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06.06.07
12:04 Uhr
B 90/Grüne

Monika Heinold zu Kindertagesstätten

PRESSEDIENST Fraktion im Landtag Schleswig-Holstein Es gilt das gesprochene Wort! Pressesprecherin Claudia Jacob TOP 11 + 13 - Kindertagesstätten Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel Dazu sagt die Parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen: Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 Monika Heinold: Telefax: 0431/988-1501 Mobil: 0172/541 83 53 E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Internet: www.sh.gruene-fraktion.de

Nr. 245.07 / 06.06.2007

Herdprämie und Qualitätsabbau in der Kita: CDU und SPD auf dem Weg nach Vorgestern !
Mit ihrem Entwurf der Kindertagesstättenverordnung hatte sich die Landesregierung ei- nen deutlichen Qualitätsabbau in den Kindertagesstätten auf die Fahnen geschrieben. PISA schien wie weggeblasen. Es ging wieder einmal um den Abbau von pädagogischen Standards. Denn auch die geänderte Version der Kindertagesstättenverordnung, die ges- tern im Kabinett beschlossen wurde, macht nicht alles gut.
CDU und SPD, die bundesweit lautstark mehr Krippenplätze versprochen haben, haben festgestellt, dass dieses eine teure Angelegenheit ist. Deshalb will die Landesregierung mit der jetzt beschlossenen Verordnung zusätzliche Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren allein mit Bordmitteln schaffen. Die Kleinen sollen die Betreuung ihrer Alters- genossen mal eben mitfinanzieren. Kein Wunder, dass die Träger der Einrichtungen Sturm laufen und heute Morgen vor dem Landeshaus demonstrieren.
Die Anträge von FDP und Grünen fordern, dass die Landesregierung ihre neue Verord- nung schleunigst überarbeitet. Dieser massive Druck hat letztendlich dazu geführt, dass die Landesregierung ihr Vorhaben in einigen Details überdacht hat. Schön, aber nur ein Teilerfolg für die Kindertagesstätten. Die Qualität der Bildung, Betreuung und Erziehung von Kindern in Kindertageseinrichtungen muss gestärkt werden. Das erreicht die neue Kitaverordnung nicht.
Die durch das Kabinett beschlossene Verordnung führt in der Praxis dazu, dass in den altersgemischten Gruppen deutlich mehr Kinder unter drei Jahren betreut werden als bisher. Allerdings auf Kosten der Qualität. Wie ist pädagogisches Arbeiten in einer Grup- pe mit acht Kindern und drei und vier Kindern über drei Jahren wohl möglich? Vielen fi- nanziell gebeutelten Kommunen wird diese Flexibilität entgegen kommen.
1/3 Der Druck, Betreuungsplätze für unter Dreijährige zu schaffen, ist durch das Tages- beutreuungsausbaugesetz und die aktuelle familienpolitische Debatte enorm gewachsen.
Wir müssen also davon ausgehen, dass die Kommunen jeden neuen Handlungsspiel- raum ausschöpfen, um Krippenplätze möglichst ohne Mehrkosten zu schaffen. In der Pressemitteilung vom 30. Mai kündigt der Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der kom- munalen Landesverbände Jörg Bülow dies bereits an. Das ist aus Sicht derjenigen Kommunen, die sich noch immer nicht vom Raubzug der Landesregierung erholt haben, verständlich.
Aus bildungspolitischer Sicht ist ein Abbau von Qualität in der Kindertagesstätte aber nicht hinnehmbar. Die Landesregierung handelt verantwortungslos, wenn sie mit ihrer Ki- taverordnung den Qualitätsabbau geradezu provoziert.
Mit dem neuen Kindertagesstättengesetz sind die Anforderungen an die ErzieherInnen enorm gestiegen. Die Umsetzung der Bildungsleitlinien in den Einrichtungen kostet Zeit, Kraft und Engagement. Zusätzliches Personal, zusätzliches Geld, mehr Vorbereitungs- oder Teamzeiten hat es dafür aber nicht gegeben. Dennoch geben sich viele Einrichtun- gen, viele ErzieherInnen, große Mühe, um den neuen Herausforderungen gerecht zu werden.
Wer die Kitas in ihrem Alltag besucht, der sieht, dass Bereitschaft, Motivation, Engage- ment und Kompetenz vorhanden sind. Aber die Einrichtungen sind am Limit des Mögli- chen angekommen. Ohne mehr Personal können sie schlicht nicht noch mehr leisten. In einer Gruppe mit vier Wickelkindern und zwölf weiteren lebhaften Rabauken und sind alle überfordert. Wie soll es gelingen, hier eine individuelle Förderung sicher zu stellen? Wie sollen hier naturwissenschaftliche Experimente durchgeführt werden oder gemeinsam gekocht werden? Von Bildung und Erziehung kann bei allem Engagement nicht mehr die Rede sein.
