Anke Spoorendonk zu TOP 3 - SSW stimmt dem Haushalt in der Schlussabstimmung zu, lehnt aber den Eingriff beim kommunalen Finanzausgleich und die Kürzung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes für Landesbedienstete ab
PresseinformationKiel, den 14.12.2006 Es gilt das gesprochene WortAnke SpoorendonkTOP 3 Entwurf eines Haushaltsstrukturgesetzes zum Haushaltsplan 2007/2008 16/1103Fast auf den Tag genau vor 20 Jahren erklärte der damalige SSW-Abgeordnete Karl Otto Meyer imPlenum des Schleswig-Holsteinischen Landtags, dass er bei der Schlussabstimmung erstmals demLandeshaushalt zustimmen werde. „Ich hätte gern hier in diesem Hohen Hause dasskandinavische Prinzip, wonach man um Änderungsanträge hart kämpft, zuletzt aber dochgeschlossen für den Haushalt stimmt, weil man ja einen Haushalt haben muss“, sagte er bei derabschließenden Haushaltsdebatte, fügte aber hinzu: „Dieses Prinzip dringt nicht durch, daswollen Sie nicht, also muss ich mir Jahr für Jahr überlegen, wie ich abstimme. Das bedeutet: Wennetwas Wesentliches angenommen und somit im Haushalt ist, muss ich die Verantwortung tragenund auch einmal ja sagen“. – Und genau so beurteilte er den Haushalt für das Jahr 1987. In derRegionalpolitik, der Wirtschaftspolitik sowie bei der Gleichberechtigung der Kulturen sei Wirtschaftspolitik gesellschaftspoliti man vorangekommen – trotz aller gesellschaftspolit ischen Unterschiede zwischen dem SSW Lan und der damals amtierenden Landesregierung.Nun kann man zu Recht einwenden, dass seit 1987 viel Wasser den Berg hinunter gelaufen ist unddass an dem alten Spruch von Groucho Marx: „Ich habe eiserne Prinzipien. Wenn Sie Ihnen nichtgefallen, habe ich auch noch andere“, sogar etwas dran sein könnte. Dennoch wird der SSW 2wieder einmal bei der Schlussabstimmung dem Landeshaushalt zustimmen. Wir tun dies, weil wirweiterhin davon überzeugt sind, dass es unsere parlamentarische Demokratie stärken würde,wenn in der politischen Auseinandersetzung um den Haushalt zum einen auch deutlich wird, dassRegierungs- und Oppositionsparteien sehr wohl aufeinander zugehen können. Zum anderenbrauchen wir meines Erachtens viel mehr Kontinuität in der Haushaltspolitik des Landes als es mitder in Deutschland gelebten politischen Kultur derzeit möglich ist. Wir brauchen unter anderemLeitlinien, die über eine Legislaturperiode hinaus wirksam sind. – Was nur funktionieren kann,wenn sich alle Fraktionen ihnen gegenüber verpflichtet fühlen. Entschließungsanträge, wie vonden Grünen eingebracht, helfen uns da nicht weiter. Schade, dass Sie – liebe Kolleginnen undKollegen von den Grünen – sich für diesen Weg entschieden haben. Ich habe nämlich noch im Ohr,wie wir früher gemeinsam solche Anträge – damals eingebracht von der CDU - kritisiert undabgelehnt haben.Daher sage ich für den SSW: Wir haben das Ziel, konkrete Änderungen am Landeshaushaltvorzunehmen – sei es durch eigene Anträge oder indem wir Maßnahmen unterstützen, diemit den politischen Vorstellungen des SSW übereinstimmen. Dabei identifizieren wir uns mitdem Gesellschaftsmodell der skandinavischen Länder. Zum Erfolg dieses Gesellschaftsmodellsgehört – und viele OECD-Statistiken belegen ja, dass wir es mit einem Erfolgsmodell zu tun haben– dass es einerseits von Gleichheit und sozialer Gerechtigkeit lebt, andererseits ein hohes Maß angesellschaftlicher Solidarität einfordert. Dass sich diese Werte auch in der politischen Kulturniederschlagen, sagt sich von selbst. In Klammern bemerkt hat das dänische Folketing auch indiesem Jahr den Haushalt des Landes mit einer ganz breiten Mehrheit in der Schlussabstimmungbeschlossen – also einschließlich der Sozialdemokraten, der größten Oppositionspartei.Für den SSW ergibt sich daher jedes Jahr nach der ersten Lesung des Haushaltes dieentscheidende Frage, ob die Landesregierung und die regierungstragenden Fraktionen bereit sind,zumindest in einigen Bereichen der Kritik der Opposition zu folgen und natürlich insbesondereden Forderungen des SSW entgegen zu kommen. 