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11.07.07
11:20 Uhr
SSW

Anke Spoorendonk zu TOP 1A - Regierungserklärung zur Fehmarnbelt-Querung

Presseinformation
Kiel, den 11.07.2007 Es gilt das gesprochene Wort



Anke Spoorendonk
TOP 1A Regierungserklärung zur Fehmarnbeltquerung

Seitdem die Große Belt Brücke und die Öresund-Brücke fertig gestellt sind, gibt es in Dänemark
eine starke Lobby für eine feste Fehmarnbeltquerung. Die Bauindustrie hat natürlich ein
Interesse daran, ihr Knowhow und ihre Ressourcen jetzt bei der nächsten Brücke in Beton zu
gießen. Und dänische Verkehrspolitiker sind angesichts der bisherigen Erfolge von einer
regelrechten Brücken-Euphorie ergriffen. Insgeheim mag so mancher Verkehrspolitiker auch den
Wunsch hegen, sich in einem solchen Großprojekt zu verewigen. So wird zumindest in Dänemark
gemutmaßt.


Trotz aller Verbundenheit mit Dänemark – und gerade deswegen – hält der SSW die deutsch-
dänische Vereinbarung über eine Feste Querung des Fehmarnbelts aber für einen großen Fehler.
Die Verkehrsprognosen versprechen, dass täglich 8000 bis 10.000 Fahrzeuge die Brücke nutzen
werden. Zum Vergleich: dies entspricht der Verkehrsmenge, die täglich über eine größere
Ausfallstraße der Stadt Flensburg rollt. Es müsste eigentlich jedermann einleuchten, dass diese
Verkehrsmenge in keinem Verhältnis zur Größe des Bauvorhabens steht. 2

Oder anders gesagt: Es ist Irrsinn 5,5 Milliarden Euro für eine Brücke auszugeben, über die später
genauso viele Fahrzeuge fahren, wie auf einer mittleren Ortsumgehung. – Und das nur, um
gegenüber den Fähren eine knappe Stunde Fahrzeit einzusparen.


Denn es gibt ja durchaus Alternativen zur Fehmarnbeltbrücke. Durch ein optimiertes
Fährkonzept ließen sich mehr Fahrzeuge und Züge über den Fehmarnbelt transportieren. Der
Rest des Verkehrs ließe sich durch einen ungleich günstigeren Ausbau der Jütland-Route
bewältigen.


Hinzu kommt – das ist ein weiterer Kritikpunkt dänischer Verkehrsexperten - dass die geplante
Fehmarnbelt-Brücke keine Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene bringt. Auch
der Einsatz von modernen Hochgeschwindigkeitszügen ist anscheinend nicht vorgesehen.
Wenn also aus dem Vorvertrag hervorgeht, dass die Bahnstrecke nach Puttgarden erst zwischen
2018 und 2025 zweigleisig elektrifiziert wird, dann ist das wenig mehr als weiße Salbe, sagt man.
Dabei stellen Storestrømsbroen zwischen Lolland und Falster und die Fehmarnsundbrücke
gleichermaßen Flaschenhälse für die Modernisierung des Schienenverkehrs dar. Ich rufe in
Erinnerung, dass man sowohl bei der Brücke über den Großen Belt wie auch bei der
Öresundbrücke ausdrücklich von einem Primat der Bahn ausgegangen ist.


Mit seiner Skepsis steht der SSW bei weitem nicht allein. Dänische Verkehrsforscher teilen unsere
Ansichten. Vor allem aber hat die Zurückhaltung der Bundesregierung gezeigt, dass man auf
deutscher Seite nicht an das Projekt glaubt und vor allem nicht den veröffentlichten Verkehrs-
Prognosen vertraut. Das haben nicht zuletzt auch die Gespräche des Wirtschaftsausschusses mit
Staatssekretär Hennerkes vom Bundesverkehrsministerium und Herrn Wiesheu von der
Deutschen Bahn gezeigt. Der Staatssekretär gab zum Besten, dass er für diese Verkehrsmenge
nicht einmal eine Umgehung von Bad Oldesloe finanzieren würde. Das hätte auch hierzulande
eigentlich zum Nachdenken anregen müssen.


