Lars Harms zu TOP 12 - Perspektiven für den Mittelstand in Schleswig-Holstein
Presseinformation Kiel, den 12.10.2007 Es gilt das gesprochene WortLars HarmsTOP 12 Perspektiven für den Mittelstand in Schleswig-Holstein Drs. 16/1621Es ist heute zwar schon in dieser Debatte vielfach gesagt worden; aber es stimmt ja eben immernoch: Gerade für die schleswig-holsteinische Wirtschaft spielt der Mittelstand eine besondereRolle. Denn nicht nur 99,7 % der Unternehmen in Schleswig-Holstein gehören per Definition zumMittelstand, sondern auch über 77% der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigen und sogarüber 82% der Auszubildenden arbeiten in kleinen oder mittleren Unternehmen.Knapp 54% des gesamten Umsatzes in Schleswig-Holstein werden im mittelständischenUnternehmen erwirtschaftet. Der vergleichbare Anteil liegt Bundesweit nur bei knapp 40%. Auchbei den Kleinstunternehmen mit einem Umsatz bis zu 2 Mio. • liegt Schleswig-Holstein mit 20%Anteil am Gesamtumsatz über den Werten der anderen Bundesländern. Damit erweist sichwieder einmal, dass der Mittelstand in Schleswig-Holstein eine überproportionale Bedeutung fürdie Wirtschaft des Landes hat. Dies gilt also insbesondere wenn es um Arbeits- undAusbildungsplätze gilt. Der Mittelstand ist weiterhin der Motor unserer heimischen Wirtschaft. 2Der SSW begrüßt daher auch, dass wir uns heute mit dieser Großen Anfrage der Landesregierungüber die „Perspektiven für den Mittelstand in Schleswig-Holstein“ beschäftigen. Schon in derVergangenheit stand die Pflege und Weiterentwicklung des Mittelstandes im Mittelpunkt derWirtschaftspolitik des Landes und es ist daher eine Selbstverständlichkeit, dass die GroßeKoalition nahtlos diese erfolgreiche Politik weitergeführt hat. Dieses geht insbesondere in denPassagen der Antwort der Großen Anfrage hervor, wo es um die Mittestandsförderung und dieMittelstandsfinanzierung geht.Denn das „Zukunftsprogramm Wirtschaft“ das ja mit verschiedenen Fördermitteln –zusammengesetzt aus Landesmittel, EU-Geldern und GA-Mittel – und bewährtenFörderinstrumenten die heimische Wirtschaft ankurbeln und unterstützen soll, ist ja einNachfolger des Programms „Zukunft im Land“. Auch die Förderinstitute des Landes – zum Beispieldie I-Bank oder die Wirtschaftsförderung und Technologietransfer Schleswig-Holstein GmbHhaben schon eine lange erfolgreiche Geschichte in der Förderpolitik des Landes hinter sich.Zugegeben: die Landesregierung hat in den letzten Jahren einiges getan, um diese bewährtenInstrumente der Mittelstandspolitik weiterzuentwickeln. Nicht immer war der SSW mit denPrioritätensetzungen einverstanden – Stichwort ist hier zum Beispiel die Rücknahme derZuschüsse für den Ausbau des Husumer Hafens - , wir stellen aber erfreut fest, dass dieLandesregierung im letzten Jahr zumindest den Willen gezeigt hat, sich verstärkt um die Belangeder strukturschwachen nördlichen Region und der Westküste zu bemühen.So bewerten wir die Verbesserung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit mit Dänemark alseinen Fortschritt, den allerdings noch weitere Meilensteine folgen müssen, damit die jetztbeschlossen Leuchtturme der deutsch-dänischen Zusammenarbeit nicht alleine in der Landschaftherumstehen. Für den nördlichen Landesteil ist der Ausbau dieser Zusammenarbeit dieentscheidende strategische Perspektive, um Wachstum und Arbeitsplätze im deutsch-dänischenGrenzland zu schaffen. Auch hier spielt der Mittelstand der Region eine wichtige Rolle. 