3„Der Aufschwung ist endlich da“ hieß es neulich in einer großen deutschen Sonntagszeitung. Undes stimmt ja: Die Arbeitslosenzahlen gehen merkbar zurück – bundesweit unter die 4 Millionen- Millionen-Marke -und das Wirtschaftswachstum ist viel höher als erwartet. Wobei ich immer noch derAnsicht bin, dass es hauptsächlich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind, die durchLohnzurückhaltung und Mehrarbeit die Ehre für diesen wirtschaftlichen Aufschwung haben.Schließlich liegen die Reallöhne in Deutschland unter dem Niveau von 1991, während sie beiunseren Nachbarn und Konkurrenten in der gleichen Zeit stark angestiegen sind.Auch Schleswig-Holstein profitiert von dieser Entwicklung, die sich bis in den Norden des Landeshin bemerkbar gemacht hat. Der Ministerpräsident wies letzte Woche in Flensburg auf einer IHK-Konferenz zur deutsch-dänischen Zusammenarbeit darauf hin, dass der ArbeitsamtbezirkFlensburg mit einem Rückgang von über 20% bei den Arbeitslosenzahlen im Vergleich zumVorjahr in Schleswig-Holstein an der Spitze liegt. Gleichzeitig machte Peter Harry Carstensendarauf aufmerksam, dass sich die Anzahl der Grenzpendler – insbesondere der Deutschen, die inDänemark arbeiten –in diesem Jahr von 3.000 auf 7.000 erhöht hat.Soll heißen, dass der erfreuliche Rückgang der Arbeitslosigkeit in der Region um Flensburg zueinem großen Teil auf den Boom in Dänemark zurückzuführen ist. Den Menschen, die eineBeschäftigung in Dänemark gefunden haben, ist dies natürlich egal.Für uns als verantwortliche Politiker ist es aber sehr entscheidend, dass auch auf derdeutschen Seite deutschen Seit e der Grenze die wirtschaftliche Entwicklung in Gang kommt . Denn es ist ja kommtnicht alles Gold, was glänzt. Das erkennt man, wenn man sich zum Beispiel wieder die neuestenDiskussionen über die Zukunft des Motorola-Werkes in Flensburg vor Augen führt. Deshalb bin ichdem Ministerpräsidenten auch dankbar dafür, dass er in seiner Rede feststellte, dass Schleswig-Holstein seine Arbeitslosigkeit nicht nach Dänemark exportieren darf. Vielmehr müssen wir uns 4im Norden selbst unsere wirtschaftlichen Perspektiven erarbeiten – natürlich in engerZusammenarbeit mit unserem Partner in der Region Syd-Danmark.Diese Erkenntnis der Landesregierung spiegelt sich unserer Meinung nach auch in den fünfvorgeschlagenen Leuchtturmprojekten zur deutsch-dänischen Zusammenarbeit wider. Wir sehendiese Projekte als ersten Schritt, endlich auch eine nachhaltige Entwicklung in dergrenzüberschreitenden Zusammenarbeit hinzubekommen. Die Leitprojekte geben gute Ansätzeher, um ein Zusammenwachsen der Hochschulen sowie der Wirtschafts- und Verkehrsräume zufördern. Dazu gehören zum Beispiel auch die Investitionen in die Erweiterung und Sanierung derBahnstrecken Niebüll-Dagebüll und Niebüll-Tønder, was der SSW schon seit Jahren gefordert hat. Kooperationsmöglichkeiten Schleswig- Kiel hat lange geschlafen, wenn es um Kooperationsmöglichkeiten in der Region Schleswig -Sønderjylland ging. Diese Landesregierung scheint aber endlich verstanden zu