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11.07.07
16:49 Uhr
B 90/Grüne

Detlef Matthiessen zum Tariftreuegesetz

PRESSEDIENST Fraktion im Landtag Schleswig-Holstein Pressesprecherin Es gilt das gesprochene Wort! Claudia Jacob Landeshaus TOP 5 – Tariftreuegesetz Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel
Dazu sagt der wirtschaftspolitische Sprecher Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Telefax: 0431/988-1501 Detlef Matthiessen: Mobil: 0172/541 83 53 E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Internet: www.sh.gruene-fraktion.de

Nr. 314.07 / 11.07.2007


Sicherheit für die Menschen, Fairness im Wettbewerb
Die Einbeziehung der BusfahrerInnen in den Geltungsbereich des Tariftreuegesetzes des Landes ist ein wichtiger Schritt zum Schutz tarifvertraglich bezahlter Arbeitsplätze im ÖPNV. Neben der Direktvergabe an die eigenen Verkehrsunternehmen können Städte und Kreise ihren Bus-ÖPNV auch europaweit ausschreiben und an das kostengünstigste Unternehmen vergeben. Wenn dann Firmen mit Dumpinglöhnen zum Zuge kommen, sind die tariflich be- zahlten Arbeitsplätze der kommunalen und privaten Betriebe gefährdet.
Um einen qualitativ guten ÖPNV abzusichern, werden motivierte und gut ausgebildete Bus- fahrerInnen gebraucht. Diese sind aber nicht für Dumpinglöhne zu bekommen. Die Mitarbei- terInnen im ÖPNV müssen von ihrem Einkommen auch leben und die Familie ernähren kön- nen. Tariftreue im Busverkehr und in den anderen Branchen nimmt die Angst vor sozialem Abstieg für einen ganzen Berufsstand. Es ist bemerkenswert, dass sich die CDU-Fraktion hier deutlich bewegt hat. Das sage ich auch vor dem Hintergrund des damaligen Vorschlags im so genannten Schlie-Bericht, das Tariftreuegesetz komplett abzuschaffen.
Im Jahr 2003 haben die Fraktionen von SPD, SSW und Bündnis 90/Die Grünen ein Gesetz zur tariflichen Entlohnung bei öffentlichen Aufträgen beschlossen, das Tariftreuegesetz des Landes. Allerdings gilt das Gesetz nur für bestimmte Branchen, im Baubereich, im Schienen- personennahverkehr und der Abfallentsorgungswirtschaft. Öffentliche Aufträge in diesen Branchen dürfen nur an Unternehmen vergeben werden, die das in Tarifverträgen vereinbar- te Arbeitsentgelt am Ort der Leistungserbringung zahlen.
Auslöser für das Gesetzgebungsverfahren waren die Dumpinglöhne, die vor allem im Baube- reich zu einer Verdrängung von tariflich bezahlten Arbeitnehmern durch Niedriglohnbeschäf- tigte führten.
1/3 Bei der Verabschiedung des Tariftreue-Gesetzes im Februar 2003 ist auf ausdrücklichen Wunsch von SPD KommunalpolitikerInnen der Bereich des öffentlichen Busverkehrs ausge- spart worden. Hier sollte die Möglichkeit offen gehalten werden, den Schülerverkehr in den Flächenbereichen mit nicht-tarifgebundenen Kräften durchführen zu lassen. Das hat sich nun als ein fataler Fehler herausgestellt. Aus Fehlern sollte der Mensch lernen. Auch für den Bus- ÖPNV muss der Grundsatz des Tariftreuegesetzes gelten, gezahlt wird der vor Ort gültige Tarif.
Am 17.2.2006 gab es eine Demonstration von BusfahrerInnen aus Kiel und Lübeck gegen Lohndumping in der ÖPNV-Branche. Anlass war das Gebot der Autokraft (AK) bei der ÖPNV-Ausschreibung im Kreis Stormarn. Um ihre Chance im Vergabeverfahren zu wahren, hatte die Autokraft mit einem Subunternehmen, der Firma Ostseebus aus Mecklenburg- Vorpommern, angeboten. Der dortige Bruttolohn beträgt 8,31 Euro pro Stunde. Damit wird der Tariflohn der privaten Unternehmen des Omnibusverbandes Nord (OVN) von 10,11 Euro deutlich unterboten. Ver.di bezeichnete dies Angebot zu recht als tarifpolitischen Damm- bruch. Welche Frau und welcher Mann können von solchen Löhnen leben und eine Familie ernähren? Hier muss mit einem Tariftreuegesetz Einhalt geboten werden.
Der SSW hatte dazu einen Gesetzesentwurf in den Landtag eingebracht, der das Tariftreu- gesetz auf den Bus-ÖPNV ausdehnen soll und der am 22.3.06 zum ersten Mal beraten wur- de. Wir unterstützen diese Gesetzesänderung. Die große Koalition hat sich auf eine eigene Gesetzesformulierung geeinigt, der die Grüne Landtagsfraktion zustimmen wird.
