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12.07.07
12:01 Uhr
FDP

Wolfgang Kubicki: Resozialisierung ist das Vollzugsziel

FDP Landtagsfraktion Schleswig-Holstein



Presseinformation Wolfgang Kubicki, MdL Nr. 218/2007 Vorsitzender Dr. Heiner Garg, MdL Stellvertretender Vorsitzender Kiel, Donnerstag, 12. Juli 2007 Dr. Ekkehard Klug, MdL Parlamentarischer Geschäftsführer Sperrfrist: Redebeginn Günther Hildebrand, MdL
Es gilt das gesprochene Wort!
Justiz/Jugendstrafvollzug
Wolfgang Kubicki: Resozialisierung ist das Vollzugsziel In seinem Redebeitrag zu TOP 13 (Entwurf eines Jugendstrafvollzugsgesetzes in Schleswig-Holstein) sagte der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Wolfgang Kubicki:
„Ende Juni ließ sich die Landesregierung bereits von der Presse für ihr neues Jugendstrafvollzugsgesetz loben: Von konsequenter Erziehung jugendlicher Straftäter konnten wir lesen und von breiter Zustimmung zum vorgelegten Gesetzentwurf (shz 27.06.07). Allerdings wies der kundige Schreiber auch darauf hin, dass jetzt der Landtag noch das letzte Wort habe. Und das ist auch gut so!
Denn der Gesetzentwurf über den Vollzug der Jugendstrafe in Schleswig- Holstein, den uns Justizminister Döring heute präsentiert, lässt zwar ohne Frage das Prinzip eines auf Resozialisierung gerichteten Vollzugs jugendlicher und heranwachsender Straftäter erkennen. Gleichwohl besteht aus meiner Sicht in diversen Grundsatz- wie Einzelfragen noch deutlicher Diskussions- und Änderungsbedarf.
Dabei erkenne ich es durchaus an, dass sich Schleswig-Holstein im Zuge der ihm durch die Föderalismusreform zugefallenen Gesetzgebungskompetenz im Bereich des Strafvollzugs dafür entschieden hat, ein eigenständiges Jugendstrafvollzugsgesetz vorzulegen. Auf diese Weise können die besonderen Anforderungen des Vollzugs von Strafen an Jugendlichen und ihnen gleichstehenden Heranwachsenden entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts angemessen zugeschnitten werden.
Erfreulich ist in diesem Zusammenhang auch, dass sich Schleswig-Holstein nach der ebenso heftigen wie begründeten Kritik an der Verlagerung der Gesetzgebungskompetenz der Initiative von zehn Bundesländern angeschlossen hat, um aktiv einen möglichst übereinstimmenden Gesetzentwurf zu erarbeiten. Die Sorge, dass der (Jugend-) Strafvollzug ansonsten von Rechtszersplitterung und der