haben, dass dieZukunft des nördlichen Landesteils entscheidend von einer besseren grenzüberschreitendenEntwicklung abhängt. Wir hoffen, dass das Land jetzt auch insgesamt eine aktivere Rolle in dergrenzüberschreitenden Zusammenarbeit spielen wird. Der für nächstes Jahr angekündigteKooperationsvertrag mit der Region Syddanmark deutet zumindest darauf hin, dass diesgeschehen wird.Und wir erwarten, dass dieses nur der Anfang einer neuen Ära in der deutsch-dänischenZusammenarbeit ist. Zukünftig wird sich die Landesregierung auch in anderen Bereichen, wie derKulturpolitik, stärker einbringen müssen. Mit der Erhöhung der Zuschüsse für Folk Baltica – zurfinanziellen Absicherung des Festivals, das ja eines der kulturellen Leuchttürme des Grenzlandesist, haben die regierungstragenden Fraktionen ein weiteres, positives Zeichen gesetzt.Vor einem Jahr noch war der SSW sehr skeptisch, ob die Große Koalition überhaupt gewillt war,auf die Forderungen des SSW für den nördlichen Landesteil einzugehen. Unsere erstenErfahrungen mit der neuen Landesregierung waren ja nicht gerade positiv - als Stichworte seien 5u.a genannt: Ausbau des Husumer Hafens, Phänomenta oder auch die geplante Fusion derUniversitäten Flensburg und Kiel. Aber seit her kann man, glaube ich, zu Recht frei nach Galilei seither man,sagen: „Und sie bewegt sich doch“.Damit meine ich, dass sich die Landesregierung in diesem Herbst in einigen Bereichen, die demSSW besonders am Herzen liegen, in die richtige Richtung bewegt hat. Das gilt neben dergrenzüberschreitenden Zusammenarbeit zum Beispiel für die Förderung des ländlichen Raumes.Es gilt auch für den Küstenschutz, so dass das berechtigte Interesse der Menschen an derWestküste für einen sicheren Küstenschutz weiterhin gewahrt bleibt. Dass es durch einenÄnderungsantrag von CDU und SPD zu einer weiteren Aufstockung beim Küstenschutzgekommen ist, leider zu Lasten der Dorferneuerung, nehmen wir zur Kenntnis.Insgesamt ist die Landesregierung mit diesen Maßnahmen ihrer Verantwortung für die ländlichenRäume und für den nördlichen Landesteil zumindest mehr gerecht geworden, als es sich in derersten Lesung des Haushaltes noch abzeichnete. Und das ist ja heute der Maßstab, an dem wirden Haushalt 2007/2008 bewerten werden. Auch bei der Frauenförderung hat sich dieLandesregierung bewegt. Denn zum einen bekommen die Frauenberatungsstellen in dennächsten beiden Jahren mehr Mittel als ursprünglich geplant und zum anderen ist dieFinanzierung der Beratungsstellen „Frau und Beruf“ durch EU-Mittel gesichert worden. Genau wiebei der Rücknahme der Kürzungen bei den Alphabetisierung-Mitteln sind CDU und SPD also hierdem SSW entgegen gekommen.Insbesondere ist dem SSW aber wichtig, dass die Landesregierung trotz der großen finanziellenProbleme des Landes an der finanziellen Gleichstellung der Schulen der dänischen Minderheit abdem Jahr 2008 festhält. Dafür hat der SSW schließlich jahrelang gekämpft. Der SSW begrüßtweiter, dass die Landesregierung im Haushalt keine Kürzungen bei den Organisationen dernationalen Minderheiten vorgenommen hat. Wir wissen also zu würdigen, dass derMinderheitenbereich einer der wenigen Bereiche ist, der nicht von Einsparungen betroffen ist. 6Hinzu kommt, dass uns CDU und SPD bei der Finanzierung eines Bücherbusses und bei derErhöhung der Zuschüsse für das Nordfriisk Instituut entgegenkommen sind. Wir sehen dies als Regierungskoalition Ausdruck dafür, dass sich auch diese Regierungskoalition zur Bedeutung unserergemeinsamen Minderheitenpolitik bekennt. Begrüßenswert