Schleswig-Holstein hat aber ein großes Interesse an dieser Verbindung entwickelt, obwohl der
eigentliche Nutznießer dieser Verbindung Hamburg wäre. 3

Vor allen Wirtschaftsminister Austermann hat sich dafür mächtig ins Zeug gelegt, dass die
Bundesregierung ihre Meinung ändert. Ich glaube man kann getrost feststellen, dass er mit
diesen Bemühungen gescheitert ist. Seine Rettung war aber, dass der dänische Verkehrsminister
eine Brücke über den Fehmarnbelt so unbedingt will, dass er dafür nahezu jeden Preis zahlt.
Jetzt bekommt die Bundesrepublik sozusagen eine Fielmann-Brücke, für die sie keinen Pfennig
dazubezahlen muss, und da fällt es der Bundesregierung natürlich schwer, den Widerstand noch
aufrecht zu erhalten.


Diese „na, dann lass sie doch machen, wenn sie zahlen“-Haltung ist aber für Schleswig-Holstein
fatal. Denn natürlich besteht ein großes Risiko, dass eine solche „Jütland-Umgehung“ Jütland
von den Verkehren von und zu den Wirtschaftszentren Skandinaviens anschneidet.
- Und ich brauche hoffentlich nicht daran zu erinnern, dass der größte Teil Schleswig-Holsteins
zur Halbinsel Jütland gehört. – Der dänischen Regierung ist diese Gefahr zumindest bewusst. Sie
hat daher beschlossen, eine Infrastrukturkommission einzusetzen die untersuchen soll, welche
Verkehrsprojekte westlich des Großen Belts in die Wege geleitet werden müssen, damit es in
wirtschaftlicher Hinsicht nicht dazu kommt, dass Jylland und Fyn abgekoppelt werden.


Da der Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung zu recht auf die Bedeutung der
grenzüberschreitenden Zusammenarbeit eingeht, fordern wir die Landesregierung auf, sich über
die Arbeit dieser Infrastrukturkommission auf dem Laufenden zu halten. – Oder anders
formuliert: Wir brauchen für den Landesteil Schleswig und für die Westküste ein eigenes
Infrastrukturkonzept, das auch eine grenzüberschreitende Dimension beinhaltet. Denn die
Befürchtung, dass die feste Fehmarnbelt-Querung wichtige Verkehrsprojekte im Land abwürgt,
bleibt aus Sicht des SSW bestehen – trotz der beschwichtigenden Worte des Ministerpräsi-
denten.


Damit stehen wir nicht allein da. Transportunternehmen im Norden, die IHK zu Flensburg oder
auch die Wireg Flensburg/ Schleswig äußern gleiche Bedenken. Hier besteht also echter
Handlungsbedarf, zumal auch die von der Landesregierung beschlossenen Leuchtturmprojekte
für das Grenzland nur einen Effekt haben werden, wenn sie durch eine moderne Verkehrs- 4

infrastruktur unterstützt werden. Soll heißen: Was bringt uns ein deutsch-dänisches
Logistikzentrum, wenn die A7 nur bis Bordesholm ausgebaut werden soll? Oder was geschieht
bei uns, wenn in Süddänemark beschlossen wird, die Bahnstrecke bis zur Grenze zu
modernisieren?


