Navigation und Service des Schleswig-Holsteinischen Landtags

Springe direkt zu:

Diese Webseite verwendet ausschließlich für die Funktionen der Website zwingend erforderliche Cookies.

Datenschutzerklärung

Pressefilter

Zurücksetzen
13.09.07
15:20 Uhr
SSW

Anke Spoorendonk zu TOP 20 - Situation im Motorola-Werk Flensburg

Presseinformation Kiel, den 13.9.2007 Es gilt das gesprochene Wort



Anke Spoorendonk
TOP 20 Situation im Motorola-Werk Flensburg Drs. 16/1559

Die Region um Flensburg hat in den letzten Jahren in Sachen Motorola schon mehrfach schwarze
Tage erlebt. Was wir in den letzten Monaten und Wochen erlebt haben, ist aber leider etwas ganz
anderes: Das ist eine Katastrophe. Denn nach der Schließung der Produktion verlegt Motorola nun
auch seine Logistikabteilung mit fast 700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nach Aachen. Zudem
scheint es nur eine Frage der Zeit zu sein, bis auch die letzten 200 Arbeitsplätze in Flensburg
wegfallen werden. Auch 300 Arbeitsplätze bei den Zulieferbetrieben sind in großer Gefahr. So
also sieht das traurige Ende eines Jobmärchens aus, das einmal mit der Aussicht auf fast 3.000
neue moderne – allerdings stark subventionierte - Arbeitsplätze begann.


Wir alle wissen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Motorola über die Jahre alles
gegeben haben, um ihre Arbeitsplätze in Flensburg zu erhalten. Zurück bleibt viel Bitterkeit und
eine große Wut den Entscheidungen einer unsichtbaren Konzernzentrale in den USA gegenüber,
die sich nicht einmal von einem Besuch des Ministerpräsidenten und des Wirtschaftsministers
von ihrer Entscheidung abbringen ließen. Wenn sogar ein so nüchterner und sachlicher Mensch 2
wie der Flensburger Oberbürgermeister Tscheuschner sich von der Konzernleitung „verkauft und
verraten“ fühlt, dann sagt das viel über das Geschäftsgebaren des Motorola-Konzerns aus.


Zusagen, die noch im Frühjahr gegeben wurden, sind im Spätsommer schon nichts mehr wert.
Und ganz aktuell beschwert sich der Betriebsrat darüber, dass die Unternehmensleitung bis zur
endgültigen Stilllegung versucht, die Löhne der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch den
Wegfall verschiedener Schichten nach unten zu drücken. So kann man mit Menschen nicht
umgehen! Wir können daher nur an die Konzernleitung in Deutschland appellieren, zur Vernunft
zu kommen und die Abwicklung des Standortes Flensburg anständig und im Sinne der
Motorolabeschäftigten durchzuführen. Das ist das mindeste, was sie tun kann.


Es ist schon viel darüber gesprochen worden, welche negativen Folgen dieser Abbau von
Arbeitsplätzen für den nördlichen Landesteil haben wird. Aus Sicht des SSW ist dies aber nicht nur
ein Problem des Nordens, der Fall Motorola hat viel mehr für ganz Schleswig-Holstein eine
Signalwirkung. Denn ein besseres Beispiel als Motorola für die Schattenseite der Globalisierung
lässt sich zurzeit leider kaum finden. Keine Region Schleswig-Holsteins kann ihre wirtschaftliche
und soziale Zukunft auf jene internationale Konzerne bauen, die allein den Vorgaben der
internationalen Finanzinvestoren folgen. - Im diesem Wanderzirkus der Globalisierung, bei dem
Produktionsstandorte fortwährend an kostengünstigere Standorte verlagert werden, kann
Schleswig-Holstein niemals mithalten.