ist daher auch, dass sichSchleswig-Holstein und Sachsen – leider vergeblich – darum bemühten, die europäischeDimension der Minderheitenpolitik im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft zuthematisieren. Es freut uns, dass die Landesregierung stattdessen im nächsten Frühjahr eineVeranstaltung zum Thema Minderheiten in Brüssel initiieren wird.Trotz der Mehrwertsteuererhöhung scheint sich der wirtschaftliche Aufschwung auch imnächsten Jahr fortzusetzen. Auch auf Schleswig-Holstein bezogen gehen die Experten von einemweiteren Rückgang der Arbeitslosigkeit aus. Nach Angaben des Chefs der Regionaldirektion Nord,Jürgen Goecke, rechnet man für Oktober 2007 mit weniger als 110.000 Arbeitslosen, dasentspricht in etwa einer Quote von 8% Wenn man bedenkt, dass allein bedingt durch den 8%.diesjährigen Aufschwung die letzte Steuerschätzung zu Mehreinnahmen für das Land in Höhe vonmehreren Hundertmillionen geführt hat, dann sieht man, wie wichtig der Rückgang derArbeitslosigkeit auch für die Sanierung des Landeshaushaltes ist.Durch die geführte Haushaltskonsolidierung sind die öffentlichen Investitionen weiterhin aufeinem rekordverdächtigen Niedrigwert. So planen wir im Haushalt mit einer Investitionsquotevon knapp 9,4% für 2007 und 8,6% in 2008, und damit liegen die Investitionen leider immer noch 9,4weit unter der öffentlichen Neuverschuldung, was den Haushalt zum wiederholten Maleverfassungswidrig macht. Die geplanten Investitionsausgaben liegen zwischen 780 Mio. € und720 Mio. € während die Nettokreditaufnahme ca. 1 ,1 Mia. € für 2007 und ca. 1.2 Mia. € für 2008 €,beträgt.Andere Eckwerte des Haushaltes 2007/2008 sind allerdings schon ein Schritt in die richtigeRichtung. So steigen die Personalausgaben trotz der Kürzungen der Sonderzahlungen etwas an. 7Allerdings sinkt die Personalausgabenquote von 38% in 2006 auf 37% in 2008. Auch dieKreditfinanzierungsquote sinkt von 19% in 2006 auf ca. 14% in 2008. Dennoch bleib sie auf einemsehr hohen Niveau, und die Zinsausgaben des Landes steigen daher auf über 12% in Verhältnis zuden Nettoausgaben.Vor diesem Hintergrund plädiert SSW dafür, dass wir nicht durch eine zu restriktive Finanzpolitikdie Konjunktur wieder abwürgen. Der von der Landesregierung aufgelegte Schleswig -Holstein Schleswig-HolsteiFonds und das Nachfolgeprogramm „Zukunftsprogramm Wirtschaft“ setzen zwar positive ZukunftsprogrammInvestitionseffekte in Gang, aber in anderen Bereichen könnte man finanzpolitisch offensiveragieren.Zwar kann man verstehen, dass Finanzminister Wiegard die gesamten zusätzlichenSteuereinnahmen zur Senkung der Nettoneukreditaufnahme verwenden will. Das ist sein Job alsFinanzminister. Allerdings wundere ich mich dann doch darüber, wie der gleiche Finanzministereine weitere Senkung der Unternehmenssteuern befürworten kann, die doch auch dazu führenwird, dass sich eine erneute Deckungslücke im Landeshaushalt auftut. Die Erfahrungen mit derletzten Steuerreform, die den öffentlichen Haushalten fast 50 Mrd. € Einnahmen jährlichgekostet haben, sollten eigentlich Warnung genug sein.Der SSW appelliert daher nochmals an CDU und SPD die beiden härtesten Entscheidungen indiesem Doppelthaushalt zu überdenken – nämlich die Kürzung im kommunalenFinanzausgleich und die Streichung der Sonderzahlung an die Landesbediensteten. Durch die StreichungSteuermehreinnahmen ist es aus unserer Sicht finanzpolitisch zu vertreten, den Betroffenen indiesen Fragen entgegen zu kommen. Dies hätte auch einen positiven Einfluss auf die schleswig-holsteinische Binnenkonjunktur, da die zusätzlichen Mittel für die kommunalen Haushalte undauch das Weihnachtsgeld der Beamten direkt in den Konsum gehen und somit für zusätzlicheUnterstützung des wirtschaftlichen Aufschwungs sorgen würden. 