Detlef Matthiessen zum Wärmegesetz
PRESSEDIENST Fraktion im Landtag Schleswig-Holstein Pressesprecherin Es gilt das gesprochene Wort! Claudia Jacob Landeshaus TOP 5 – Erneuerbare Wärme-Gesetz Düsternbrooker Weg 70 24105 KielDazu sagt der umweltpolitische Sprecher Telefon: 0431 / 988-1503 Fax: 0431 / 988-1501 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Mobil: 0172 / 541 83 53 Detlef Matthiessen: E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Internet: www.sh.gruene-fraktion.de Nr. 030.08 / 30.1.2008Schleswig-Holsteins Häuser wärmer anziehen und die Sonne hineinlassenWärme zum Heizen, zur Brauchwassererwärmung, Energie zur Lüftung von Gebäuden, das verschlingt laut Internationaler Energieagentur 40 Prozent des weltweiten Energie- verbrauches.Private Haushalte in unserem Land verbrauchen etwa ein Drittel der Endenergie, also Erdgas, leichtes Heizöl und Strom. Davon werden zirka 70 Prozent für die Raumheizung verbraucht.Ein Erneuerbare Wärme-Gesetz brauchen wir, um einen relevanten Beitrag zum Klima- schutz leisten zu können. Mit dem Gesetz wollen wir Schleswig-Holsteins Häuser wärmer anziehen und die Sonne hineinlassen.Heizen und Warmwasserbereitung beruhen immer noch überwiegend auf fossilen Brennstoffen. Technisch gesehen, ist das von gestern. Der Energieverbrauch unserer Häuser kann heute schon überwiegend mit regenerativer Energie abgedeckt werden. Der Energieverbrauch insgesamt kann aber vor allem radikal gesenkt werden.Ziel des Gesetzentwurfes ist es, im Interesse des Klimaschutzes eine anteilige Nutzung erneuerbarer Wärmeenergie bei Wohngebäuden verbindlich als Standard einzuführen.Die Vorteile sind nicht nur für die Umwelt, die Vorteile sind auch wirtschaftlicher Natur: Wenn ohnehin Baumaßnahmen anstehen, sind energetische Modernisierungen beson- ders wirtschaftlich. Der erhöhte Aufwand für Solarkollektoren und Wärmeschutz amorti- siert sich über die eingesparten Heizkosten. Fast alle Häuser, die vor 1977 gebaut wur- den, könnten durch Wärmeschutz und eine effiziente Heizungsanlage den Verbrauch um die Hälfte reduzieren und damit Heizkosten einsparen. So die Einschätzung der Energie- agentur Schleswig-Holstein.1/4 Mit steigenden Energiepreisen steigt auch die Rentierlichkeit der Investitionen. Die Ver- knappung der Energierohstoffe wird bislang nicht in den gängigen Kalkulationen und Wirtschaftlichkeitsberechnungen berücksichtigt. Die Preise werden, falls überhaupt, nur im Rahmen der allgemeinen Inflation steigend angenommen. Dabei wurde Heizöl, so steht es in der wi 4/2008 – das sind die wohnungspolitischen Informationen des Bundes- verbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen – von November 2006 auf November 2007 um 23,7 Prozent teurer.Die Preise steigen schnell. Die Investitionen sind jedoch langlebig. Bei Heizungen 12 bis 15 Jahre, eine Solaranlage kann auch gerne 20 Jahre alt werden, bauliche Maßnahmen sind für Jahrzehnte gedacht.Jeder Neubau von heute unter dem KFW 40 Standard ist das wärmetechnische Sanie- rungsobjekt von morgen.Damit komme ich zu Lars Harms, unserem Kollegen vom SSW. Der Gesetzentwurf der Grünen ist voller guter Absichten, aber die Umsetzung ist frag- würdig. Angesichts der heute noch hohen Kosten der klimafreundlichen Technologien könnte dies für viele Familien erst einmal bedeuten, dass es gar kein Eigenheim gibt.Er befürchtet, dass wegen der hohen Kosten gar nicht mehr gebaut würde. Das Gesetz übte zuviel Zwang aus. Deshalb will ich gerne darauf eingehen. Ja, das Gesetz übt einen Zwang aus, es macht Vorschriften. Das hat ein Gesetz nun einmal so an sich und das ist auch so beabsichtigt. Das gilt für die Einführung der Gurtpflicht im Auto, das gilt für die Wärmeschutzverordnung von 1995 und für die Landesbauordnung, das gilt für unser Er- neuerbare Wärme-Gesetz Schleswig-Holstein.Eine Fehlannahme ist jedoch, dass erneuerbare Wärme, also die solare Baupflicht, fürchterlich teuer ist.Es wird nur Eines vom Kopf auf die Füße gestellt. Ich kann entweder billig bauen und teuer unterhalten oder ich baue etwas teurer und spare an der Unterhaltung. Billig bauen, teuer heizen oder günstig bauen, geringe Heizkosten: So lautet die Formel.An dem Budget, das der Familie zur Verfügung steht, ändert das zunächst nichts. Jeder vernünftige Architekt kann das der Bank vorrechnen. Die LBS-Gruppe, also die Bauabtei- lung unserer Sparkassen, wirbt gezielt für den Bau von Passivhäusern, weil sie sich zu Recht sagt: Das Geld, das der Ölscheich einstreicht, leite ich doch lieber in meine Bausparkasse.Aus Sicht der Baufinanzierer ist solares Bauen auch sicherer, weil die Energiepreisent- wicklung immer unkalkulierbarer wird.Unsere Energieagentur Schleswig-Holstein schreibt von einer Wertsteigerung der Immo- bilie jenseits der