Es ist müßig, heute darüber zu urteilen, ob die Landesregierung schneller und besser hätte
handeln müssen, um die Schließung von Motorola zu verhindern. Wir glauben ihr sogar, wenn sie
sagt, dass sie ihr Bestes gegeben hat. Am Ende hätten wahrscheinlich weder Argumente noch
finanzielle Angebote geholfen, weil Motorola bereits seine Entscheidung getroffen hatte. Soll
heißen: es ist nicht nachvollziehbar, wieso die Landesregierung glauben konnte, dass ein Flug
nach Amerika in letzter Minute noch retten zu könnte. 3
Der Fall Motorola muss aber unbedingt Konsequenzen für die Wirtschaftsförderung des Landes
haben. Wir meinen, dass sich die Wirtschaftspolitik in Zukunft darauf konzentrieren muss, die
Gründung, den Ausbau und die Ansiedlung kleinerer und mittlerer Unternehmen zu fördern. Denn
nur diese Unternehmen sind in der Region verwurzelt, und wir wissen ja aus den Erfahrungen der
letzten Jahre, dass gerade kleinere innovative Firmen neue Arbeitsplätze schaffen können. -
Natürlich muss es in Schleswig-Holstein auch weiterhin internationale Unternehmen geben, aber
die öffentliche Förderung der Ansiedlung global agierender Konzerne muss künftig viel kritischer
betrachtet werden.


Wir sollten also jetzt nach vorne schauen. Aus Sicht des SSW geht es zu allererst darum, dass den
Beschäftigen von Motorola und ihren Familien sofort geholfen wird. Die gestern bekannt
gewordenen Zusagen der Bundesagentur, für die Motorolabeschäftigen weitere Gelder zur
Verfügung zu stellen, sind ein erster positiver Schritt, weil damit Transfergeld für bis zu 12
Monate gesichert ist. Weiterhin fordert der SSW von der Landesregierung einen Aktionsplan zur
Förderung des Dänisch-Unterrichts und fachspezifischer Sprachkurse, denn mit der Förderung
gezielter Sprachkurse kann die Landesregierung mit verhältnismäßig geringen Mitteln den
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Motorola kurzfristig neue berufliche Perspektiven
eröffnen. Die Kommunen nördlich der Grenze haben schon ihre Hilfe bei der Arbeitsplatzsuche
angeboten, denn in Dänemark herrscht bekanntlich immer noch ein massiver Mangel an
Arbeitskräften.


Allerdings dürfen wir uns in der Frage der zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklung des
nördlichen Landesteils nicht nur auf den dänischen Arbeitsmarkt verlassen. Denn jeder Boom –
auch der bei unserem nördlichen Nachbarn – hat mal ein Ende. Wir müssen also die Wirtschaft
auf beiden Seiten der Grenze stärken. Dazu gehört ganz eindeutig auch die Stärkung Flensburgs
als Hochschulstandort. Vor diesem Hintergrund begrüßt der SSW ausdrücklich, dass sich der
Wirtschafts- und Wissenschaftsminister nun doch dafür ausgesprochen hat, das BIAT – das 4
Bildungsinstitut Arbeit und Technik – in Flensburg zu belassen. Das war eine gute Entscheidung
für die Region. Alles andere wäre in der jetzigen Situation auch kontraproduktiv gewesen.


Wir wissen alle, dass gerade in der Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft ein großes
wirtschaftliches Potential für die Entwicklung neuer Unternehmen und Produktideen liegt. Wie
sagte es so schön der Danfoss-Chef Mads Clausen: Es macht keinen Sinn, dass Danfoss als Oase in
der Wüste liegt. Damit begründete er den Wirtschaftsentwicklungsplan für Sønderjylland, der im
Bereich der Neugründungen von kleinen und mittleren - innovativen - Unternehmen neue Wege
geht. Diese Zielsetzung müssen wir in Zusammenarbeit mit unserem nördlichen Nachbarn weiter
entwickeln und fördern.


Natürlich ist seitens der Landesregierung hier schon einiges passiert. Dennoch ist klar, dass zum
Beispiel das Cluster Mobile Telekommunikation ohne Motorola in Flensburg kaum große
Zukunftschancen hat. Es müssen also neue Ideen entwickelt werden, und das geht nur mit starken
und leistungsfähigen Hochschulen.


Aber auch die grundlegende Infrastruktur muss endlich verbessert werden, damit unsere
mittelständischen Unternehmen wettbewerbsfähiger werden. Gemeint sind die A20, die
westliche Elbquerung, der Ausbau der A7 und die grenzüberschreitenden Schienenverkehre. Hier
gibt es also noch genug zu tun, und – möchte ich hinzufügen, damit es nicht in Vergessenheit
gerät - das sind allesamt Aufgaben, die aus unserer Sicht Vorrang vor einer Fehmarnbelt-Querung
haben.