8Ich will die Argumente hier nicht noch mal breit treten. Nur soviel: Der Eingriff in denkommunalen Finanzausgleich von jeweils 120 Millionen Euro ist aus Sicht des SSW weiterhinnicht zu gerechtfertigen. Aus unserer Sicht hätte man erst über Aufgabenkritik,Aufgabenreduzierung und Kompensationen mit den Kommunen verhandeln müssen, um danneine Reduzierung des kommunalen Finanzausgleiches zu vereinbaren. Aber so sollte es nicht seinund wir bleiben deshalb dabei: So kann man nicht miteinander umgehen und ich glaube, dassdieser Beschluss das Vertrauensverhältnis zwischen der Landesregierung und den Kommunennachhaltig schädigt. Auch für die wichtigen Verwaltungsstrukturreformen ist dies kein gutesOmen.Das gleiche gilt für die Streichung des Weihnachts- und Urlaubsgeldes in Höhe von ca. 100Millionen Euro bei den Beamten. Ich habe es schon öfters gesagt: Eine moderne undzukunftsweisende Personalpolitik sieht anders aus. Man muss sich also die Frage stellen, wie dieLandesregierung in Zukunft noch ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter motivieren will. Der SSW beiden kann also diese beiden Maßnahmen nicht unterstützen. Er wird in der Einzelabstimmungdagegen stimmen und die entsprechenden Vorschläge von FDP und Bündnis 90/Die Grünenunterstützen.Dazu werden wir auch den Antrag von Bündnis90/Die Grünen unterstützen, der vorsieht, dasssich die Eltern nicht mit 30% an den Kosten der Schülerbeförderung beteiligen sollen. DieserVorschlag, der insbesondere die Kreise finanziell entlasten soll, benachteiligt die Familien aus demländlichen Raum, die auf die Beförderung ihrer Kinder angewiesen sind. Der SSW vertritt dieAuffassung, dass diese Schülerbeförderung weiterhin eine öffentliche Aufgabe ist und dass dieEltern nicht über Gebühr finanziell belastet werden dürfen.Trotz des wirtschaftlichen Aufschwungs hören wir bereits heute, dass Teile der Industrie und desHandwerks - besonders auch im deutsch-dänischen Grenzgebiet - darüber klagen, dass sie nichtmehr genügend Facharbeiter bekommen können. Es droht ein Facharbeitermangel in Deutschland 9und das bei knapp 4 Millionen Arbeitslosen und sehr vielen Langzeitarbeitslosen. Die Kehrseiteder aktuellen Entwicklung ist also, dass sich wirtschaftlicher Aufschwung und Massenarmutsowie berufliche Perspektivlosigkeit nicht ausschließen. Das darf man trotz aller Freude über dieguten Wirtschaftsdaten nicht vergessen.Denn auch die Einkommensschere driftet immer weiter auseinander. Das Kaufkraftpotential derabhängig Beschäftigten, ist gemessen an der Nettolohnquote nur noch 41.2% des privatverfügbaren Volkseinkommens und damit auf dem niedrigsten Stand seit 1960. Es gibt alsoimmer mehr Kinder, deren Eltern sich von Hartz IV oder 1-Euro-Jobs ernähren müssen.Der DGB Bezirk Nord verweist in seiner Stellungnahme zum Bericht der Landesregierung über die1-Euro-Jobs in Schleswig-Holstein auf die vielfältige Problematik, die sich durch diese Art vonBeschäftigung ergibt und auch auf die fehlenden Eingliederungsperspektiven bei diesen Jobs.Aus Sicht des SSW ist der große Anstieg von 1-Euro-Jobs eine fatale Entwicklung. Wir brauchendeshalb unbedingt einen Mindestlohn in Deutschland, der mindestens bei 7,50 € pro Stundeliegen sollte. Aber das ist nur die finanzielle Seite – viel schlimmer ist das fehlende