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14.12.06
11:15 Uhr
B 90/Grüne

Karl-Martin Hentschel zum Haushalt 2007/2008

PRESSEDIENST Fraktion im Landtag Schleswig-Holstein Pressesprecherin Es gilt das gesprochene Wort! Claudia Jacob Landeshaus TOP 3 – Haushalt 2007/2008 Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel
Dazu sagt der Vorsitzende Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Telefax: 0431/988-1501 Karl-Martin Hentschel: Mobil: 0172/541 83 53 E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Internet: www.sh.gruene-fraktion.de

Nr. 529.06 / 14.12.06

Mehr Bildung und Innovation - weniger Verwaltung und Subventionen
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren,
es gibt zwei zentrale Aussagen, mit denen diese Regierung durchs Land läuft und sich selbst lobt.
Erstens: Wir sind die brutalst möglichen Sparer. Zweitens: Wir sorgen für den Aufschwung der Wirtschaft.
Fangen wir mit der zweiten Aussage an: Ich erinnere mich noch gut daran, wie Bundeskanzler Schröder den kleinen Aufschwung im Jahre 1998 auf sein Konto buchte – und wie die CDU gelacht hat. Zu Recht.
Wer etwas von Wirtschaftspolitik versteht, weiß, dass die Änderung von Rahmenbedin- gungen Jahre braucht, um sich auszuwirken.
Rot-Grün hat in Schleswig-Holstein über viele Jahre mit einer langfristigen Strategie Zu- kunfts-Cluster wie erneuerbare Energien, Medizintechnik, Meerestechnik und Kommuni- kationstechnik gefördert, innovative kleine Firmen unterstützt und Technologiezentren gebaut. Das zahlt sich heute aus.
In Berlin wurde die Wirtschaft durch die größte Steuersenkung der Geschichte entlastet und damit Deutschland wieder zum Exportweltmeister gemacht.
Die Arbeitsmarktpolitik wurde umgebaut, was die Kohl-Regierung 20 Jahre vor sich her geschoben hat.
1/10 Wenn Politik überhaupt eine Wirkung hat, dann liegt diese darin, dass der Aufschwung nicht nur zu mehr Gewinnen der Betriebe, sondern auch zu mehr Arbeitsplätzen führt.
Wenn aber Peter Harry Carstensen im Land erzählt, er sei die Ursache des Aufschwungs – dann beweist das nur eines: Wie wenig er von Wirtschaft versteht.
Was ist denn neu an der Wirtschaftspolitik dieser Landesregierung?
Angeblich haben Sie die Bürokratie in der Umweltverwaltung beseitigt. Sie haben den Knickerlass aufgehoben und die Jagd auf Kormorane wieder erlaubt.
Bitte nennen Sie mir eine einzige UnternehmerIn, die behauptet, dadurch hätte ihre Fir- ma Kosten gespart oder neue Aufträge bekommen. Das glauben Sie doch wohl selber nicht.
Und nun haben Sie den Kommunen versprochen, das Mittelstandsförderungsgesetz abzuschaffen, um sie von Bürokratie zu entlasten.
Da reibt man sich verwundert die Augen. Unser Mittelstandsförderungsgesetz wurde in der letzten Legislaturperiode von der CDU in den Landtag eingebracht. Die damalige wirtschaftspolitische Sprecherin der CDU, Frau Strauß, hat es bei der Verabschiedung als „ein vorbildliches Mittelstandsförderungs- und Vergabegesetz“ gepriesen.
Und nun hat die gleiche CDU, auf deren Initiative vor drei Jahren dieses Gesetz verab- schiedet wurde, ihren KommunalpolitikerInnen versprochen, dieses Gesetz als Kompensation für die Kommunen wieder abzuschaffen.
Ich frage Sie: Was hat ein solches Herumfuhrwerken mit verlässlicher Wirtschaftspolitik zu tun?
Das ist nur Populismus gegenüber den eigenen Leuten zum Schaden des Landes.
Das gleiche gilt für Ihre Subventionspolitik. Sie haben mit diesem Haushalt das Füllhorn für Direktsubventionen wieder geöffnet. Das hat es seit den 70-er Jahren nicht mehr ge- geben, als Ministerpräsident Stoltenberg die höchsten Ausgabensteigerungen der Ge- schichte dieses Landes produzierte.
Wir haben deshalb – da bin ich mir mit den Kollegen mit der FDP einig – in unseren An- trägen diese Gießkannen-Subventionen um 92 Mio. zusammengestrichen.
Stattdessen wollen wir nur in einem Bereich drauflegen – nämlich bei der Förderung von neuen Technologien. Denn dort und nur dort macht eine Anschubfinanzierung Sinn. Dort werden die Arbeitsplätze der Zukunft geschaffen.