Mit anderen Worten: Es ist zwar gut, reicht aber nicht aus, wenn Minister Austermann in einem
Interview davon spricht, dass die Landesregierung daran denkt, die Infrastruktur im nördlichen
Landesteil auszubauen – und damit den sechsspurigen Ausbau der A7 bis Bordesholm und den
Ausbau der B5 Richtung Niebüll/Esbjerg meint. Hier ist unsere Liste der notwendigen
Verkehrsprojekte um einiges länger. Für den SSW ist klar, dass die Nord-Süd-Verbindung, sprich
die A7, für den Güterverkehr weiter ausgebaut werden muss. Der sechsstreifige Ausbau der A7
von Bordesholm bis Hamburg reicht eben nicht aus - zumal es in Dänemark Überlegungen gibt,
die Jylland-Autobahn auszubauen. Daher muss der sechsstreifige Ausbau der A7 bis zur
Landesgrenze nach Dänemark durchgeführt werden. Unser wichtigstes Autobahnprojekt bleibt
aber weiterhin die A20 mit einer westlichen Elbquerung.
Für den Schienengüterverkehr in Nord-Süd-Richtung gilt das gleiche. Auch hier muss es zügig
Verbesserungen geben. Die geplante Instandsetzung der Eisenbahnhochbrücken in Rendsburg
und Hochdonn sind hierbei nur der Anfang. Mit der Sanierung der Rendsburger Hochbrücke, die
bis 2013 abgeschlossen sein soll, erhalten wir aber gerade mal den Status Quo, denn damit wird
der Engpass über den Nord-Ostsee-Kanal nicht beseitigt.
Was wir brauchen, ist eine Lösung, die den Verkehr reibungslos fließen lässt. Gleiches gilt auch
für den Schienenengpass Pinneberg - Elmshorn. Darüber hinaus benötigen wir, wie gesagt, einen
Ausbau des grenzüberschreitenden Schienenverkehrs und eine schnelle Umsetzung der
Zweigleisigkeit an der Westküste.


Dies alles lässt sich aber kaum noch finanzieren, wenn die Hinterlandanbindung für die
eigentlich entbehrliche Fehmarnbelt-Querung finanziert werden muss.


Mit dem am 29. Juni unterzeichneten deutsch-dänischen Vorvertrag ist die Frage nach der
Finanzierung des Brückenprojekts geklärt – zumindest auf dem Papier. Dass das finanzielle 5

Ungleichgewicht nördlich der Grenze nicht einmal bei eingefleischten Brückenbefürwortern
Jubel auslöst, ist klar. Hinzu kommt, dass bisher niemand weiß, ob man mit der angepeilten
Finanzierung wirklich auskommt. Bisher ist es nämlich noch gar nicht untersucht worden, ob der
Meeresboden im Fehmarnbelt für die geplante Schrägseilbrücke wirklich geeignet ist. Wenn aber
nicht, dann bedeutet dies voraussichtlich Mehrkosten von bis zu einer Milliarde.


Wer glaubt, dass mit der Vereinbarung vom 29. Juni alles in trockenen Tüchern ist, wird sich
womöglich noch umsehen. Es könnte durchaus in Dänemark zu weiteren Diskussionen kommen
– über das Projekt an sich wie auch über die Verteilung der Kosten – die ganz einfach dazu führen
könnten, dass es im Parlament keine Mehrheit für eine deutsche Fielmann-Lösung geben wird.
Und auch was die Finanzierung der Fehmarn-Brücke aus europäischer Sicht angeht, deutet vieles
darauf hin, dass eine 30% Förderung, wohl eher einem Wunschdenken entspricht. Eine feste
Fehmarnbeltquerung ist zwar als TEN-Projekt aufgeführt, aber das Projekt konkurriert mit
insgesamt 29 anderen TEN-Projekten, die einen Gesamtwert von insgesamt 225 Mrd. •
aufweisen. Demgegenüber sieht die Finanzierung für den Zeitraum 2007 bis 2013 für TEN ein
Mittelkontingent von rund 8 Mrd. • vor.
Wer sich die Vielzahl der TEN-Projekte einmal angesehen hat, wird feststellen, dass die EU den
Schwerpunkt auf die Belebung der großräumigen Bahnstrecken gesetzt hat. Daher scheint es uns
fragwürdig, ob und in welcher Höhe die Fehmarnbeltquerung von Seiten der EU Unterstützung
findet, da die Fehmarnbeltquerung dem Straßenverkehr den Vorrang einräumt.


Man könnte den Eindruck gewinnen, dass die Bundesregierung darauf setzt, dass es von Seiten
der EU keine Fördermittel geben wird. Damit wäre sie aus dem Schneider – in etwa unter dem
Motto: Alle haben ihren guten Willen gezeigt, aber letztlich scheitert das Projekt, weil die EU
nicht die notwendigen Zuschüsse gibt. Damit hätten beide Seiten – Dänemark und Deutschland
– das Gesicht gewahrt und beiden können auf die EU zeigen, die den Traum einer festen
Fehmarnbeltquerung platzen ließ.