Navigation und Service des Schleswig-Holsteinischen Landtags

Springe direkt zu:

Diese Webseite verwendet ausschließlich für die Funktionen der Website zwingend erforderliche Cookies.

Datenschutzerklärung

Pressefilter

Zurücksetzen
27.02.08
11:31 Uhr
B 90/Grüne

Karl-Martin Hentschel zur Änderung des Wahlgesetzes und zur Abschaffung der Fünf-Prozent-Klausel

PRESSEDIENST Fraktion im Landtag Schleswig-Holstein Pressesprecherin Es gilt das gesprochene Wort! Claudia Jacob Landeshaus TOP 9 – Änderung Gemeinde- und Kreiswahlgesetz – Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel Abschaffung der Fünf-Prozent-Klausel Telefon: 0431 / 988-1503 Fax: 0431 / 988-1501 Dazu sagt der Vorsitzende der Mobil: 0172 / 541 83 53 Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Internet: www.sh.gruene-fraktion.de Karl-Martin Hentschel:
Nr. 075.08 / 27.2.2008
Ein Gewinn für die Demokratie
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren,
Entscheidungen von Verfassungsgerichten in anderen Bundesländern haben schon seit mindestens zehn Jahren klargemacht, dass die Fünf-Prozent-Klausel bei den Kommu- nalwahlen in Schleswig-Holstein verfassungswidrig ist.
Es gibt einfach keinen berechtigten Grund, das Votum von Tausenden von BürgerInnen bei den Wahlen einfach unter den Tisch fallen zu lassen.
Deshalb gab es immer wieder Initiativen hier im Landesparlament, das kommunale Wahl- recht den Entwicklungen und Erfahrungen anderer Länder anzupassen.
Das gelang nicht - weder die Enquetekommission in der 13. Wahlperiode, noch in den rot-Grünen Koalitionsverhandlungen, wo das mehrmals versucht wurde. Anträge der FDP und zuletzt unser Antrag wurden abgelehnt.
Immer scheiterten wir an der Arroganz beider großen Parteien.
Es brauchte erst ein einstimmiges Votum des Bundesverfassungsgerichts, um die ver- fassungsrechtlich verankerte Gleichheit des Erfolgswertes der Wählerstimmen im kom- munalen Wahlrecht zu verankern.
Das Gericht bemerkte dazu in der Urteilsbegründung: „Gerade bei der Wahlgesetzgebung besteht die Gefahr, dass die jeweilige Parlaments- mehrheit sich statt von gemeinwohlbezogenen Erwägungen vom Ziel des eigenen Machterhalts leiten lässt. Die im Landesparlament vertretenen Parteien könnten an der Sperrklausel festhalten, um die Konkurrenz durch kleinere Parteien und kommunale Wählergemeinschaften möglichst klein zu halten.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.
1/2 Es ist zwar bedauerlich, dass wir erst das Bundesverfassungsgericht bemühen mussten, aber es ist erfreulich, dass CDU und SPD nun schnell reagierten und wir bereits heute das Änderungsgesetz im Landtag einbringen können.
Meine Damen und Herren, immer wieder wurde die Befürchtung geäußert, dass die Demokratie durch den Einzug von rechtsextremen Parteien in die kommunalen Vertretungen Schaden nehmen könnte.
Deshalb möchte ich darauf noch mit vier Argumenten eingehen: Erstens: Das Bundesverfassungsgericht hat sich dazu unmissverständlich geäußert. Für die Bekämpfung verfassungswidriger Parteien darf das Wahlrecht nicht verwendet wer- den, weil es alle Vereinigungen gleichermaßen trifft und somit das Kind mit dem Bade ausschüttet.
Wir dürfen im Kampf gegen den Rechtsextremismus nicht die Demokratie selbst beschä- digen.
Zweitens: Das Problem des Rechtsextremismus besteht nicht in den Rathäusern, son- dern in den Köpfen. Nach soziologischen Studien haben zwischen fünf und fünfzehn Prozent der bundes- deutschen Bevölkerung ein mehr oder weniger gefestigtes rechtsextremes Weltbild.
Dieser Umstand ist besorgniserregend, nicht die Tatsache, dass ein paar davon den Gemeindevertretungen mit der Dauerproduktion von dumpfnationalen Anträgen auf die Nerven gehen.
Drittens: Da die rechtsextremen Parteien programmatisch nichts zu bieten haben, spielen Sie sowieso nur dort eine Rolle, wo sie einen cleveren Demagogen vor Ort haben. Dann nützt aber in der Regel auch eine Fünf-Prozent-Hürde nichts.
Viertens: Rechtsextreme Gegenwelten gedeihen nicht im öffentlichen Diskurs, sondern in der Abschottung von Parallelgesellschaften. Diese Abschottung zu durchbrechen und sie zu zwingen, sich in demokratische Diskurse zu integrieren, ist überhaupt das wirksamste Mittel im Kampf gegen den Rechtsradikalismus.
Meine Damen und Herren, die Abschaffung der Fünf-Prozent-Klausel ermöglicht nicht nur kleineren Parteien, son- dern auch Wählergemeinschaften und Bürgerinitiativen den Sprung in die Kreistage und Stadtparlamente.
Wo viele Parteien und Interessengruppen vertreten sind, kann der demokratische Dis- kurs gedeihen.
Wenn engagierte Demokraten im öffentlichen Raum frei argumentieren und kontroverse Meinungen ausdiskutieren können, dann ist das gut für unsere Demokratie.
Deswegen ist dieser Tag heute ein guter Tag!
***