter aus dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Das würde zweifellos Wirkung zeigen und hohen Druck ausüben. Jedoch ist hierbei zu bedenken, dass Arbeitnehmer oft nicht wissen können, ob ihre Firma Schwarzarbeit erbringt, und selbst wenn sie es vermuten, wenig dagegen machen können, ohne ihren Arbeitsplatz zu gefährden. Bei dieser Forderung muss man genau prüfen, ob man nicht vielleicht die Falschen abstraft.

Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist Schwarzarbeit wenig attraktiv, wenn das eigene Einkommen stimmt. Deshalb sind Mindestlöhne und unser schleswig- holsteinisches Tariftreuegesetz Maßnahmen, die beide stärken: die Betriebe ebenso wie die Beschäftigten.

Wir alle sind aufgefordert, wirkungsvolle Wege zur Bekämpfung der Schwarzarbeit zu beschreiten. Dies ist im Interesse von Arbeits- und Ausbildungsplätzen, im Interesse unserer sozialen Sicherungssysteme und im Interesse eines fairen Wettbewerbs.