3So zeigt ja auch das Beispiel der Schließung von Motorola in Flensburg überdeutlich, dass wir unsin der Wirtschaftspolitik nicht auf die internationalen Großkonzerne verlassen können. Der FallMotorola muss daher unbedingt Konsequenzen für die Wirtschaftsförderung des Landes haben.Wir meinen, dass sich die Wirtschaftspolitik in Zukunft noch viel stärker darauf konzentrierenmuss, die Gründung, den Ausbau und die Ansiedlung kleinerer und mittlerer Unternehmen zufördern.Denn nur diese Unternehmen sind in der Region verwurzelt, und wir wissen ja aus denErfahrungen der letzten Jahre, dass gerade kleinere innovative Firmen neue Arbeitsplätzeschaffen können. - Natürlich muss es in Schleswig-Holstein auch weiterhin internationaleUnternehmen geben, aber die öffentliche Förderung der Ansiedlung global agierender Konzernemuss künftig viel kritischer betrachtet werden. Das erwarten wir von der Landesregierung.Während große Konzerne weiterhin Arbeitsplätze abbauen, können wir erfreut feststellen, dassTausende von Jobs wieder nach Deutschland zurückkommen. Nach einem Artikel des Spiegels voreinigen Wochen ist der Grund, dass sich bei der Verlagerung ins Ausland vor allemmittelständische Unternehmen verkalkuliert haben. Demnach kehrt jetzt insbesondere in derMetall- und Chemiebranche jeder fünfte Betrieb wieder zurück und schafft neue Arbeitsplätze.Leider ergibt sich aus der Großen Anfrage nicht hervor, ob dies auch für Schleswig-Holstein gilt.Dennoch zeigt dieses Beispiel, dass es beim Standortwettbewerb eben nicht nur auf dieLohnkosten ankommt, sondern, dass auch Faktoren wie eine gute Ausbildung der Beschäftigtenoder eine einigermaßen korruptionsfreie Verwaltung sehr wichtig sind, wenn sich Betriebeansiedeln oder entscheiden, ob sie die Produktion ins Ausland verlagern. Dies gilt natürlichinsbesondere für mittelständische Unternehmen. 4In diesem Zusammenhang möchte ich auch darauf hinweisen, wie wichtig es war, dass derLandtag gemeinsam das Tariftreuegesetz erhalten und auch auf den ÖPNV ausgeweitet hat. DasTariftreuegesetz nützt gerade den kleineren und mittleren Unternehmen in unserer Region undsichert ihnen faire Wettbewerbsbedingungen bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen.Die Reaktion der Landesregierung auf die Schließung von Motorola und die Vorschläge zurVerbesserung der Beschäftigungssituation in der Region Flensburg sehen auf den ersten Blickvernünftig aus. Die Landesregierung bemüht sich, den hiesigen Unternehmen, den Kommunenund den Hochschulen in der Region mit großzügigen Förderzusagen entgegen zukommen. Dazuist es positiv, dass die Berufsschullehrerausbildung an der Universität Flensburg weitergeführtwird, was sicherlich nicht ohne den öffentlichen Druck des SSW zustande gekommen wäre.Daher weisen wir auch die Kritik von Bündnis 90/Die Grünen an den Fördergeldern desWirtschaftsministeriums für die Entwicklung eines neuen "Flens"-Bügelverschlusses zurück. DieMitarbeiter an der Flensburger Brauerei, an der FH Flensburg und deren Kinder wissen sehr wohl,dass die öffentlich geförderte Investition in die Entwicklung eines neuen Verschlusses die Existenzvon Familien sichern kann. Es geht der Flensburger Brauerei um die Weiterentwicklung einesAlleinstellungsmerkmales, das enorm wichtig für den Absatz