Das ist der Weg zurück in die reine Aufbewahrung der fünfziger Jahre. Der Anspruch, al- le Kinder optimal auf die Schule vorzubereiten, wird mit der neuen Verordnung unmöglich gemacht. Wer mehr Angebote für Kinder unter drei schaffen will, wer mehr Qualität und mehr Bildung will, der muss auch mehr Geld investieren. Deshalb haben wir ein Landes- programm „Clever starten“ mit einem Volumen von zehn Millionen Euro gefordert und gegenfinanziert. Geld, das direkt in die Kitas fließen sollte. Abgelehnt.
Auf Bundesebene haben wir Grüne gemeinsam mit der SPD mit dem Tagesbetreuungs- ausbaugesetzt zum ersten Mal Vorgaben für den Ausbau von Krippen gesetzlich festge- schrieben. Jetzt muss auf Bundesebene ein schlüssiges Konzept für die Finanzierung erarbeitet werden, an dem sich Bund, Länder und Kommunen beteiligen.
Die GRÜNE Bundestagsfraktion hat bislang als Einzige ein konkret umsetzbares Modell für eine Beteiligung des Bundes an den laufenden Kosten vorgelegt: ein Geldleistungs- gesetz in Form einer „Kitakarte“. Dieses Konzept wurde ein Jahr lang von der großen Koalition in Berlin ignoriert. Stattdessen pusten VertreterInnen unterschiedlicher politi- scher Couleur ähnliche Begriffe in die Presse. Was dahinter steckt, weiß keiner genau.
Nach dem monatelangen Medientanz um die beste Familienpolitik brauchen Familien in Deutschland endlich Klarheit und Verbindlichkeit. Die Länder und Kommunen müssen sich darauf verlassen können, dass sie zu guter Letzt nicht die teure Suppe von Super- nanny Ursula alleine auslöffeln müssen. Die Bundesfamilienministerin hilft Kindern und Familien wenig, wenn sie freundlich lächelnd von Talkshow zu Talkshow tourt und mun- ter Versprechungen macht. Wer viel verspricht, der muss auch sagen, wie er das Ver- sprochene umsetzen und bezahlen will. Genau das lässt Frau von der Leyen aber nach wie vor vermissen. Sie wird mit ihren Forderungen von der eigenen Partei im Regen ste- hen gelassen. Das ist Schönwetterpolitik ohne Hand und Fuß.
Den Höhepunkt setzte die Familienministerin mit der Akzeptanz der „Herdprämie“. Zu- künftig werden Familien finanziell belohnt, wenn sie ihre Kinder nicht in die Krippe geben. Wie leichtgewichtig muss frau sein, um sich von einer Minderheitenpartei eine erzkon- servative Krippenverhinderungsbelohnung aufoktroyieren zu lassen. Ein Modell, das Müt- ter vom Arbeitsmarkt fern hält, ist volkswirtschaftlicher Unsinn. Aus demographischer Sicht ist es unverantwortlich.
An die Kinder, welche oftmals in der Krippe große soziale Entwicklungssprünge machen, hat hier niemand gedacht.
Mit der Herdprämie schaffen CDU und SPD eine Situation, in der für Familien mit gerin- gem Einkommen der Wiedereinstieg ins Erwerbsleben zum Verlustgeschäft wird. Sie ver- lieren die Prämie und müssen zusätzlich hohe Krippenbeiträge bezahlen. In Schleswig- Holstein monatlich bis zu 236 Euro für fünf Stunden Betreuung, bis zu 381 Euro für acht Stunden Betreuung am Tag. Alternative: Eltern gehen arbeiten und lassen ihre Kinder unbetreut oder schlecht betreut bei einer Nachbarin. Wird auch das mit 150 Euro be- lohnt? Welch ein Unsinn, wie unverantwortlich.
Wir fordern, dass sich der Schleswig-Holsteinische Landtag gegen diese Herdprämie ausspricht. Die Länder dürfen der Bundesregierung ein solch verantwortungsloses Kon- zept nicht durchgehen lassen. Schleswig-Holstein muss laut und deutlich Nein sagen! Wer Kinder optimal fördern will, muss das Leben mit Kindern fördern und nicht die Ehe. Wer sich für Gerechtigkeit einsetzt, muss eine Kindergrundsicherung für alle Kinder ein- führen und aufhören, besser verdienende Familien über Steuerfreibeträge zu bevorzu- gen. Wer Bildung in den Kindertagesstätten stärken will, muss dafür ausreichend Mittel bereitstellen.
Meine Damen und Herren, lassen sie uns heute gemeinsam das Richtige tun: Sagen Sie Nein zum Qualitätsabbau und Nein zur Kindertagesstättenverordnung. Sagen Sie Nein zum Sprung zurück in die fünfziger Jahre und nein zur Herdprämie. Sagen Sie ja zu mehr Geld für mehr Bildung. Stimmen Sie unserem Grünen Antrag zu!

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