Navigation und Service des Schleswig-Holsteinischen Landtags

Springe direkt zu:

Diese Webseite verwendet ausschließlich für die Funktionen der Website zwingend erforderliche Cookies.

Datenschutzerklärung

Pressefilter

Zurücksetzen
12.09.07
16:14 Uhr
B 90/Grüne

Detlef Matthiessen zur Situation der Nord- und Ostseefischerei

Fraktion im Landtag PRESSEDIENST Schleswig-Holstein Stellv. Pressesprecher Es gilt das gesprochene Wort Dr. Jörg Nickel Landeshaus TOP 49: Situation der Nord- und Ostseefischerei Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel
Dazu sagt der umweltpolitische Sprecher Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Telefax: 0431/988-1501 Mobil: 0178/28 49 591 Detlef Matthiessen: E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Internet: www.sh.gruene-fraktion.de

Fischerei vom Fisch her denken Nr. 374.07 / 12.09.2007

Wir haben heute viel gehört von der kulturellen und der wirtschaftlichen Seite der Fi- scherei. Von bunten Kuttern, die aus der schleswig-holsteinischen Landschaft nicht wegzudenken sind, vom Fisch, den wir alle so gern essen (das tue ich auch) und von den polnischen Fischern, die sich an keine Quote halten.
Viel zu wenig haben wir heute für meinen Geschmack über den Schutz der Meeres- umwelt gehört. Wir müssen das Thema Fischerei vom Fisch her denken. Umwelt- schützer und FischerInnen sollten die natürlichsten Verbündeten sein. Nur wenn es den Meeren und den Fischen gut geht, kann es auch den FischerInnen gut gehen!
Das ist aber heute nicht der Fall. Den Fischen geht es schlecht. Der Frutti di Mare- Teller ist abgefrühstückt: Weltweit sind nahezu alle kommerziell genutzten Fischbe- stände überfischt oder an der Grenze zur Überfischung.
Woran liegt das? Die Antwort finden wir natürlich nicht allein in Schleswig-Holstein. Die Fischereiminister der Europäischen Union, zum Beispiel, liegen mit der Festlegung der Fangquoten seit Jahrzehnten deutlich über den Empfehlungen der Wissenschaft. So kann es nicht zu einer Erholung der Bestände kommen.
Und: der hohe Fischereidruck verändert die Tiere. So haben jene Individuen einen E- volutionsvorteil, denen es in jungem Alter gelingt, sich zu vermehren. Die Folge ist, dass die durchschnittliche Größe abnimmt. Wann haben Sie das letzte Mal eine Schol- le von einem Meter Länge gesehen? So groß können die Tiere werden, sieben Kilo schwer und 50 Jahre alt! Manches Schollenfilet, das wir heute auf den Teller bekom- men, ist gerade mal handgroß! Das ist ein Fall für den Jugendschutz!
Und es ist leider ein Irrglaube zu denken, die Natur werde es schon wieder richten. Wenn die Fischbestände zusammenbrechen, kann man eine Fischerei ja immer noch sperren...
1/2 Als 1992 die Kabeljau-Fischerei vor Neufundland zusammenbrach, waren auf einen Schlag 40.000 Menschen ohne Arbeit. Dieser Kabeljau-Bestand war über Jahrhunder- te der „Brotkorb“ der nordamerikanischen und europäischen Fischerei. Bis heute war- tet man vergeblich, dass der Kabeljau zurückkehrt.
Das Meer ist ein komplexes Ökosystem. Wenn man eine Art entfernt, werden die öko- logischen Nischen durch andere Arten, vielleicht durch Quallen, besetzt. Das ist be- stimmt nicht das, was wir uns für Nord- und Ostsee wünschen.
Zusätzlich leiden die Meeresökosysteme unter Sauerstoffmangel durch Überdüngung der Meere und an umweltzerstörerischen Fangmethoden wie der Grundnetzschleppe- rei.
Die Fische und damit auch die FischerInnen brauchen mehr als die Lyrik, die wir im Bericht der Landesregierung finden. Wir brauchen das klare Bekenntnis, dass der Meeresschutz Vorrang vor ökonomischen Interessen hat. Wir brauchen die Unterstüt- zung für fischereiliche Gütesiegel, wie das des MSC, dem Marine Stewardship Coun- cel. Und wir brauchen einen weiteren Abbau von umweltschädlichen und unselektiven Fangmethoden. Das alles fehlt in Ihrem Bericht.
Innovative Ansätze für eine ökosystemgerechte Ausrichtung der Fischerei? Fehlanzei- ge! Schutzgebiete als Fischereimanagementinstrument oder gar zum Biodiversitätss- chutz? Kein Thema! Hier hat die internationale Wissenschaft eine deutlich andere Meinung.
Es fehlen weiter konkrete Empfehlungen, wie der Beifang von Nichtzielarten, zum Bei- spiel Schweinswalen und Seevögeln vermieden werden soll. Da schlagen wir ein Dis- cardverbot vor, alle Fänge müssen angelandet werden und auf die Quote angerechnet werden. Untermaßige Fische wieder über Bord zu werfen ist doch widersinnig! Eine Überlebenschance haben die sowieso nicht.
Stattdessen erheben Sie Forderungen nach einer Modernisierung der deutschen Fi- schereiflotte, die weitere Aufwandssteigerungen zur Folge hätte. Das ist der falsche Weg. Anstatt die Fischerboote mit mehr Leistung auszurüsten, damit sie noch das al- lerletzte Fischlein heraus ziehen können, müssen die FischerInnen übergangsweise Ausgleichszahlungen bekommen. Nutzen sie die Möglichkeiten des Europäischen Fischreifonds! Erst wenn sich die Bestände erholt haben, haben die FischerInnen auch wieder eine wirtschaftliche Perspektive.
Nur wenn wir behutsam mit dem Meer und seinen Ressourcen umgehen, können wir langfristig das erreichen, was wir alle wollen: Gesunde Meere, sichere Beschäftigung für die FischerInnen und leckeren Fisch!

***