Energieeinsparung: Fachmännisch geplante und durchgeführte wärme- technische Sanierungsarbeiten schützen die Bausubstanz und vermeiden Bauschäden. Optimaler Wärmeschutz bedeutet Wärmebrücken weitestgehend zu vermeiden. Das Ge- bäude gewinnt an Attraktivität, nicht nur äußerlich.Von dem Gesetz erwarten wir einen wichtigen und kalkulierbaren Wirtschaftsimpuls für das Handwerk im Bereich Haustechnik wie auch bei zahlreichen Baugewerken. Solar- und Regenerativtechnik wird von der Ausnahme zum Normalfall werden und damit zu noch günstigeren Preisen auf der Verbraucherseite führen.Das bedeutet neue Chancen im Baugewerbe: Der Anteil sanierungsbedürftiger Häuser ist in Schleswig-Holstein sehr hoch, ein großes wirtschaftliches Potenzial für das Bauge- werbe - es könnten tausende neuer Arbeitsplätze entstehen.Ich habe bei der Formulierung des schleswig-holsteinischen Gesetzes Anleihen in Ba- den-Württemberg genommen. Das Gesetz dort hat eine ähnliche Systematik wie unser Vorschlag. Das baden-württembergische Wärmegesetz wurde im November eingebracht und gilt dort seit Beginn des Jahres, also seit dreißig Tagen. Es wurde von der CDU, den GRÜNEN und der FDP mitgetragen.Herr Dr. Garg findet das Gesetz in BaWü gut, unsere darüber hinausgehenden Vor- schläge hier in Schleswig-Holstein findet er nicht gut. Darüber wird zu beraten sein. Für mich ist Maßstab der Stand der Technik und die Wirtschaftlichkeit. Und vielleicht noch ein Hinweis für Sie, Herr Dr. Garg: Wir geben nur einen Rahmen vor, etwa durch Ener- giekennzahlen, die einzuhalten sind. Das in einem weiten zeitlichen Rahmen. Was und wann in der Umsetzung geschieht, schreiben wir nicht vor. Das verstehe ich unter libera- ler Wirtschaftslenkung.Die Dramatik der Verknappung und Verteuerung fossiler Energieträger ist im öffentlichen Bewusstsein noch nicht in vollem Umfang angekommen.Die geforderten Maßnahmen rechnen sich bereits heute für HauseigentümerInnen und werden in Zukunft mit der zu erwartenden Energiepreisentwicklung in ihrer Wirtschaft- lichkeit steigen.Die Tatsache, dass heute nur jede zehnte neue Heizung mit erneuerbaren Energien be- trieben wird, lässt darauf schließen, dass die Vorteile der erneuerbaren Energien für die Kunden noch zu intransparent sind oder die Investoren vor den Investitionskosten zu- rückschrecken.Auf der anderen Seite steht oft die unterschiedliche Interessenlage zwischen Investor und Nutzer einer Immobilie.Die spezifischen Interessen von KäuferInnen von Heizungsanlagen (z. B. VermieterIn) und den Wärmeverbrauchern (also der MieterIn) liegen häufig auseinander. Vor dem Hintergrund dieses Dilemmas werden erneuerbare Energien auch dann nicht eingesetzt, wenn sie günstiger als fossile Energieträger sind. Betriebswirtschaftlich zum Teil ver- ständlich, klimapolitisch und volkswirtschaftlich Gift.MieterInnen sind deshalb auch ganz wesentlich Profiteure des Gesetzes.In welchen Fällen findet das Gesetz Anwendung?1) Beim Neubau soll ein Anteil von 40 Prozent der Wärme durch erneuerbare Energien abgedeckt werden.2) Bei der Heizungserneuerung im Bestand soll ein Anteil von 20 Prozent der Wärme durch erneuerbare Energien abgedeckt werden.3) Der Wärmebedarf bestehender Wohngebäude soll bestimmte Werte (Energiekennzah- len) nicht überschreiten. Zeitlich gestaffelt sollen Gebäude ab 2010 nicht mehr als 350 kWh pro Quadratmeter Wohnfläche im Jahr verbrauchen, ab 2015 gilt 260 kWh, ab 2020 170 kWh.Die hierfür notwendigen Technologien sollen weiter ausgebaut werden und zu einer nachhaltigen Energieversorgung beitragen.Bereits heute ist es sowohl technisch möglich als auch wirtschaftlich sinnvoll, 90 Prozent des Wärmebedarfes durch erneuerbare Energien zu decken. Tatsächlich werden aber nur sechs Prozent genutzt.Mit Blick auf das Klimaschutzziel, bis 2020 CO2-Einsparungen um 40 Prozent zu errei- chen, müssen wir die bisher getroffenen Maßnahmen zum Ausbau der erneuerbaren Wärmeenergien drastisch verstärken.Der aktuelle Entwurf eines Bundesgesetzes zur Nutzung erneuerbarer Wärmeenergien aus dem Bundesumweltministerium sieht eine verbindliche Nutzung dieser Energien nur im Neubaubereich vor.Das ist sehr wenig ambitioniert. Die Masse des Heizenergieverbrauches findet in den Bestandsgebäuden statt.Die wärmetechnische Sanierung im Bestand hat wirtschaftspolitisch einen wichtigen Vor- teil. Man kann, das zeigt Nokia in NRW und Motorola in Flensburg, Produktion ins Aus- land verlagern. Die sanierungsbedürftigen Häuser in Kiel und Neumünster, in Marne und Mölln können nicht weglaufen. Die Arbeit bleibt im Lande.Hier kommt Ökonomie und Umweltnutzen zusammen.Ich freue mich auf die Befassung des schleswig-holsteinischen Erneuerbare Energie- Wärmegesetz im Ausschuss. Ich bin mir sicher, wir werden zu einem guten Ergebnis kommen. ***