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15.12.06
11:06 Uhr
SSW

Lars Harms zu TOP 04 - Gesetz zur Ausführung des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe

Presseinformation
Kiel, den 15.12.2006 Es gilt das gesprochene Wort


Lars Harms
TOP 4 Gesetz zur Ausführung des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Kinder- u. Jugendhilfe Drs. 16/1114
In der Kinder- und Jugendhilfe hat sich in den letzten Jahren viel getan. Zum Wohle der Kinder
wurden Strukturen neu bedacht und geändert. Der vorliegende Gesetzentwurf soll ein weiterer
Meilenstein in dieser Entwicklung sein. Der SSW unterstützt grundsätzlich alle Bemühungen, die
die Situation für Kinder und Jugendliche zu verbessern. Gleichzeitig hat der SSW aber gegenüber
der Gleichstellung der Tagespflege und der Übertragung der Kinder- und Jugendhilfe auf
kreisangehörige Städte auch Bedenken.


Zum ersten Punkt: Der SSW möchte noch einmal mit aller Deutlichkeit zu Protokoll geben, dass
bei allem Engagement, Tagesmütter keine gleichwertige Alternative zu
Kindertageseinrichtungen sind. Wir schließen uns hier dem Votum der Gewerkschaft Erziehung
und Wissenschaft an. So wie die Qualifizierung derzeit aussieht, nämlich mit nur 120
theoretischen Ausbildungsstunden sowie 40 Stunden in der sozialpädagogischen Praxis, ist die
Tagespflege nicht mit der kontinuierlichen Weiterbildung in einer Kita zu vergleichen. Das sind
einfach zwei paar Schuhe. Es hieße ausgebildete Erzieherinnen abzuwerten, setzt man sie mit
Personen gleich, denen lediglich eine vierteljährliche Qualifikation abverlangt wird. Davon 2
abgesehen ist die soziale Absicherung vieler Tagesmütter ungeregelt, was ebenfalls nicht zur
professionellen Struktur in diesem Bereich beiträgt.


Der SSW sieht durchaus die Einsatzmöglichkeiten für Tagesmütter und weiß auch um ihre gute
Arbeit. Doch es hapert immer noch an einer systematischen Qualifizierung. In Koldenbüttel
haben wir schon vor langer Zeit beschlossen, den Spielkreis mit ausgebildeten Fachkräften zu
versehen. Nachdem sich diese Fachkräfte sehr gut bewährt haben, soll dort das Angebot nun
ausgebaut werden, in dem gerade diese ausgebildeten Fachkräfte auch ein
Tagesbetreuungsangebot unterbreiten können. Damit wird die Professionalität gewahrt und
gleichzeitig sind die entsprechenden Fachkräfte sozial abgesichert. Darüber hinaus kann die
Gemeinde mit ihrer Kinderspielstube aber auch einen Rahmen für die Tagesbetreuung zur
Verfügung stellen, der allemal besser ist, als das Wohnzimmer oder Spielzimmer in einer
Dreizimmer-Wohnung. So eine Abstimmung zwischen Angeboten und dringenden Bedürfnissen
ist meines Erachtens der richtige Weg, um kurzfristig auf den richtigen Weg zu kommen.


Dänemark macht es im Übrigen auch vor. Dort ist die Tagespflege voll in das Betreuungssystem
integriert, weil es dort für die Tagesmütter Begleitung, Qualifizierung und Professionalisierung
bis hin zu Vertretungsregelungen gibt. Das macht den entscheidenden Unterschied zu
Deutschland aus. Ohne diese Voraussetzungen können die Tagesmütter nicht mit den
Tageseinrichtungen gleichgesetzt werden. Die Ministerin kann Professionalisierung nicht
einfach mittels eines Spiegelstrichs im Gesetz erklären.


Professionalisierung kostet Geld. Die Jugendämter müssen in die Lage versetzt werden, die
Tagesmütter zu unterstützen und sie zu ständig auf dem neuesten Stand zu halten.
Dagegen möchte die Ministerin ohne weitere Investitionen eine formale Gleichstellung
erreichen. Das halte ich grundsätzlich für falsch!
Das Gesetz will vor allem bei den Kleinsten die Tagesmütter einsetzen. Da liegt der Verdacht
nahe, dass hier auf eine preiswerte Art und Weise das Angebot erweitert werden soll. Ich 3
bedaure, dass dieser Eindruck entsteht. Tagesbetreuungsangebot gehören nach unserer
Auffassung breit gereut und sie dürfen altersmäßig nicht so eingeschränkt werden, sondern
müssen alle kleinen Kinder, die Betreuung bedürfen, offen stehen.


Deshalb will der SSW keinesfalls die Arbeit von Tagesmüttern in Misskredit bringen, wie auch
mein Beispiel aus Koldenbüttel zeigt. Dennoch bleibt ein fader Nachgeschmack, wenn
Tagesmütter plötzlich über Nacht mit den Pädagoginnen in den Einrichtungen gleich gesetzt
werden.


Der zweite Kritikpunkt an dem Entwurf berührt die neu geschaffene Möglichkeit, dass zukünftig
auch große kreisangehörige Gemeinden ein eigenes Jugendamt einrichten können. Ich weiß
nicht, was der Innenminister dazu sagt, dass seine geplante kommunale Konzentration durch
diese Neuerung aufgeweicht wird. Andererseits will ich Initiativen, die sich vor Ort entwickeln,
nicht vorgreifen. Wenn es tatsächlich Städte gibt, die erst mit eigenem Jugendamt eine effektive
Struktur aufbauen können, soll das möglich sein. Obwohl ich skeptisch bin, ob das tatsächlich
der Fall sein wird. Allerdings gilt es dann auch zu hinterfragen, warum eine größere Stadt ein
Jugendamt einrichten kann und eine gleichgroße oder größere Amtsverwaltung ohne
Jugendamt auskommen muss. Hier scheint noch kein richtiges Konzept vorzuliegen. Und ein
solches Konzept wäre wichtiger als jeder Gesetzestext mit Öffnungsklauseln.


Ich bin gespannt auf eine spannende Diskussion.