Navigation und Service des Schleswig-Holsteinischen Landtags

Springe direkt zu:

Diese Webseite verwendet ausschließlich für die Funktionen der Website zwingend erforderliche Cookies.

Datenschutzerklärung

Pressefilter

Zurücksetzen
21.02.07
12:07 Uhr
B 90/Grüne

Karl-Martin Hentschel zum Klimaschutz

Fraktion im Landtag PRESSEDIENST Schleswig-Holstein Pressesprecherin Es gilt das gesprochene Wort! Claudia Jacob Landeshaus TOP 20+21 – Klimaschutz in Schleswig-Holstein und Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel CO2-Einsparung in der Landesverwaltung Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 Dazu sagt der Vorsitzende Telefax: 0431/988-1501 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Mobil: 0172/541 83 53 Karl-Martin Hentschel: E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Internet: www.sh.gruene-fraktion.de

Nr. 078.07 / 21.02.2007 Schluss mit Grüner Tünche! Regierung muss handeln statt nur zu reden
Auf der Website http://flood.firetree.net findet man die Karte der Erde mit einem Schiebe- regler, mit dem man die Höhe des Meeresspiegels einstellen kann. Bei +1 Meter liegen bereits vier größere Landflächen der Erde unter dem Meeresspiegel: Bangladesh, das Nildelta, die Niederlande und das westliche Drittel von Schleswig-Holstein.
Die Bildzeitung zeigt eine untergehende Erde in voller Größe ihrer Titelseite. Ole von Beust erwägt ein Tempolimit. Herr von Boetticher will im Juni eine Klimaschutzkonferenz durchführen. Man hat fast den Eindruck, das Problem ist sogar bei der CDU angekom- men.
Wir brauchen keine neuen Warnungen mehr. Heute geht es darum, Hoffnung zu verbrei- ten, alle Kräfte zu mobilisieren und sich den Lösungen zuzuwenden. Vor drei Wochen haben 100 Energieexperten hier im Landtag auf unsere Einladung hin Lösungen disku- tiert. Ein Referent stellte vor, wie Europa komplett regenerativ versorgt werden kann bei ei- nem Endabnehmerpreis von 4,6 Cent pro kWh – also weniger als heute.
Es geht also nicht mehr um die Frage: Geht das? Ja, es geht. Wir brauchen weder Atom- Energie noch Kohlekraftwerke. Wind, Sonne, Wasserkraft, Geothermie und Biomasse haben genügend Energie um 1000 Europas zu versorgen.
Es geht auch nicht mehr um die Frage: Können wir das uns leisten? Sir Nicholas Stern, Ex-Chefökonom der Weltbank, hat der englischen Regierung vorgerechnet, dass ein e- nergisches Umsteuern nicht nur notwendig, sondern auch bezahlbar und sogar rentabel ist.
1/3 Es geht nur noch um die Frage: Wie schaffen wir es gegen die Beharrungskräfte der größten Konzerne der Erde – der Energiekonzerne, der Autokonzerne und der Mineralöl- konzerne – in den Parlamenten Mehrheiten für eine engagierte Klimapolitik zu organisie- ren?
Wir stellen heute den Antrag, der die Landesregierung auffordert, ein umfassendes Kon- zept für die Klimapolitik zu erarbeiten. Die Landesregierung wird mit Sicherheit heute verkünden: Das machen wir doch schon längst. Nein, meine Damen und Herren auf der Regierungsbank – Sie reden davon – auch das ist ein Fortschritt – aber Sie tun das Ge- genteil. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Hermann Scheer hat den Begriff „greenwas- hing“ geprägt – auf Deutsch würde man sagen: „Grüne Tünche“.
Denn was passiert tatsächlich? Die Landesregierung ist dabei, gigantische Investitionen in den Bau von Kohlkraftwerken voranzutreiben. Wenn das realisiert wird, dann kann man die Klimabilanz dieses Landes für die kommenden Jahrzehnte vergessen. Und dann kommt Minister Austermann mit der „grünen Tünche“ und redet von der „clean coal“-Technologie, der CO2-Sequestrierung. Sie wissen sehr wohl, Herr Minister, dass diese Technologie in relevanter Größenordnung in den kommenden 30 Jahren gar nicht zur Verfügung steht.
Herr Austermann, ich nehme Sie trotzdem ernst. Ich fordere Sie auf, unterstützen Sie kein Kohlekraftwerk, für das keine vollständige CO2-Sequestrierung sichergestellt ist!