Meine Damen und Herren, zwei Drittel aller Subventionen in Schleswig-Holstein gehen immer noch in die Agrarpoli- tik. Das ist der größte Subventionstopf.
Ich kann mir gut vorstellen, was Sie dazu sagen: Das sind doch alles Gelder von der EU – da können wir ohnehin nichts machen.
2 Aber das ist falsch. Denn auch das EU-Geld ist Geld der SteuerzahlerInnen. Deutschland ist der größte Nettozahler in der EU.
Und es ist auch falsch, weil der kluge EU-Kommissar Fischler auf Initiative von England und Österreich die Richtlinien für die Agrarpolitik geändert hat. Ab 2007 können diese EU-Gelder durch die Nutzung der so genannten fakultativen Modulation für eine nationa- le Umwelt- und Agrarpolitik ohne Ko-Finanzierung eingesetzt werden.
Aber genau diesen Politikwechsel haben die Agrarminister in Deutschland verhindert, und damit Millionenbeträge für eine integrierte Umwelt- und Agrarpolitik verschenkt.
Stattdessen benutzt diese Regierung den Umwelthaushalt als Steinbruch, obwohl das nichts bringt, denn Umwelt ist ohne die Agrarpolitik einer der kleinsten Posten im Haus- halt.
Sie vergeben auch die Chancen, die eine Umstellung auf ökologischen Landbau bringt, indem sie die Umstellungsprämie gestrichen haben. Ausgerechnet für die Branche, die entgegen dem Trend zweistellige Wachstumsraten zu verzeichnen hat.
Dafür stehen in unseren Supermärkten reihenweise Ökoprodukte aus Dänemark, Öster- reich, Polen und Süddeutschland. So lassen sie den ländlichen Raum mittelfristig im Re- gen stehen.
Das ist keine nachhaltige Politik – das ist bornierte Kurzsichtigkeit.

Meine Damen und Herren, der zweitgrößte Subventionstopf nach der Landwirtschaft ist der Straßenbau. Der Stra- ßenzustandsbericht hat deutlich gemacht, in welch schlechtem Zustand unsere Straßen sind.
Wir schlagen Änderungsanträge vor, die eine Umschichtung vom Straßenneubau in die Sanierung der Straßen bedeuten. Denn welchen Sinn macht es, immer neue Straßen zu bauen, während unsere alten Straßen verrotten.
Ich kann Ihnen heute schon prophezeien, dass die Träumereien von Herrn Austermann, der Bund werde das alles bezahlen, sich spätestens am Aschermittwoch als das erwei- sen werden, was sie sowieso waren: Die Träume eines Hasardeurs, der seit Amtsantritt mit nichts anderem beschäftigt ist, als Luftschlösser zu bauen und die Hochschulen, die Denkfabriken unseres Landes, zu chaotisieren.

Meine Damen und Herren, nun komme ich zu der zweiten großen Lieblingsstory von Ministerpräsident Carstensen: Dem brutalst möglichen Schuldenabbau.
Wenn man sich heute das Wahlprogramm der Union von 2005 anschaut, dann hätte es den Titel haben müssen: Märchen, Mythen, Mogeleien!
Ich habe mal eine Hit-Liste von Peter-Harrys Versprechen angelegt. Hier die Top Ten:
1. Versprechen: „Wir wollen zehn Jahre lang Jahr für Jahr die Ausgabenseite um über 50 Mio. Euro absenken.“ – tatsächlich gibt diese Regierung jedes Jahr 100 Mio. mehr aus. 3 2. Versprechen: „Ständige Sonderopfer der Beamten bei der Besoldung lehnen wir ab.“ – Kommentar überflüssig
3. Versprechen: „Ungerechtfertigte erhebliche Finanzentzüge des Landes (bei den Kommunen) wie bisher wird es mit der CDU nicht geben.“ – tatsächlich kürzt diese Re- gierung bei den Kommunen dreimal soviel wie Rot-Grün.
4. Versprechen: „Eine von oben diktierte Gebietsreform wird es mit der CDU nicht geben“ – Kommentar überflüssig.
5. Versprechen: „Wir werden in dieser Legislaturperiode 2600 Stellen abbauen“ sagte Herr Wiegard – nun, was hindert sie daran? Bislang haben sie bis 2008 gerade 70 Stel- len jährlich abgebaut – das Tempo unter Rot-Grün war im Durchschnitt mehr als dreimal so hoch.
6. Versprechen: „Schleswig-Holstein soll das Familienland Nr. 1 werden.“ – tatsächlich haben Sie das von uns durchgesetzte Sonderprogramm für Kindertagesstätten wieder gekippt. Und die Eltern sollen in Zukunft 30 Prozent der Schülerbeförderung bezahlen.
Man kann die Familien nur warnen: Immer wenn diese Regierung das Lied vom kinder- und familienfreundlichen Schleswig-Holstein anstimmt, greift sie den Familien noch tiefer in die Tasche.
7. Versprechen: „Wir schaffen 1000 neue Lehrerstellen.“ – tatsächlich ist davon keine Rede mehr. Wundern Sie sich etwa, dass ihnen die Wut selbst von denen entgegen- schallt, die sie am treuesten unterstützt haben?
8. Versprechen: „Wir werden die Neuwaldbildung auf landwirtschaftlichen Flächen ver- stärkt fördern.“ – das Gegenteil ist der Fall, das Geld für Neuwaldbildung aus der Grund- wasserabgabe haben sie gestrichen und der Wald wird stückweise verscherbelt. Den Komplettverkauf konnten wir nur durch eine Volksinitiative stoppen.
9. Versprechen: „Mit dem Turn-Around Fonds soll die politische Kehrtwende in Schles- wig-Holstein eingeleitet … werden. Er soll mit jährlich 200 Millionen Euro aus Haushalts- mitteln finanziert werden, die durch Umschichtungen frei gesetzt worden sind.“ – tatsäch- lich fährt nun die schwarze Troika Carstensen, Austermann und Wiegard im Land herum, und verteilt Geschenke aus dem Schleswig-Holstein-Fond, die zu 100 Prozent kreditfi- nanziert sind.
10. Zum Schluss noch dieses schöne Zitat: „Es ist schon armselig, wenn Heide Simonis wieder einmal nichts anderes einfällt, als die von Rot-Grün ruinierten Staatsfinanzen durch Steuererhöhungen zu retten.“ – tja – so einfach war die Welt. Und nun basiert die gesamte mittelfristige Finanzplanung auf erhofften Steuermehreinnahmen und auf Steu- ererhöhungen ihrer KollegInnen in Berlin.
Meine Damen und Herren, das waren die Top Ten der Haushaltsversprechen des Ministerpräsidenten. Das fliegt Ih- nen jetzt um die Ohren.
Die Wirklichkeit an diesem so genannten Sparhaushalt ist ernüchternd: Bis auf die Kür- zungen beim Weihnachtsgeld und bei den Kommunen, die letztlich auf Kosten der Kitas und der Schülerbeförderung geht, hat die Landesregierung nichts zustande gebracht. 4 Keine Personaleinsparungen, keine Sachmittelreduzierung – aber dafür mehr Subventio- nen – das ist der neue Kurs des Schiffes Schleswig-Holstein.
Und an Bord der Schleswig-Holstein gibt Käpt`n Peter Harry Blaubär das Kommando. Er kommt kernig rüber, aber die Döntjes, die er erzählt, nimmt ihm inzwischen kaum einer mehr ab. Bleibt für Kenner der Geschichte eine Frage: Wer ist Hein Blöd?

