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07.06.07
12:55 Uhr
B 90/Grüne

Karl-Martin Hentschel zum Landesbeamtengesetz

PRESSEDIENST Fraktion im Landtag Schleswig-Holstein Pressesprecherin Claudia Jacob Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel
Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 Telefax: 0431/988-1501 Mobil: 0172/541 83 53 E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Internet: www.sh.gruene-fraktion.de

Nr. 255.07 / 07.06.2007
Bessere Gleichstellung behinderter Menschen im öffentlichen Dienst
Zur Einbringung eines Antrags zur Änderung des Landesbeamtengesetzes in den Land- tag (TOP 6) erklärt der Vorsitzende der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Karl-Martin Hentschel:
Der Petitionsausschuss des Landtags befasste sich vor längerer Zeit mit der Eingabe ei- nes Lehrers, der aufgrund eines Herzklappenfehlers nicht verbeamtet wurde. Der Herz- klappenfehler hat sich auf die Leistungsfähigkeit nicht ausgewirkt, er barg lediglich ein Erkrankungsrisiko für die Zukunft.
Der Petitionsausschuss hat die Angelegenheit an den Innen- und Rechtsausschuss wei- tergeleitet. Dieser hat die Angelegenheit beraten und den wissenschaftlichen Dienst um eine rechtliche Stellungnahme und einen Vorschlag für die Lösung des Problems gebe- ten.
Das Ergebnis ist der hier vorliegende Antrag. Er beinhaltet – entsprechend dem Vor- schlag des wissenschaftlichen Dienstes - die neue Regelung, dass bei der beamten- rechtlichen Gesundheitsprüfung nur noch überprüft wird, ob eine gesundheitliche Eig- nung des Beamten voraussichtlich die nächsten fünf Jahre vorliegen wird. Auf eine le- benslange Prognose wird also verzichtet.
Deutsche Gesetze, auch Art. 33 V GG müssen aufgrund des Vorrangs des Gemein- schaftsrechts europarechtskonform ausgelegt werden. Einschlägig ist hier die Rahmen- richtlinie zu Beschäftigung und Beruf 2000/78/EG, die eine Benachteilung von behinder- ten Menschen verbietet. Eine Einstellung muss demnach auch möglich gemacht werden, wenn auf Grund der Behinderung eine vorzeitige Dienstunfähigkeit nicht auszuschließen ist.
1/2 Der wissenschaftliche Dienst des Landtages hat uns überzeugend dargelegt, dass aus diesem Grund mittlerweile in der Praxis auf einen Prognosezeitraum von fünf Jahren zu- rückgegriffen wird. Er schlägt daher vor, das Landesbeamtengesetz hinsichtlich des Prognosezeitraums europarechtskonform zu gestalten und den Fünfjahreszeitraum auch gesetzlich festzuschreiben.
Wir greifen diesen Vorschlag gerne auf und hoffen auf Zustimmung auch der anderen Fraktionen und des SSW. Ich denke, diese Lösung ist pragmatisch und sorgt für eine bessere berufliche Integration behinderter Menschen. Sie lässt den grundsätzlichen Kon- flikt dahinter allerdings unberührt, das will ich hier nicht verschweigen.
Wir haben mit dem vorliegenden Fall wieder einmal einen Beleg dafür erhalten, dass das Beamtenrecht in seiner derzeitigen Form unzweckmäßig für einen leistungsfähigen öf- fentlichen Dienst ist. Ein Konflikt, wie er bei dem vorliegenden Fall gegeben war, resul- tiert aus dem Alimentationsprinzip. Wenn wir durch die vorgeschlagene Änderung des § 9 Landesbeamtengesetz auch eine Verbesserung herbeiführen können, so wird es auf- grund des Anspruchs auf amtsangemessene Alimentation für Menschen, die in ihrer Leistungsfähigkeit potentiell beeinträchtigt sind, nach wie vor schwer sein, als Beamtin oder Beamter im öffentlichen Dienst zu arbeiten.
Letztendlich wird das Risiko der frühzeitigen Berufsunfähigkeit jeden Kämmerer und Fi- nanzminister dazu bringen, Gesundheitsrisiken kommender Beamtinnen und Beamten auszuschließen. Das kann bei immer feineren Diagnose- und Analysemöglichkeiten be- deuten, dass kerngesunde Menschen, die lediglich ein Erkrankungsrisiko haben, in be- stimmten Jobs keine Chance mehr haben. Oder sie werden aufgrund dieses Erkran- kungsrisikos erheblich weniger verdienen als ihre Kolleginnen, weil sie eben im Ange- stelltenverhältnis arbeiten.
Wie wir das Beamtenrecht auch drehen und wenden und versuchen zu verbessern: An dem grundsätzlichen Zielkonflikt wird sich nichts ändern, solange wir nicht alle öffentlich Bediensteten in die öffentliche Sozialversicherung aufnehmen und damit das Frühpensi- onierungsrisiko vom Dienstherrn auf die Allgemeinheit übertragen.
Dieses dicke Brett bohren wir bekanntlich schon lange und beharrlich. Das sollte uns a- ber nicht davon abhalten, in der Zwischenzeit auch gelegentlich die weniger dicken Bret- ter zur Hand zu nehmen und Verbesserungen im geltenden Beamtenrecht vorzunehmen.
Ich schlage die Überweisung in den Innen- und Rechtsausschuss vor.
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