und die Qualität ist. Und es geht umdie Verbesserung eines Verfahrens, das mit der Hochschule vor Ort entwickelt wird und daslangfristig Kosten einsparen wird. Solche Innovationen sichern bestehende Arbeitsplätze undschaffen neue Beschäftigung bei einem echten Mittelständler, der tief verwurzelt ist mit derRegion. Und damit ist das Geld gut angelegt.Von diesen Projekten und Zuschüssen brauchen wir also nicht weniger, sondern mehr, damit wirdie positive wirtschaftliche Entwicklung gerade auch des Mittelstandes in Schleswig-Holsteinweiter voranbringen können. Nach den Wachstumszahlen der letzten zwei Jahre droht jetzt nachAngaben des Unternehmerverbandes Nord zum ersten Mal wieder eine wirtschaftliche Delle, weildie Investitionen in diesem Jahr um fast 35 % zurückgegangen sind. 5Gleichzeitig vermelden aber die Handwerkskammern Flensburg und Lübeck bei ihrerKonjunkturumfrage immer noch eine positive Grundstimmung beim Handwerk, der ja fast zu100% von mittelständischen Unternehmen geprägt ist. Das ist gut so, denn gerade dieBauindustrie war ja in den letzten Jahren unser großes Sorgenkind. Besonders im nördlichenLandesteil vermelden die Handwerksunternehmen besonders positive Aussichten, was sicherlichauch an dem Boom in Dänemark liegt, der dazu beigetragen hat, dass die Arbeitslosenquote imBezirk Flensburg nachhaltig gefallen ist.Der SSW begrüßt in diesem Zusammenhang, dass die Landesregierung in ihrer Antwort zurGroßen Anfrage die Klage des Handwerks im nördlichen Landesteil relativiert, dass zu vieleArbeitnehmer in Dänemark einen Job finden und es damit zunehmend einen Mangel anFachkräften auf deutscher Seite gibt. Denn wir müssen den Arbeitsmarkt als gemeinsamenArbeitsmarkt in der Grenzregion betrachten. Nur so werden wir die grenzüberschreitendeZusammenarbeit wirklich entscheidend voranbringen. Das müssen auch die hiesigenHandwerksbetriebe erkennen und sich bei ihrer Personalpolitik darauf einstellen.Das bringt mich allerdings zu einem Thema, der aus meiner Sicht in der Großen Anfrage nichtausreichend gewürdigt wird, der aber für den Mittelstand in unserer Region von überragenderBedeutung ist; nämlich die Verbesserung der Infrastruktur – nicht zuletzt im Landesteil Schleswig.Der SSW hat dies bereits oft angesprochen und ich tue es auch heute: Bevor Milliarden vonGeldern für eine Fehmarnbelt-Brücke verschwendet werden, muss die Landesregierung dafürsorgen, dass sie ihre Hausaufgaben in Schleswig-Holstein macht.Das heißt, wir brauchen zum Beispiel endlich den Ausbau der A 20 mit der westlichen Elbquerungund mit Anbindung an die Westküste. Und wir brauchen eine schnellere Beseitigung desSchienennadelöhrs über den Kieler Kanal. Auch die Ost-West-Verbindungen werden gerade im 6nördlichen Landesteil – Stichwort ist hier die L192, die Betonstraße zwischen Niebüll undFlensburg – stiefmütterlich behandelt. Und vergessen sollten wir auch nicht den Ausbau der B 5.Viele andere Verkehrinfrastrukturmaßnahmen warten darauf, endlich angepackt zu werdendamit unsere Unternehmen davon profitieren können. Das ist wahre Mittelstandpolitik und hiersieht der SSW einen enormen Handlungsbedarf bei dieser Landesregierung. Von dieserProblematik steht in der Antwort der Landesregierung auf diese Große Anfrage leider fast nichts.Aber Sie können sicher sein, dass der SSW bei diesen für unser Land so wichtigen Fragen am Ballbleiben wird.