odermangelhafte Ausbildungs- und Weiterbildungsniveau vieler von Arbeitslosigkeit betroffenerBürgerinnen und Bürger.Leider gibt es auch in Schleswig-Holstein zu viele Menschen, die sich schon selbst aufgegebenhaben. So gibt es nach Angaben der Arbeitsagentur mindestens 15.000 Arbeitslose, die zwarerwerbsfähig, aber - wie es so schön heißt - nicht marktfähig, also nicht oder schwer vermittelbarsind. Auch die Quote der Langzeitarbeitslosen ist immer noch erschreckend hoch. Dahinterverbirgt sich viel zu oft, dass wir es mit Arbeitslosen ohne Qualifikationen zu tun haben. Systemproblem Die viel zu hohe Quote der Langzeitarbeitslosen ist aus Sicht des SSW ein Systemproblemund damit gesellschaftspolitisch betrachtet nicht hinnehmbar. Nach jeder Konjunkturkrise in gesellschaftspolitisch hinnehmbar.den letzten 30 Jahren ist die Sockelarbeitslosigkeit weiter angestiegen und keiner hat sich 10ernsthaft um diese Menschen gekümmert. Es ist zwar löblich, dass sich Arbeitsminister Döring imnächsten Jahr mit dieser Problematik beschäftigen wird, aber der SSW vermisst weiterhin dengroßen Wurf und eine gemeinsame Anstrengung aller gesellschaftlichen Gruppen. Auch dieArbeitgeber müssen sich bewegen. Sie können nicht andauernd nach dem Staat rufen und selbstdie Aus- und Weiterbildung vernachlässigen. Am Ende sieht man, dass es die Wirtschaft selbsttrifft, wenn sie nicht genügend qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bekommt. Auchwenn der SSW natürlich die Bemühungen der schleswig-holsteinischen Wirtschaft begrüßt auchim diesem Jahr genügend Ausbildungsplätze für unserer Jugendlichen zur Verfügung zu stellen.Zwar wird es in Schleswig-Holstein in den nächsten Jahren viele EU-Programme geben, die sich anden Kriterien des Lissabon-Prozesses orientieren, es fehlen aber in diesem Zusammenhang derÜberblick und die Koordination zwischen den verschiedenen staatlichen undprivatwirtschaftlichen Stellen. Nur so werden wir für alle gesellschaftlichen Schichten eine breiteQualifizierungswirkung erzielen. Auch Hartz IV hat leider nicht die wirkliche Wende gebracht, weilsich die Ausgestaltung der Gesetze zuviel auf das Fordern und viel zu wenig auf das Fördernkonzentriert hat.Dabei ist es klar, dass wir bereits im Kindergarten und in der Schule die richtigen Weichen für diespätere berufliche Zukunft eines jeden Einzelnen stellen müssen. Erste Ansätze in die richtigeRichtung sind sicherlich im Entwurf des neuen Schulgesetzes vorhanden. Aber auch hier – wie invielen anderen Bereichen – kann sich die Große Koalition nur auf Kompromisse in Miniformateinigen. Die geplante Einführung der Regionalschule – also die Zusammenlegung von Haupt - Haupt- Fleisch. und Realschule - ist somit weder Fisch noch Fleisch.Doch während die einen verzweifelt an den gegliederten Schulen festhalten, obwohl alleinternationale Experten darauf verweisen, dass dieses Modell ein Auslaufmodell ist, wollen dieanderen – zurecht wie ich meine – eine Schulreform aus einen Guss – also eine flächendeckendeEinführung der Gemeinschaftsschule. Dabei bleibt aus Sicht des SSW vor allem bedenklich, dass 11man das Gymnasium nicht in die Gemeinschaftsschulen oder Regionalschulen einbeziehen will.So zementieren wir weiterhin die Spaltung der Gesellschaft ab der 4. Klasse.Weder Fisch noch Fleisch ist auch die Hochschulpolitik der Landesregierung – auf jeden Fall wasden geplanten Universitätsrat und die eingeschränkte Hochschulautonomie angeht. Dennochbegrüßt der SSW, dass sich die SPD in der Frage der Studiengebühren durchgesetzt