Christian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, 1 Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/ Haushaltslage des Bundeslandes gekennzeichnet sein könnte, ist dadurch zumindest deutlich kleiner geworden.
Nichtsdestotrotz habe ich in einigen Punkten grundsätzliche Bedenken – allerdings bin ich zuversichtlich, dass wir die in den gemeinsamen Beratungen im Ausschuss ausräumen können.
Das fängt bereits mit § 2 des Entwurfs an, wonach die Landesregierung versucht, Ziel und Aufgabe des Jugendstrafvollzugs so miteinander zu verquicken, dass eine Gleichrangigkeit zwischen dem Resozialisierungsziel und der Aufgabe, die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten zu schützen, entsteht.
Ich halte das für verfehlt und auch nicht für konform mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts.
Denn in seiner Entscheidung vom 31. Mai 2006 (NJW 2006, 2093 ff.) hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich betont, dass „der Vollzug der Freiheitsstrafe … auf das Ziel ausgerichtet sein [muss], dem Inhaftierten ein künftiges straffreies Leben in Freiheit zu ermöglichen. Dieses - oft auch als Resozialisierungsziel bezeichnete – Vollzugsziel der sozialen Integration … ist im geltenden Jugendstrafrecht als Erziehungsziel verankert (§ 91 I JGG). …. Freiheitsstrafe als besonders tief greifender Grundrechtseingriff [ist] nur vereinbar, wenn sie unter Berücksichtigung ihrer gesellschaftlichen Schutzfunktion konsequent auf eine straffreie Zukunft des Betroffenen gerichtet ist. Zugleich folgt die Notwendigkeit, den Strafvollzug am Ziel der Resozialisierung auszurichten, auch aus der staatlichen Schutzpflicht für die Sicherheit aller Bürger. Zwischen dem Integrationsziel des Vollzugs und dem Anliegen, die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten zu schützen, besteht insoweit kein Widerspruch.“(S. 2095)
Es geht also gerade nicht darum „gleichermaßen … den Schutz der Allgemeinheit …“ zu gewährleisten – wie es im Entwurf unzulässig verkürzt wird. Das Bundesverfassungsgericht liefert mit dem Hinweis auf die Sicherheit der Bürger vor weiteren Straftaten vielmehr nur ein zusätzliches Begründungselement, warum das Vollzugsziel in der Resozialisierung zu sehen sein muss:
Weil nur durch eine gelungene Resozialisierung die Sicherheit der Bürger nach der Entlassung der jugendlichen oder heranwachsenden Straftäter gewährleistet werden kann. Und dafür ist es wichtig, die Häftlinge nicht nur zu verwahren, ihr Verhalten zu sanktionieren und die Allgemeinheit – jedenfalls für die Zeit der Inhaftierung – vor ihnen zu schützen, sondern sie auf das Leben danach vorzubereiten.
Je besser uns das gelingt – und ich weise darauf hin, dass es uns ausweislich der hohen Rückfallquoten gerade bei den 15-20jährigen mit den bisherigen Vollzugsformen noch nicht besonders gut gelingt – umso größer ist der Schutz der Allgemeinheit.
Dabei birgt es selbstverständlich Risiken, für die Häftlinge (wieder) einen Realitätsbezug zum Leben in Freiheit herzustellen und ihre Eingliederung in das Berufsleben und in die Arbeitswelt voranzutreiben, gerade wenn man auch mit den Mitteln der Vollzugslockerung oder des offenen Vollzugs arbeiten will. Nur - alles andere ist weit gefährlicher.
Christian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, 2 Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/ Damit bin ich gleich bei einem weiteren wesentlichen Kritikpunkt: Die Regelungen zum offenen Vollzug:
Gemäß § 13 Absatz 1 des Entwurfs werden die Gefangenen im geschlossenen oder offenen Vollzug untergebracht.
Was sich auf den ersten Eindruck wie eine Gleichrangigkeit der Unterbringungsform anhört, entpuppt sich spätestens mit Blick auf Absatz 2 auf eine Vorrangigkeit des geschlossenen Vollzugs. Denn die Gefangenen sollen (nur) im offenen Vollzug untergebracht werden, wenn sie dessen besonderen Anforderungen genügen.
Zwar mag diese Regelung den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen – schließlich liegt der Anteil von Gefangenen im offenen Jugendstrafvollzug in Schleswig-Holstein gerade einmal bei knapp 3 % - und auch bundesdurchschnittlich nur bei 7,9%.
Gleichwohl müsste nach meiner Überzeugung die Priorität genau anders herum gesetzt werden, sprich der offene Vollzug zum Regelvollzug erklärt werden, von dem ein Gefangener nur bei begründeten Befürchtungen des Missbrauchs durch Flucht oder die Begehung weiterer Straftaten auszuschließen ist.
Denn über eins müssen wie uns im Klaren sein: Für die Resozialisierung, für eine Eingliederung in die Gesellschaft ist es von entscheidender Bedeutung, dass der Gefangene einen Bezug zur Außenwelt behält oder aufbauen kann, bevor er entlassen wird. Dieser Bezug lässt sich aber nur Vollzugslockerungen und offenen Vollzug realistisch herstellen.