Hinweisen will ich auf den Deal der großen Koalition in diesem Fall, als Gegenleistung wird die Frauenförderung als Bedingung für die Vergabe öffentlicher Aufträge quasi abgeschafft. Das Erfordernis eines betrieblichen Frauenförderplans soll nun ab einem Auftragsvolumen von 100.000 Euro (anstatt bisher 10.000 Euro) und einer Zahl von 51 Beschäftigten (bisher 21) gelten. Diese Gegenleistung hat die SPD-Fraktion akzeptiert und das ist zu Recht von der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen kritisiert worden.
Die Männer und Frauen am Steuer der ÖPNV-Busse sollen qualifiziert und motiviert sein. Sie unterliegen vielen Stress-Situationen. Ich denke zum Beispiel an den Schülerverkehr, gerade nach Schulschluss sind die Jugendlichen hochgradig aufgedreht. Oder auch an die zuneh- mende Zahl der älteren BusnutzerInnen, die mit ihrem Schiebewagen in die Bus einstiegen. Hinzu kommen die Informationsfragen von KundInnen. Das ist ein schöner Beruf, aber eben auch mit viel Verantwortung und Stress. Wenn wir im Bus-ÖPNV auf Dauer motiviertes und qualifiziertes Personal bekommen wollen, dann muss auch die Bezahlung stimmen.
Ich finde, dass die CDU sich in der Frage Tariftreue positiv bewegt hat. Ich war sehr skep- tisch, als der Kollege Arp bei der Podiumsdiskussion bei der Autokraft sich für eine Tarif- treueregelung aussprach. Nun hat er Wort gehalten. Wir haben in dieser Frage eher eine Tendenz in Richtung ihres Koalitionspartners SPD, also größere Übereinstimmung. Lassen Sie mich daher erläutern, wie wir zur Befristung des Gesetzes stehen. Ich finde es gut, wenn eine Regelung in diesem Bereich auf Zielerfüllung und Angemessen- heit wieder überprüft wird. Befristungen helfen da weiter. Sie sind der Wecker, der den Ge- setzgeber wachklingelt und Bescheid sagt, schau mal wieder Dein Gesetz an.
Vielleicht will die CDU das einmal nutzen, um sich von solcher Regelung heimlich wieder zu verabschieden. Vielleicht hat sie aber auch bis dahin gelernt, dass solche Regelungen auch Vorteile haben.
Also: Keine Angst vor Regelungen mit Verfallsdatum. Das heißt ja nicht: Ende. Das heißt: Neu darüber nachdenken.
Wir stellen heute einen weiteren Gesetzesantrag zum Tariftreuegesetz. Wir wollen die Aus- weitung des Gesetzes auf die Seedienstleistungen auf Forschungsschiffen im öffentlichen Dienst. Ausgangspunkt für diesen Vorstoß war im Jahr 2002 die Neuausschreibung der Be- reederungsverträge der mittelgroßen deutschen Forschungsschiffe im Paket durch die Uni- versität Hamburg als Leitstelle des deutschen Forschungsschiffspools. Dies geschah auf An- regung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF).
Der Auftrag wurde 2003 nicht an die bislang beauftragte Reederei mit ihrem zu deutschen Arbeitsbedingungen beschäftigten Personal vergeben, sondern an eine andere Reederei, die Personal beschäftigt, das außerhalb der EU seinen Lebensmittelpunkt hat. Die Vergabe- kammer der Hamburger Finanzbehörde hatte am 14.08.2003 entschieden, dass der Auftrag an den wirtschaftlichsten Bieter zu vergeben ist.
Der Petitionsausschuss des schleswig-holsteinischen Landtages hat sich mit einer Petition des Kapitäns Jakobi nebst Besatzung der FS METEOR zu diesem Vorgang befasst. Die Peti- tion wendet sich gegen eine Auftragsvergabe an eine Reederei mit Dumpinglöhnen und nicht ausreichend qualifiziertem Personal. Die bislang beauftragte Reederei hat dagegen hochqua- lifiziertes und -motiviertes Personal zu deutschen Arbeitbedingungen vorzuweisen.
Um zukünftig Fehlentwicklungen bei einer staatlichen Auftragsvergabe zu verhindern, sollen die Regelungen des schleswig-holsteinischen Tariftreuegesetzes vom 07.03.2003 auf See- dienstleistungen auf Forschungsschiffen im öffentlichen Dienst ausgedehnt werden.
Auch dieser Gesetzentwurf steht heute zur Abstimmung im Landtag, für den ich an dieser Stelle nochmals um Zustimmung werben möchte.

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