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10.10.07
16:50 Uhr
SSW

Anke Spoorendonk zu TOP 13 - Staatsangehörigkeitsrecht überarbeiten

Presseinformation Kiel, den 10.10.2007 Es gilt das gesprochene Wort



Anke Spoorendonk
TOP 13 Staatsangehörigkeitsrecht überarbeiten (Drs. 16/1485)

Ist die Staatsangehörigkeit etwas Exklusives, ein Merkmal, das jeder Mensch nur einmal
haben kann, wie das Geschlecht? Oder ist es doch eine Kategorie, die es auch doppelt
geben kann, so wie „single“ und „geschieden“? Das ist die Frage, vor der wir stehen.


Während unser Staatsangehörigkeitsrecht hier keine zwei Meinungen zulässt und auf
die Exklusivität der deutschen Staatsangehörigkeit pocht, sieht die Wirklichkeit der
Menschen wesentlich bunter aus. Davon kann nicht zuletzt der SSW ein Lied singen.
Wenn Sie junge Menschen in den Minderheiten in deutsch-dänischen Grenzland nach
ihrer Zugehörigkeit fragen, dann fällt die Antwort häufig klar aus: „Ich habe zwar den
einen oder anderen Pass, aber eigentlich bin ich eine Mischung aus beidem.“ Wenn
Angehörige der dänischen Minderheit im südlichen Deutschland leben, dann betonen sie
die dänische Seite ihrer Identität. Wenn sie nach Dänemark ziehen, dann entdecken sie
die Prägung der deutschen Gesellschaft. Ähnliches gilt natürlich für Kinder von Eltern 2
verschiedener Nationalität. Die Identität und die Gefühle lassen sich nicht auf Schwarz
oder Weiß reduzieren.


Aber natürlich gibt es nicht nur den emotionalen Aspekt des Staatsangehörigkeitsrechts
– obwohl es nebenbei bemerkt häufig dieser ist, der die Debatte über die doppelte
Staatsbürgerschaft prägt, bei Befürwortern wie auch bei Gegnern. Die Staatsangehörig-
keit hat sehr konkrete Konsequenzen. Sie entscheidet über die staatliche Unterstützung
in persönlichen Problemlagen, und das sogar weltweit. Die Staatsbürgerschaft bestimmt
Aufenthaltsrechte, begründet fundamentale Bürgerrechte wie das Wahlrecht und sie
kann auch handfeste erbrechtliche Konsequenzen haben – um nur einiges zu nennen.


Wer 18-Jährige zwingt, sich zu entscheiden, der bringt sie aber in eine Situation, die sie
kaum überblicken können. Heute müssen Jugendliche mit zwei Staatsangehörigkeiten
sich spätestens zur Volljährigkeit entscheiden, wohin sie gehören. Diese Entscheidung
wird in der Regel aus der aktuellen Lebenssituation und mit Blick auf aktuelle Lebensziele
entschieden. Wir erleben aber immer wieder, dass Menschen erst später entdecken, was
die Entscheidung über eine Staatsangehörigkeit bedeutet. Dann nämlich, wenn sie auf
einmal unangenehme sozialrechtliche, erbrechtliche, aufenthaltsrechtliche und andere
Konsequenzen zu spüren bekommen. Dieses sind ja auch Gründe dafür, dass die
konsularischen Vertretungen der Türkei z. B. immer wieder vor einem Wechsel zum
deutschen Pass gewarnt haben. Im Übrigen werden auch deutsche Auswanderer immer
wieder davor gewarnt, leichtfertig im neuen Wohnland ihren Pass einzutauschen.


Hier geht es wohl bemerkt um erwachsene Menschen, die sich für ein Leben in einem
anderen Land entschieden haben. Wer mit 18 an der Stufe zum Erwachsenenleben steht 3
weiß aber häufig noch gar nicht, wohin ihn das Leben führen soll und wohin ihn das
Leben bringt. Trotzdem muss er oder sie eine Entscheidung treffen, die ihre zukünftigen
Möglichkeiten und ihre Zugehörigkeit zu zwei Kulturen stark beeinflusst.


Das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht ist immer ein ziemlich exklusiv gewesen – im
Gegensatz zu dem klassischer Einwanderungsländer wie den USA oder Australien. Erst in
den letzten Jahrzehnten hat es sich zumindest ein bisschen von seiner klassischen
Prägung durch das „Recht des Blutes“ verabschiedet und sich auch für Menschen
geöffnet, die aus dem Ausland zugewandert sind. Wir haben in Deutschland aber einige
Jahrgänge aus den 60ern, die sich nie entscheiden mussten. Anhand dieser Menschen
lässt sich ganz gut beobachten, welche Konsequenzen der Vorschlag der Grünen hätte.
Dabei wird eines deutlich: Die Loyalität zu Deutschland leidet nicht unter dem anderen
Pass. Nur wenn man vom veralteten Bild ausgeht, dass Nationalität etwas Einzigartiges
ist und dass jede andere Nationalität im Gegensatz zur Deutschen steht, kann man die
doppelte Staatsangehörigkeit so verteufeln, wie es mancher konservativer Politiker tut.


Der Antrag der Grünen macht einen behutsamen Vorschlag, die Exklusivität der
deutschen Staatsangehörigkeit der heutigen Wirklichkeit anzupassen. Es geht nicht um
Einwanderer, die die deutsche Staatsangehörigkeit anstreben. Es geht ausschließlich um
Jugendliche, die von Geburt an zwei Pässe haben, weil einer ihrer Eltern Ausländer ist. Es
geht darum, diesen jungen Menschen zu ersparen, sich für das eine und damit gegen das
andere Land entscheiden zu müssen. Der SSW sieht durchaus Argumente, die für eine
solche Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes sprechen. Deshalb gehen wir offen in
die weiteren Beratungen im Innen- und Rechtsausschuss.