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07.06.07
15:58 Uhr
B 90/Grüne

Detlef Matthiessen zu öffentlich-privaten Partnerschaften

PRESSEDIENST Fraktion im Landtag Schleswig-Holstein Pressesprecherin Es gilt das gesprochene Wort! Claudia Jacob Landeshaus TOP 2 – Erleichterung öffentlich privater Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel Partnerschaften Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 Dazu sagt der wirtschaftspolitische Sprecher Telefax: 0431/988-1501 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Mobil: 0172/541 83 53 E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Detlef Matthiessen: Internet: www.sh.gruene-fraktion.de

Nr. 256.07 / 07.06.2007

Öffentlich private Partnerschaft ohne Wirtschaftlichkeitsberechnung ist nur ein anderes Wort für neue Schulden
Die Diskussion um öffentlich private Partnerschafts-Projekte hat eine wichtige Erkenntnis ge- bracht: Wir müssen den gesamten Lebenszyklus einer Investition betrachten. Das ist bis jetzt bei den Projekten der öffentlichen Hand zu kurz gekommen. Beim Bau eines Gebäudes - e- gal ob Schule, Kita, Flughafen oder Schwimmbad – missen die gesamten Kosten über die 25 bis 40 Nutzungsjahre berechnet und betrachtet werden. Die oftmals politisch und öffentlich heftig umstrittene Investitionssumme macht nur 15 bis 25 Prozent der Kosten im Lebenszyk- lus des Projektes aus. Wichtiger sind die Finanzierungs- und Betriebskosten. Und wir als Grüne verweisen außerdem auf die weiter steigenden Energiekosten, denn über den Zeit- raum von 25 bis 40 Jahren betrachtet macht sich ein effizientes Energiekonzept basierend auf erneuerbaren Energien immer bezahlt. Und das ist auch gut so für echte nachhaltige In- vestitionen.
Die Diskussion um ÖPP-Projekte fällt nicht plötzlich vom Himmel, sondern die akute Not der öffentlichen Haushalte und der teilweise zu beobachtende Verfall der öffentlichen Infrastruk- tur hat die Kommunen und die Länder auf die Idee gebraucht, privates Kapital für Investitio- nen einzuwerben. Der private Kapitalgeber hat eine Gewinnerwartung. Daher ist die Grund- frage für die Politik: Gibt es durch das Einbeziehen des privaten Kapitals und privaten Know Hows wirklich Einsparungen für den öffentlichen Haushalt, oder wird es insgesamt doch teu- rer? Belastungen im Haushalt werden heute vermieden, sie werden aber nur in die Zukunft verschoben. Der Präsident des Bayerischen Rechnungshofes sagt dazu: „Wer jetzt nicht zahlen kann, dem wird das auch nicht über ÖPP gelingen, weil er die Finanzierungslasten damit nur in die Zukunft verlagert.“
Der Private muss zusätzlich seinen Gewinn erwirtschaften und er muss Mehrwertsteuer so- wie Körperschaftssteuern zahlen, all das muss die öffentliche Hand nicht und ist diesbezüg- lich günstiger.
1/2 Es gibt bis lang nur wenige ÖPP-Projekte in Deutschland. Wenn genau kalkuliert wird, kom- men die meisten Kämmerer in den Kommunen zu dem Ergebnis: Der Kommunalkredit ist als Finanzierung unschlagbar. Deshalb haben wir in der parlamentarischen Beratung in den Ausschüssen einen neuen Ansatz im Paragraph 6 vorgeschlagen: Eine ÖPP-Finanzierung darf nur dann erwogen werden, wenn Projekte auch konventionell nach alter Praxis realisiert worden wären, sie sich aber als ÖPP unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten als günstiger für die öffentliche Hand darstellen.
Damit wäre sichergestellt, dass es zu keiner Überforderung der finanziellen Möglichkeiten der Kommunen kommt und keine Finanzlasten in die Zukunft verschoben werden. Weiterhin haben wir Grünen in Paragraph 6 angeregt, dass die Träger der öffentlichen Verwaltung Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen machen müssen, bevor sie über die Verlagerung einer öf- fentlichen Aufgabe auf ÖPP nachdenken. Leider sind beide Ansätze von der Großen Koaliti- on nicht aufgenommen worden.
Es gibt zwei zu Beginn hochgelobte ÖPP-Verkehrsprojekte in Deutschland, die gründlich in die Hose gegangen sind. Das sind die Straßentunnel in Rostock und Lübeck. Die prognosti- zierten Verkehrszahlen wurden nie erreicht, und ich bin mir ziemlich sicher, dass der Steuer- zahler am Ende die Zeche zahlen muss. Wer denn sonst? Aktuell wird in Lübeck eine weitere Mauterhöhung für den Herrentunnel diskutiert. Der Hintergrund sind die Nutzerzahlen: Statt der prognostizierten 37.000 Pkws täglich fahren nur 20.000 durch den Tunnel. Ein weiterer Rückgang wird erwartet, wenn die Nordtangente Ende 2007 eröffnet wird.
Ein weiteres schlechtes Beispiel ist die Teilprivatisierung der Wasser- und Abwasserversor- gung in Berlin, wo der Staatshaushalt unter der vereinbarten Last der Garantiedividende für die Privaten in die Knie geht.
Die Bereiche von Polizei und Justizvollzug sehen wir generell als Kernaufgaben des Staates und stehen deshalb für Kooperationen mit Privaten nicht zur Verfügung. Kernaufgaben, die von staatlichen Beschäftigten ausgeführt werden müssen, sind Aufgaben, die der Polizei und der Justiz obliegen. Nur der Staat kann für die Sicherheit der individuellen und kollektiven Rechtsgüter sorgen und Rechtsschutz für die Bürgerinnen und Bürger bereitstellen.
Ich fasse zusammen: Wir halten es für falsch, dass keine Wirtschaftlichkeitsberechnungen erfolgen müssen, bevor eine öffentliche Investition oder Dienstleistung als ÖPP erstellt wird. Weiterhin muss sichergestellt werden, dass eine Investition auch ohne ÖPP finanziell von der Kommune bewältigt werden kann, es mit ÖPP aber wirtschaftlicher ist. Beide Änderungen sind von CDU und SPD nicht gewollt, deshalb lehnt die Grüne Landtagsfraktion den Geset- zesentwurf ab.
Wir fürchten, dass ÖPP so nur ein anderes Wort für neue Schulden wird. Unkalkulierbare Ri- siken und Schattenhaushalte entstehen. Staatsgarantien befreien den privaten Partner von dem, was essentieller Bestandteil von Markt und Wettbewerb sind: Sie befreien von dem Ri- siko. Die Übernahme der Garantien müssten nach unserer Auffassung wie Schulden gewer- tet werden, z.B. Anrechnung auf die Maastricht-Kriterien finden. Auch diese Frage ist bislang nicht geregelt.
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