Lars Harms zu TOP 24 - Wirtschaftsbericht 2007
Presseinformation Kiel, den 7.6.2007Es gilt das gesprochene WortLars HarmsTOP 24 Wirtschaftsbericht 2007 Drs. 16/1411Es ist ja kein Geheimnis, dass die wirtschaftliche Lage Schleswig-Holsteins in diesem Frühsommerso gut ist wie seit Jahren nicht mehr. Der konjunkturelle Aufschwung, der seit zwei Jahren in Gangist, setzt sich auch im diesem Jahr - trotz der Mehrwertsteuererhöhung - fort und die Prognosenfür die nächsten Jahre sind ebenfalls hervorragend.Obwohl das Wirtschaftswachstum im letzten Jahr in Schleswig-Holstein im Bundesvergleich eherbescheiden war, sehen die Unternehmen im Norden optimistisch in die Zukunft und eineMehrheit will sogar in nächster Zeit zusätzliches Personal einstellen. Auch bei denNeuansiedlungen von Unternehmen liegt Schleswig-Holstein im Vergleich mit den anderenBundesländern an der Spitze. Zuletzt war dies 2001 ebenfalls der Fall. 2Vor diesem Hintergrund kann es keinen verwundern, dass auch die Arbeitslosenzahlen inSchleswig-Holstein stark rückläufig sind. Ende Mai waren nur noch ca. 120.000 Menschen imLande arbeitslos und damit 14.3 % weniger als im letzten Jahr.Mit der Quote von 8,5% liegt Schleswig-Holstein bundesweit im guten Mittelfeld. Die Zahl dersozialversicherungspflichtigen Beschäftigten ist leicht angestiegen und gibt es deutlich mehr freieStellen als im letzten Jahr. Wobei der große Rückgang der Arbeitslosigkeit im ArbeitsamtbezirkFlensburg nahezu vollständig der noch besseren wirtschaftlichen Entwicklung in Dänemarkgeschuldet ist, denn mit dem bedauerlichen Arbeitsplatzabbau bei Motorola und Arvato-Teleservice hat es in dieser Region in letzter Zeit auch einige negative Beispiele gegeben.Dennoch freut sich natürlich auch die Opposition über die positive Gesamtentwicklung, die fürviele Menschen endlich wieder eine neue berufliche Perspektive bietet.Über den Anteil der Landesregierung an diesem Boom auch in Schleswig-Holstein kann man sichnatürlich streiten, aber der SSW schließt sich in dieser Frage einem Zeitungskommentar an, wo eshieß: „Wirtschaftsminister Austermann hat gut daran getan, an die bereits von derVorgängerregierung eingeleitete Politik anzuknüpfen. “Dies gilt insbesondere für die Fortsetzung der Clusterpolitik mit den verschiedenen regionalenSchwerpunkten, die bereits die rot-grüne Landesregierung ins Leben gerufen hatte. Wobei manauch anmerken muss, dass der Wirtschaftsminister manchmal durch vereinte regionaleKraftanstrengungen zu seinem Glück gezwungen werden muss. 3Dies gilt zum Beispiel für die schwere Geburt der Landeszuschüsse für die Projekte der SchleswigerTherme und des „Paralympischen Zentrums“ in Kappeln. Dagegen hat es beim Ausbau desHusumer Hafens ja leider kein Einsehen des Wirtschaftsministers gegeben. Dazu kommt, dass dieInvestitionsquote des Landes weiterhin die niedrigste seit Jahrzehnten ist. Darüber kann auch dasZukunftsprogramm der Landesregierung nicht hinwegtäuschen. Also, die wirtschaftlicheEntwicklung ist trotz einiger Versäumnisse der Landesregierung immer noch gut.Meine Kollegin Spoorendonk hat es aber auch schon mehrfach gesagt: Dieser Aufschwung ist zueinem sehr großen Teil das Verdienst der Arbeitnehmerin und Arbeitnehmer in Deutschland, diein den letzten Jahren bei steigender Produktivität mehr gearbeitet haben