Anke Spoorendonk zu TOP 1A - Regierungserklärung zur Fehmarnbelt-Querung
PresseinformationKiel, den 11.07.2007 Es gilt das gesprochene WortAnke SpoorendonkTOP 1A Regierungserklärung zur FehmarnbeltquerungSeitdem die Große Belt Brücke und die Öresund-Brücke fertig gestellt sind, gibt es in Dänemarkeine starke Lobby für eine feste Fehmarnbeltquerung. Die Bauindustrie hat natürlich einInteresse daran, ihr Knowhow und ihre Ressourcen jetzt bei der nächsten Brücke in Beton zugießen. Und dänische Verkehrspolitiker sind angesichts der bisherigen Erfolge von einerregelrechten Brücken-Euphorie ergriffen. Insgeheim mag so mancher Verkehrspolitiker auch denWunsch hegen, sich in einem solchen Großprojekt zu verewigen. So wird zumindest in Dänemarkgemutmaßt.Trotz aller Verbundenheit mit Dänemark – und gerade deswegen – hält der SSW die deutsch-dänische Vereinbarung über eine Feste Querung des Fehmarnbelts aber für einen großen Fehler.Die Verkehrsprognosen versprechen, dass täglich 8000 bis 10.000 Fahrzeuge die Brücke nutzenwerden. Zum Vergleich: dies entspricht der Verkehrsmenge, die täglich über eine größereAusfallstraße der Stadt Flensburg rollt. Es müsste eigentlich jedermann einleuchten, dass dieseVerkehrsmenge in keinem Verhältnis zur Größe des Bauvorhabens steht. 2Oder anders gesagt: Es ist Irrsinn 5,5 Milliarden Euro für eine Brücke auszugeben, über die spätergenauso viele Fahrzeuge fahren, wie auf einer mittleren Ortsumgehung. – Und das nur, umgegenüber den Fähren eine knappe Stunde Fahrzeit einzusparen.Denn es gibt ja durchaus Alternativen zur Fehmarnbeltbrücke. Durch ein optimiertesFährkonzept ließen sich mehr Fahrzeuge und Züge über den Fehmarnbelt transportieren. DerRest des Verkehrs ließe sich durch einen ungleich günstigeren Ausbau der Jütland-Routebewältigen.Hinzu kommt – das ist ein weiterer Kritikpunkt dänischer Verkehrsexperten - dass die geplanteFehmarnbelt-Brücke keine Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene bringt. Auchder Einsatz von modernen Hochgeschwindigkeitszügen ist anscheinend nicht vorgesehen.Wenn also aus dem Vorvertrag hervorgeht, dass die Bahnstrecke nach Puttgarden erst zwischen2018 und 2025 zweigleisig elektrifiziert wird, dann ist das wenig mehr als weiße Salbe, sagt man.Dabei stellen Storestrømsbroen zwischen Lolland und Falster und die Fehmarnsundbrückegleichermaßen Flaschenhälse für die Modernisierung des Schienenverkehrs dar. Ich rufe inErinnerung, dass man sowohl bei der Brücke über den Großen Belt wie auch bei derÖresundbrücke ausdrücklich von einem Primat der Bahn ausgegangen ist.Mit seiner Skepsis steht der SSW bei weitem nicht allein. Dänische Verkehrsforscher teilen unsereAnsichten. Vor allem aber hat die Zurückhaltung der Bundesregierung gezeigt, dass man aufdeutscher Seite nicht an das Projekt glaubt und vor allem nicht den veröffentlichten Verkehrs-Prognosen vertraut. Das haben nicht zuletzt auch die Gespräche des Wirtschaftsausschusses mitStaatssekretär Hennerkes vom Bundesverkehrsministerium und Herrn Wiesheu von derDeutschen Bahn gezeigt. Der Staatssekretär gab zum Besten, dass er für diese Verkehrsmengenicht einmal eine Umgehung von Bad Oldesloe finanzieren würde. Das hätte auch hierzulandeeigentlich zum Nachdenken anregen müssen.Schleswig-Holstein hat aber ein großes Interesse an dieser Verbindung