Angelika Birk zum Universitätsklinikum Schleswig-Holstein
PRESSEDIENST Fraktion im Landtag Schleswig-Holstein Pressesprecherin Es gilt das gesprochene Wort! Claudia Jacob Landeshaus TOP 30 – Vorstand des Universitätsklinikums Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel Schleswig-Holstein Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 Dazu sagt die gesundheitspolitische Sprecherin Telefax: 0431/988-1501 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Mobil: 0172/541 83 53 Angelika Birk: E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Internet: www.sh.gruene-fraktion.de Nr. 521.07 / 13.12.2007Uniklinikum: Landesregierung handelt gesetzeswidrig und hat den Verkauf schon eingeleitetDie kaufmännische Vorstandsposition ist in einer gesetzeswidrigen Form ausgeschrie- ben worden, nämlich als Teil eines zweiköpfigen Leitungsgremiums. Mit gutem Grund sieht aber das Hochschul- und Universitätsklinikgesetz einen dreiköpfigen Vorstand vor.Wie in der Mehrzahl der deutschen Unikliniken, wie in den Krankenhäusern mit mo- dernster medizinischer Versorgung, verankert das Schleswig Holsteinische Uniklinikge- setz die Position für Pflege und Patientenservice im Vorstand mit Sitz und Stimme. Dies ist keine Marotte. Es dien reibungslosen und hochwertigen Versorgungsabläufen, Quali- tätssicherung, Aus- und Fortbildung aller nicht ärztlichen Berufe: Das entscheidet über die Existenz und den Erfolg des Klinikums.Ein hundertjähriger typisch deutscher Irrtum war es, anzunehmen, die Führungsverant- wortung für Pflege- und Patientenservice. sowie für das gesamte damit zusammenhän- gende Organisations- und Personalmanagement könnten Ärzte und Kaufleute so ne- benbei mit erledigen. Dies hat genau zu den Problemen geführt, vor denen heute fast alle Unikliniken in Deutschland stehen.Im Gegensatz zu den australischen und amerikanischen Topklinken haben sie um Jahr- zehnte zu spät den Wert guter pflegerischer Leistung für den Erfolg ärztlicher Behand- lung erkannt und meist erst in den neunziger Jahren organisatorische Konsequenzen für effiziente Entscheidungsprozesse gezogen.Das Vorstandsmitglied Pflege und Patientenservice verantwortet das Prozessmanage- ment, die entscheidende Stellschraube im Wertschöpfungsprozess und koordiniert die Nahtstellen der Patientenversorgung, lotst die Patienten durch verschiedene Behand- lungsetappen und kümmert sich um Vor und Nachsorge. Ohne Vorstandsmitglied für Pflege und Patientenservice fehlt jedem Sanierungskonzept die Machbarkeitskompo- nente und eine verantwortliche Person für die Umsetzung.Der Antrag der Koalition heilt den Gesetzesbruch der Vorstandausschreibung nicht, denn längst sind schon Folgen eingetreten: 1/2 Die veränderte Hauptsatzung sieht vor, dass auch die Pflegeführungskräfteebene un- terhalb des Vorstandes, die in den medizinischen Leistungszentren den Einsatz von 150 bis zu 400 Pflegekräften bisher auf gleicher Augenhöhe mit dem leitenden Arzt und Kaufmann verantworten, nunmehr diesen nachgeordnet sind. Die Klinikorganisation des UKSH wird so wieder weit ins letzte Jahrhundert zurückkatapultiert.Gleichzeitig hat Minister Austermann schon am 13.11.2007 in der Personalversamm- lung in Kiel angekündigt, dass das Markterkundungsverfahren für den tertiären und se- kundären Bereich des Uniklinikums abgeschlossen ist und im ersten Quartal 2008 über das Gesamtpaket der Verkäufe entschieden wird. Soviel zu den Lippenbekenntnissen der letzten Landtagsdebatte zum UKSH.Was ist der tertiäre Sektor? Konkret heißt dies, dass alles, was nicht unmittelbare ärztli- che Behandlung und Pflege ist, in Tochterfirmen ausgegliedert, entweder an verschie- dene oder an denselben Bieter verkauft wird. Es stehen zum Verkauf: Informations- technologie, Facility Management, der gesamte Einkauf; Logistik und Entsorgung, Tele- fonzentrale und Pförtnerei, die gesamte Sterilgutversorgung, Hauswirtschaft und Ver- pflegungsmanagement mit eigener Küche, zentrale und dezentrale Verwaltung.Doch nicht nur das: Auch strategische Bereiche des sekundären Sektors: die Labore und die direkt nach den Operationen einsetzende Physiotherapie, die gesamte nicht ärztliche Aus- und Fortbildung, sind in Ausgründungs- und Verkaufsüberlegungen ein- bezogen.Wer auf diesen scheibchenweisen Verkauf setzt, und dies mag zumindest ein Teil der Koalition tun, hofft, Ärzteschaft und einen Teil der Pflegefachleute im Boot der öffentlich rechtlichen Anstalt UKSH zu halten, in dem verschiedene Reeder an Bord geholt wer- den, um die Drecksarbeit der Mannschaftsausmusterung zu übernehmen. Vorsicht: Diese Strategie ist eine Einladung an Piraten.Der Wissenschaftsminister hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er die Klinik gleich im Ganzen verkaufen und einen Sanierer berufen will, der im Handstreich mit einer gan- zen Truppe das Kommando übernahm. Der Beschäftigungspakt von 2004, mit dem alle Beschäftigte drei Jahre lang auf Urlaub- und Weihnachtsgeld, sowie auf den üblichen Tariflohn verzichtet haben, um das UKSH zu retten, läuft Ende des Jahres aus, und es sind noch keine neuen Tarifverträge geschlossen.Insbesondere die immer größere Zahl befristet Beschäftigter und die Beschäftigten in den schon ausgegliederten Töchtern des UKSH verlieren schon nach dem 30.06.08 wichtige arbeitsrechtliche Sicherheiten. Was bieten nun Vorstand und Sanierer? Ver- pflichtung zu Mehrarbeit und Lohnsenkungen bis zu 30 Prozent in den unteren Lohnbe- reichen, aber ausdrücklich keine Arbeitsplatzsicherheit.Arzte und Fachkräfte sind von der aktuellen Lage zutiefst verstört und wer kann, sucht das Weite. Mit dem von der Koalition vorgelegten Beschluss, stärkt sie dem verantwor- tungslosen Kurs des Wissenschaftsministers auch noch den Rücken.Wir fordern die Rücknahme der Vorstandsausschreibung, die Ausschreibung der Vor- standsposition für Pflege und Patientenservice, die Rücknahme der Hauptsatzungsän- derung und die Vorlage eines Sanierungskonzeptes, das die Strukturen endlich am Ziel eines Krankenhauses orientiert: an der Heilung von Menschen. ***