Weder die Zusammenarbeit und Einbeziehung Dritter, wie sie in § 7 des Entwurfs geregelt ist, noch eine sozialtherapeutische Einrichtung, deren geplante Einrichtung ich an dieser Stelle ausdrücklich loben möchte, können das ersetzen. Ich komme darauf noch einmal zurück.
Und schon gar nicht lässt sich im geschlossenen Vollzug der – häufig zwangsläufigen - Gefahr begegnen, dass gerade jüngere Gefangene von den Eigenheiten in einer Jugendvollzugsanstalt vereinnahmt und negativ beeinflusst werden. Durch diese negativen Einflüsse werden positive Ansätze oft zunichte gemacht und kriminelle Verhaltensmuster gestärkt.
An mögliche weitergehende Beeinflussungen, wie sie sich durch die Zulässigkeit des Jugendstrafvollzugs auch in getrennten Abteilungen einer Anstalt des Erwachsenenvollzugs vorstellen lassen, mag ich dabei gar nicht erst denken. Leider sieht der schleswig-holsteinische Entwurf diese Möglichkeit ausdrücklich vor - ich halte auch § 98 des Entwurfs daher für änderungsbedürftig.
Gerade im Jugendstrafvollzug sollte der Trend deshalb ganz verstärkt zu mehr offenem Vollzug gehen.
Baden-Württemberg hat dafür einen - nach meiner Einschätzung - sehr nachahmenswerten Weg eingeschlagen: die Möglichkeit des Jugendstrafvollzugs in freien Formen.
Ich will Ihnen die Idee dieser Form des Jugendstrafvollzugs gerne kurz erläutern. Allerdings bitte ich darum, mich deshalb nicht gleich für alle Vorschläge und Maßnahmen meines Parteikollegen Justizminister Ulrich Goll zu verhaften – schließlich ziehe ich ihren Fraktionsvorsitzenden der CDU Christian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, 3 Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/ Johann Wadephul auch nicht für die verfassungsfeindlichen Tendenzen unseres Bundesinnenministers zur Rechenschaft oder auch nur die SPD- Fraktion für die Äußerungen ihres Parteivorsitzenden ….
Baden-Württemberg jedenfalls hat die Formen des Jugendstrafvollzugs gestaffelt, ausgehend vom Jugendstrafvollzug in freien Formen über den offenen Vollzug bis zur Unterbringung im geschlossenen Jugendstrafvollzug, falls sich der junge Gefangene für die erstgenannten Formen als nicht geeignet erweist (§ 27 B-W JStrVollG).
Zielgruppe für einen Strafvollzug in freien Formen sind Jugendliche und Heranwachsende, die als Mehrfach- und Intensivtäter aufgefallen und erstmals zu einer Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt worden sind. Sie werden nach Prüfung ihrer Eignung aus der Jugendanstalt in die Einrichtung eines freien Trägers verlegt und erhalten dort ein spezielles Training, das ihre Chancen für ein straffreies Leben und für ihre Eingliederung nachhaltig verbessert.
Seit 2003 praktiziert der Jugendhof Seehaus in Leonberg diese Form des Jugendstrafvollzugs für verurteilte Jugendliche im Alter von 14 bis 19 Jahren – und das mit gutem Erfolg.
Nicht zufällig wurde das Seehaus Leonberg deshalb auch als ein Ort im Rahmen der von der Bundesregierung und dem BDI ins Leben gerufenen Initiative „Deutschland - Land der Ideen“ ausgewählt. Die Initiative wirbt insgesamt für ein sympathisches, innovatives, leistungsfähiges und zukunftsorientiertes Deutschlandbild. Und ich denke es stände Schleswig- Holstein gut an, unter diesem Vorzeichen die Neuregelung eines Jugendstrafvollzugsgesetzes ebenfalls als Chance für einen innovativen, zukunftsorientierten Jugendstrafvollzug im Norden zu nutzen.
Wie ich der Presse vom Montag (9.07.07) entnehmen konnte (shz), bin ich damit auch gar nicht so weit auseinander mit Justizminister Uwe Döring. Auch er hat die Notwendigkeit erkannt, jungen Straftätern zu helfen und plant bereits, in Schleswig für drei Millionen Euro eine Einrichtung zu bauen, in der 30 Jugendliche von 15 Fachkräften therapeutisch betreut werden – darunter Psychologen und Sozialarbeiter. So weit – so gut. Die Einrichtung einer sozialtherapeutischen Anstalt, wie es in § 14 des Entwurfs vorgesehen ist, gehört ganz ohne Frage zu den Pluspunkten des Gesetzentwurfs – übrigens ebenso wie das Sportangebot, das sicherlich einen positiven Beitrag im Vollzugsalltag der jungen Strafgefangenen leisten kann.
Gleichwohl ist dieser Ansatz noch ausbaufähig – aber das gilt ebenso wie die bisherigen Vorschläge im Entwurf zur Mitwirkungspflicht der jungen Gefangenen, ihrem gesundheitlichen Schutz, insbesondere der Suchttherapie, der Beteiligung der Eltern oder der Konkretisierung der erzieherischen Maßnahmen, um abschließend nur noch einige weitere „Knackpunkte“ zu benennen.
Ich freue mich daher auf die Beratungen im Ausschuss.“



Christian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, 4 Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/