entwickelt, obwohl dereigentliche Nutznießer dieser Verbindung Hamburg wäre. 3Vor allen Wirtschaftsminister Austermann hat sich dafür mächtig ins Zeug gelegt, dass dieBundesregierung ihre Meinung ändert. Ich glaube man kann getrost feststellen, dass er mitdiesen Bemühungen gescheitert ist. Seine Rettung war aber, dass der dänische Verkehrsministereine Brücke über den Fehmarnbelt so unbedingt will, dass er dafür nahezu jeden Preis zahlt.Jetzt bekommt die Bundesrepublik sozusagen eine Fielmann-Brücke, für die sie keinen Pfennigdazubezahlen muss, und da fällt es der Bundesregierung natürlich schwer, den Widerstand nochaufrecht zu erhalten.Diese „na, dann lass sie doch machen, wenn sie zahlen“-Haltung ist aber für Schleswig-Holsteinfatal. Denn natürlich besteht ein großes Risiko, dass eine solche „Jütland-Umgehung“ Jütlandvon den Verkehren von und zu den Wirtschaftszentren Skandinaviens anschneidet.- Und ich brauche hoffentlich nicht daran zu erinnern, dass der größte Teil Schleswig-Holsteinszur Halbinsel Jütland gehört. – Der dänischen Regierung ist diese Gefahr zumindest bewusst. Siehat daher beschlossen, eine Infrastrukturkommission einzusetzen die untersuchen soll, welcheVerkehrsprojekte westlich des Großen Belts in die Wege geleitet werden müssen, damit es inwirtschaftlicher Hinsicht nicht dazu kommt, dass Jylland und Fyn abgekoppelt werden.Da der Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung zu recht auf die Bedeutung dergrenzüberschreitenden Zusammenarbeit eingeht, fordern wir die Landesregierung auf, sich überdie Arbeit dieser Infrastrukturkommission auf dem Laufenden zu halten. – Oder andersformuliert: Wir brauchen für den Landesteil Schleswig und für die Westküste ein eigenesInfrastrukturkonzept, das auch eine grenzüberschreitende Dimension beinhaltet. Denn dieBefürchtung, dass die feste Fehmarnbelt-Querung wichtige Verkehrsprojekte im Land abwürgt,bleibt aus Sicht des SSW bestehen – trotz der beschwichtigenden Worte des Ministerpräsi-denten.Damit stehen wir nicht allein da. Transportunternehmen im Norden, die IHK zu Flensburg oderauch die Wireg Flensburg/ Schleswig äußern gleiche Bedenken. Hier besteht also echterHandlungsbedarf, zumal auch die von der Landesregierung beschlossenen Leuchtturmprojektefür das Grenzland nur einen Effekt haben werden, wenn sie durch eine moderne Verkehrs- 4infrastruktur unterstützt werden. Soll heißen: Was bringt uns ein deutsch-dänischesLogistikzentrum, wenn die A7 nur bis Bordesholm ausgebaut werden soll? Oder was geschiehtbei uns, wenn in Süddänemark beschlossen wird, die Bahnstrecke bis zur Grenze zumodernisieren?Mit anderen Worten: Es ist zwar gut, reicht aber nicht aus, wenn Minister Austermann in einemInterview davon spricht, dass die Landesregierung daran denkt, die Infrastruktur im nördlichenLandesteil auszubauen – und damit den sechsspurigen Ausbau der A7 bis Bordesholm und denAusbau der B5 Richtung Niebüll/Esbjerg meint. Hier ist unsere Liste der notwendigenVerkehrsprojekte um einiges länger. Für den SSW ist klar, dass die Nord-Süd-Verbindung, sprichdie A7, für den Güterverkehr weiter ausgebaut werden muss. Der sechsstreifige Ausbau der A7von Bordesholm bis Hamburg reicht eben nicht aus - zumal es in Dänemark Überlegungen gibt,die Jylland-Autobahn auszubauen. Daher muss der sechsstreifige Ausbau der A7 bis