und dazu noch aufLohnerhöhungen verzichtet haben. Deshalb sind wir international bei den Lohnstückkostenäußerst wettbewerbsfähig im Verhältnis zu unseren europäischen Nachbarn. Der starkansteigende Export beweist dieses ja auch immer wieder. Allerdings ist es jetzt aber auch an derZeit, dass die Lohnempfänger teilhaben an den Milliardenüberschüssen der Wirtschaft und auchentsprechende Lohnerhöhungen bekommen. Auch aus wirtschaftlicher Sicht würde dies zurStärkung der Binnenkonjunktur positiv beitragen.Nicht alles ist Gold was glänzt – heißt es so schön – und wir müssen daher auch einige dernegativen Folgen der jetzigen Entwicklung ansprechen. So kommt dieser Aufschwung immernoch nicht bei allen Menschen an und man kann feststellen, dass wir gerade imNiedriglohnbereich immer noch Millionen von Beschäftigten haben, die so schlecht bezahlt 4werden, dass sie kaum davon leben können. Dies gilt auch für viele Beschäftigte in Schleswig-Holstein, die mit einem Stundenlohn von 4 bis 5 Euro auskommen müssen.Daher kommen wir nicht darum herum, dass wir in gewissen Bereichen – dort wo dieTarifparteien selber nicht dazu in der Lage sind – endlich einen gesetzlichen Mindestlohneinführen müssen. In fast allen westeuropäischen Ländern gibt es bereits einen entsprechendenMindestlohn und dies muss auch bei uns möglich sein, um allen Beschäftigten einenmenschenwürdiges Leben zu sichern. Vollzeitarbeit muss auch einen ordentlichen Lohn zur Folgehaben.Natürlich ist dies eine Sache des Bundes, aber die Landesregierung muss hier ihren Einflussgeltend machen. Dies gilt natürlich insbesondere für das Landestariftreuegesetz. Mit ihrenSandkastenspielen bei der Tariftreue schadet die Große Koalition der regionalen Wirtschaft unddem regionalen Arbeitsmarkt.Sollte das Tariftreuegesetz nicht verlängert werden, dann gelten in einer Reihe von Branchen abMärz 2008 in Schleswig-Holstein Dumpinglöhne. Dies würde nicht nur die Arbeitnehmer harttreffen, sondern auch die regionalen Unternehmen schwächen, die nicht in der Konkurrenz mitauswärtigen Billiglohnanbietern bestehen können.Es liegt vor allem an der CDU-Landtagsfraktion, diese Abwärtsspirale noch zu verhindern. Wenndie Große Koalition den SSW-Gesetzentwurf zur Verlängerung des Tariftreuegesetzes ablehnt, 5dann führt sie ab März 2008 flächendeckende Dumpinglöhne ein. Das werden die Menschen inSchleswig-Holstein sich kaum bieten lassen.Insgesamt haben wir es also mit einem stark aufgeteilten Arbeitsmarkt in Schleswig-Holstein zutun. Denn zum einen haben wir einen beginnenden Fachkräftemangel in vielen Branchen undzum anderen ist gleichzeitig der Anteil der Langzeitarbeitslosen bei uns im Lande immer noch aufsehr hohem Niveau. Deshalb wird es entscheidend darauf ankommen, dass wir endlich einleistungsfähiges Weiterbildungssystem entwickeln, das sowohl Arbeitnehmer als auch dieArbeitslosen fit macht für die Herausforderungen des zukünftigen Arbeitsmarktes. Davon sind wirtrotz entsprechender Ankündigungen von Arbeitsminister Döring immer noch weit entfernt.Gerade im nördlichen Landesteil wird die Diskrepanz zwischen den Anforderungen der Wirtschaftin der deutsch-dänischen Grenzregion und dem damit verbundenen Facharbeitermangel und denQualifikationsmöglichkeiten der arbeitslosen Menschen immer größer. Hier müssen allehandelnden