Schleswig-Holstein ist führend in der Technologie von Windkraftanlagen. Aber der Ener- giekonzern E.ON blockiert den Bau von Stromleitungen, zu dem er gesetzlich verpflichtet ist. Die Betreiber des Repowering-Projekts in Fehmarn waren gezwungen, selbst eine Stromtrasse zu finanzieren. Und was tut Austermann? Fordert er E.ON auf, ihren Pflich- ten nach zu kommen?
Nein: Stattdessen lobt er bei der Einweihung des Windparks in Fehmarn die Selbsthilfe der Betreiber und preist dies als ein Zukunftsbeispiel. Herr Austermann, die gesamte Branche fühlt sich von Ihnen verraten. Kümmern Sie sich endlich darum, dass die E.ON ihre Pflicht tut!
Und dann preisen Sie die Atomkraft als Lösung. Dabei stammt weltweit nur 3,3 Prozent der genutzten Energie aus Atomkraftwerken. Wenn man diesen Anteil auch nur halten wollte, müsste man fast tausend neue Reaktoren bauen. Weltweit ist aber nicht mal ein Dutzend im Bau. Also ein absurdes Szenario, mit dem Sie den Menschen nur Sand in die Augen streuen.
Auf keinem Sektor wachsen die CO2-Emissionen so schnell wir im Verkehr. Aber von 1999 bis 2005 ist es in Schleswig-Holstein erstmals gelungen, dass der PKW-Verkehr um 6 Prozent abnahm, während der Personenverkehr mit der Bahn um fast 30 Prozent wuchs. Und nun behauptet der neue Umweltminister dieses Landes wieder besseres Wissen „ein Großteil der CO2-Belastung kommt aus Staus.“ Jede ExpertIn kann Ihnen sagen, welcher Unsinn das ist. Ein Großteil? Das Gegenteil gilt sogar. Ohne Staus wür- den mehr Pendler mit dem PKW statt mit der Bahn fahren und noch mehr CO2 aussto- ßen.
Herr Austermann, hören Sie auf, auf unsinnige Projekte zu setzen! Bauen Sie endlich die Schienenostumgehung um Hamburg, die wir in den Bundesverkehrswegeplan eingestellt haben, damit die Skandinavienverkehre endlich auf der Bahn um Hamburg herum nach Süden rollen. Machen Sie ernst mit der Verkehrswende!
Am Anfang dieser Woche unterzeichnete diese Regierung eine gemeinsame Erklärung mit der nordelbischen Kirche über Klimaschutz und Entwicklungszusammenarbeit. Toll! Aber gleichzeitig wurden im Haushalt 2007/2008 die Mittel für diesen Politikbereich auf ein Viertel zusammen gestrichen. Herr Ministerpräsident, auch das ist „Grüne Tünche“ – Symbolpolitik, die Sie ihr eigenes Handeln konterkarieren.
Oder nehmen wir die Diskussion über ein Geschwindigkeitslimit, das nach Auskunft von Experten erhebliche Einsparungen bringt, weil gerade die Energie fressenden Beschleu- nigungsvorgänge wegfallen. Auch hier erleben wir wieder mal die gewohnte Kakophonie dieser Landesregierung. Der Ministerpräsident sagt „Hüh“, Austermann sagt „Brrr“. Und der Umweltminister ruft letzte Woche mal wieder „A20“.
Und was den Küstenschutz angeht, das gleiche Spiel: Im 7-Jahresprogramm werden die Mittel reduziert – man will sich auf das Wichtige konzentrieren und nicht ständig Sand umschichten. Kaum kommt dann der erste Sturm, rast der Ministerpräsident an die Westküste und verspricht zweistellige Millionenbeträge für sein geliebtes Sylt.
Meine Damen und Herren, Deutschland soll bis 2020 40 Prozent und bis 2050 80 Pro- zent der CO2-Emissionen einsparen. Dieses Land wird dazu Milliarden investieren. Ich finde, das sollte so geschehen, dass Schleswig-Holstein optimal auf die Zukunft 2050 vorbereitet wird, dass die Wirtschaft an diesem Umbau Teil hat, dass nicht Investitionen finanziert werden, die sich in ein oder zwei Jahrzehnten als Fehlinvestitionen herausstel- len. Aber diese Regierung hat keinen Plan, leugnet die Realitäten und investiert in die Vergangenheit.
Deswegen fordern wir Sie auf, endlich ein Konzept zu erstellen, das eine koordinierte Querschnittspolitik für Klimaschutz formuliert. Sie können da gut an Planungen ihrer Vor- gängerregierung anknüpfen.
Wir brauchen Konzepte: Im Verkehr, in der Energiepolitik, in der Wohnungsbaupolitik, im Küstenschutz, im Tourismus, in der Steuerpolitik, in der Forschungs- und Technologie- förderung, in der Agrarpolitik, in der Forstpolitik, in der Umweltpolitik, in der Fischereipoli- tik, in der Gesundheitspolitik und auch bei der Umweltbildung. Michael Gorbatschow sag- te: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben!“ Hören Sie auf „Grün zu tünchen“. Be- ginnen Sie endlich Grün zu handeln: Die Zeit läuft, Herr Carstensen. ***