zurLandesgrenze nach Dänemark durchgeführt werden. Unser wichtigstes Autobahnprojekt bleibtaber weiterhin die A20 mit einer westlichen Elbquerung.Für den Schienengüterverkehr in Nord-Süd-Richtung gilt das gleiche. Auch hier muss es zügigVerbesserungen geben. Die geplante Instandsetzung der Eisenbahnhochbrücken in Rendsburgund Hochdonn sind hierbei nur der Anfang. Mit der Sanierung der Rendsburger Hochbrücke, diebis 2013 abgeschlossen sein soll, erhalten wir aber gerade mal den Status Quo, denn damit wirdder Engpass über den Nord-Ostsee-Kanal nicht beseitigt.Was wir brauchen, ist eine Lösung, die den Verkehr reibungslos fließen lässt. Gleiches gilt auchfür den Schienenengpass Pinneberg - Elmshorn. Darüber hinaus benötigen wir, wie gesagt, einenAusbau des grenzüberschreitenden Schienenverkehrs und eine schnelle Umsetzung derZweigleisigkeit an der Westküste.Dies alles lässt sich aber kaum noch finanzieren, wenn die Hinterlandanbindung für dieeigentlich entbehrliche Fehmarnbelt-Querung finanziert werden muss.Mit dem am 29. Juni unterzeichneten deutsch-dänischen Vorvertrag ist die Frage nach derFinanzierung des Brückenprojekts geklärt – zumindest auf dem Papier. Dass das finanzielle 5Ungleichgewicht nördlich der Grenze nicht einmal bei eingefleischten BrückenbefürworternJubel auslöst, ist klar. Hinzu kommt, dass bisher niemand weiß, ob man mit der angepeiltenFinanzierung wirklich auskommt. Bisher ist es nämlich noch gar nicht untersucht worden, ob derMeeresboden im Fehmarnbelt für die geplante Schrägseilbrücke wirklich geeignet ist. Wenn abernicht, dann bedeutet dies voraussichtlich Mehrkosten von bis zu einer Milliarde.Wer glaubt, dass mit der Vereinbarung vom 29. Juni alles in trockenen Tüchern ist, wird sichwomöglich noch umsehen. Es könnte durchaus in Dänemark zu weiteren Diskussionen kommen– über das Projekt an sich wie auch über die Verteilung der Kosten – die ganz einfach dazu führenkönnten, dass es im Parlament keine Mehrheit für eine deutsche Fielmann-Lösung geben wird.Und auch was die Finanzierung der Fehmarn-Brücke aus europäischer Sicht angeht, deutet vielesdarauf hin, dass eine 30% Förderung, wohl eher einem Wunschdenken entspricht. Eine festeFehmarnbeltquerung ist zwar als TEN-Projekt aufgeführt, aber das Projekt konkurriert mitinsgesamt 29 anderen TEN-Projekten, die einen Gesamtwert von insgesamt 225 Mrd. •aufweisen. Demgegenüber sieht die Finanzierung für den Zeitraum 2007 bis 2013 für TEN einMittelkontingent von rund 8 Mrd. • vor.Wer sich die Vielzahl der TEN-Projekte einmal angesehen hat, wird feststellen, dass die EU denSchwerpunkt auf die Belebung der großräumigen Bahnstrecken gesetzt hat. Daher scheint es unsfragwürdig, ob und in welcher Höhe die Fehmarnbeltquerung von Seiten der EU Unterstützungfindet, da die Fehmarnbeltquerung dem Straßenverkehr den Vorrang einräumt.Man könnte den Eindruck gewinnen, dass die Bundesregierung darauf setzt, dass es von Seitender EU keine Fördermittel geben wird. Damit wäre sie aus dem Schneider – in etwa unter demMotto: Alle haben ihren guten Willen gezeigt, aber letztlich scheitert das Projekt, weil die EUnicht die notwendigen Zuschüsse gibt. Damit hätten beide Seiten – Dänemark und Deutschland– das Gesicht gewahrt und beiden können auf die EU zeigen, die den Traum einer festenFehmarnbeltquerung platzen ließ.