Akteure der Region – das Land, die Region Schleswig-Sønderjylland, die Berufschulen,die Arbeitgeber und Gewerkschaften in der Grenzregion – sich zusammen setzen umentsprechende Aus- und Weiterbildungsangebote gemeinsam über die Grenze hinweg zuentwickeln. Die verschiedenen Systeme beider Länder dürfen hier kein Hindernis sein, sondernmüssen überwunden werden, damit wir genügend Fachkräfte anziehen und die wirtschaftlicheEntwicklung in der deutsch-dänischen Grenzregion weiter voranbringen können. 6Das steigende Engagement und die fünf Leuchtturmprojekte der Landesregierung sind ein ersterpositiver Ansatz, um diese für unsere Region so wichtige grenzüberschreitende Zusammenarbeitauszubauen. Der SSW hat auf seinen letzten kleinen Parteitag ein eigenes Eckpunktepapiervorgelegt, das weitere konstruktive Vorschläge für die Vertiefung dieser Zusammenarbeitvorsieht. Neben einem Ausbau des Dänisch-Unterrichts an öffentlichen Schulen im LandesteilSchleswig, sehen wir insbesondere einen Bedarf, die Infrastruktur in der Region zu verbessern undauszubauen.Wir bleiben bei unserer Position, dass bevor eine Fehmarnbelt-Querung kommen kann, dieStraßen- und Schienenverbindungen in Sønderjylland und dem Landesteil Schleswig verbessertwerden müssen. Daran ist sich der SSW auch mit vielen regionalen Folketing-Politikern ausDänemark einig und wir werden uns weiterhin im Landtag dafür einsetzen.Neben der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit sieht der SSW auch in derNordseekooperation eine wirtschaftliche Perspektive für unseren Landesteil und für das ganzeLand insgesamt.Sieht man sich die Export- und Importstatistiken des vorliegenden Berichtes an, wird man schnellfeststellen, dass gerade der Handel schleswig-holsteinischer Unternehmen mit denNordseeanrainerstaaten Dänemark, Niederlande und Großbritannien einen sehr wichtigenStellenwert einnimmt. Aus Sicht des SSW verdient daher die Nordseekooperation in Zukunft mehrAufmerksamkeit, um die Zusammenarbeit mit diesen Partnerländern weiter auszubauen. 7Hier gibt es also noch weitere wirtschaftliche Möglichkeiten für unsere leistungsfähigenUnternehmen. Dies gilt für den Export nach China sogar noch in verstärkter Weise.Damit sei nicht gesagt, dass wir die traditionelle Ostseekooperation des Landes vernachlässigensollten. Allerdings liegt im diesem Bereich ein Schwerpunkt auf die kulturellen Beziehungen unddie Entwicklung der Menschenrechte in den Ostseeanrainerstaaten, was nicht heißt, dass wirnicht auch die wirtschaftliche Zusammenarbeit rund um die Ostsee forcieren sollten.Insgesamt kann man aber schon das Fazit ziehen, dass die schleswig-holsteinische Wirtschaftdabei ist, ihren Strukturrückstand aufzuholen und daher können wir vorsichtig optimistisch inZukunft sehen, was die weitere wirtschaftliche Entwicklung in den nächsten Jahren angeht.Aus Sicht des SSW kommt es für das Land darauf an, dass wir bei den Haushaltsberatungen imnächsten Jahr uns unbedingt noch mal mit den Investitionen des Landes beschäftigen. EineErhöhung der Investitionsquote zum Beispiel durch mehr Investitionen im Straßen- undSchienenbau, bei der Schulrenovierung oder für die Kommunen, würde den jetzigen Aufschwungverstetigen und positiv unterstützen. Das muss aus unserer Sicht das Ziel der Wirtschaftspolitikdes Landes sein.