hat. Die StudiengebührenEinführung von Studiengebühren löst nicht die Finanzierungsprobleme der Universitäten undFachhochschulen, verkürzt kein Studium, schreckt aber dafür Studierwillige ab. Dies gilt auch fürdie angeblich sozialverträglichen Modelle der CDU. Bildung muss weiterhin ein kostenloses Gutbleiben, um die soziale Gerechtigkeit zu wahren und um den Wirtschaftsstandort zu stärken.Die Ablehnung der Studiengebühren kann sogar die Attraktivität der Hochschulen in Schleswig-Holstein verbessern, wie auch der Anstieg der Bewerbungen für das Frühjahrssemester bereitszeigt. Wir müssen uns vor Augen halten, dass wir in Zukunft in Schleswig-Holstein mehrHochschulabsolventen brauchen, wenn wir die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft stärkenund die Herausforderungen der Globalisierung wirklich annehmen wollen.Sowohl das neue Schulgesetz als auch das neue Hochschulgesetz werden Anfang nächsten Jahresentschieden, und wir werden sicherlich in beiden Fällen noch intensive Diskussionen undhoffentlich auch noch einige inhaltliche Änderungen bekommen, die diese Gesetze nochverbessern. Für die Entscheidung über den Haushalt 2007/2008 spielt dies allerdings nur einenach geordnete Rolle, da beide Gesetze erst später ihre Wirkung entfalten werden.Im Umweltbereich begrüßen wir, dass CDU und SPD unsere Forderung nach einer Fortsetzung derfinanziellen Unterstützung für das Freiwillige Ökologische Jahr auch nach 2008 mit diesemHaushalt sicherstellen. Ohne diese Zuschüsse wären Streichungen von FÖJ-Stellen und massiveQualitätseinbrüche nach Angaben der Trägergemeinschaft in 2009 unvermeidbar. Angesichts der 12großen Bedeutung des FÖJ für den Nationalpark ist es daher wichtig, dass die Förderung auch für2009 sichergestellt ist.Ein anderer Punkt im Umwelthaushalt gefällt uns dagegen nicht. Der SSW kann die erneuteSenkung der Zweckbindung bei den Einnahmen aus der Grundwasserentnahmeabgabe auf 50%nicht mittragen und wird in der Einzelabstimmung auch in dieser Frage dagegen stimmen. Wirwaren schon im letzten Jahr dagegen, dass diese Zweckbindung auf 65 % gesenkt wurde. Eineweitere Senkung bedeutet quasi, dass man gar nicht mehr von einer Abgabe sprechen kann,sondern eher von einer Steuererhöhung. Eine Steuererhöhung kann zwar richtig sein, dann sollteman es aber nicht über die Senkung der Zweckbindung von Abgaben machen.Ich habe das Abstimmungsverhalten des SSW in dieser Rede schon mehrfach erläutert. Auch wiewir zu einigen Einzelvorschlägen von FDP und Bündnis90/Die Grünen stehen, habe ich deutlichgemacht. Dennoch muss ich sagen, dass mich die übergeordnete Zielrichtung ihrerÄnderungsanträge doch ein wenig enttäuscht hat. Während die FDP höheren Steuereinnahmenund niedrigeren Sozialhilfekosten ihre Gaben verteilt, wollen Bundnis90/Die Grünen eine nochrestriktivere Finanzpolitik führen als es schon ohnehin die Landesregierung plant. DieseSparüberbietungspolitik kann der SSW nicht mittragen. Wir wundern uns auch ein bisschendarüber, dass der finanzpolitische Realitätssinn der Grünen, den wir immer geschätzt haben,irgendwie auf der Strecke geblieben ist.Wir sagen: Das Land braucht einen Haushalt, damit sich die Räder der Lokomotive„Schleswig- „Schleswig -Holstein“ auch in den nächsten beiden Jahren drehen können. Über den Kurs der können.Lokführer von CDU und SPD werden wir uns weiterhin trefflich mit ihnen streiten. Wir werdenaber in der Schlussabstimmung dem Haushalt zustimmen, denn wir wollen, dass unserergemeinsamen Lokomotive ordentlich eingeheizt wird.