Meine Damen und Herren, dieser Ministerpräsident bricht nicht nur alle Versprechen. Es wird auch immer deutlicher, dass diese große Koalition ohne Plan vor sich hinwerkelt.
Sie wollen das Schulsystem umbauen, das entscheidende Gebäude für die Zukunft un- seres Landes. Aber Sie haben keinen Bauplan.
Sie wollen die Hochschulen, die geistige Kaderschmiede dieses Landes grundlegend umbauen. Aber Sie haben keinen Plan.
Sie wollen das gesamte kommunale Gebäude, das diesen Staat trägt, umbauen, aber sie wissen nicht wie.
Sie legen neue Balken für das Polizeirecht vor – das Gebäude unserer Sicherheit. Fast alle Balken erweisen sich als morsch – nämlich verfassungswidrig.
Und als nächstes Projekt wollen Sie den größten Betrieb des Landes, die Universitätskli- nika, kurz mal verscherbeln, ohne erklären zu können, wie in Zukunft die Forschung, die Lehre und die Gesundheitsversorgung organisiert werden soll.
Egal welches dieser Vorhaben man anschaut, diese Koalition hat keinen Plan, sie wurschtelt sich von Kompromiss zu Kompromiss.
Die beiden Architekten dieser Koalition, die Parteivorsitzenden Möller und Carstensen haben für alle wichtigen Gebäude, die sie bauen wollen, unterschiedliche Baupläne. Der eine bevorzugt Mietshäuser mit Glasfassade, der andere traditionelles Fachwerk mit Reetdächern.
Wie lösen sie das? Die beiden Architekten treffen sich alle zwei Monate im Koalitions- ausschuss. Dort spielen sie Puzzle mit den Schnipseln ihrer Baupläne, indem sie jeweils mit Fingerhakeln ausmachen, wer legen darf.
Und was kommt dabei heraus? Das Ergebnis sind architektonische Besonderheiten mit abwechselnden Reihen von Reet und Ziegeln, durch deren Wände der Wind pfeift, durch deren Dächer der Regen tropft.
Und dann beschäftigen Sie viele von Bürokraten unter Führung von Schlie damit, Ratio- nalisierungspotenziale in undichten Wänden zu identifizieren.
Um das Ganze zu finanzieren, nehmen sie den künftigen MieterInnen, die man Kommu- nen nennt, das Geld weg, so dass diese anschließend weder Geld für die Einrichtung noch zum Heizen haben und am Schluss frierend in ihren leeren undichten Häusern ho- cken.

5 Meine Damen und Herren, wir legen Ihnen heute einen alternativen Haushalt vor. Ich bin stolz, dass wir es geschafft haben, die dringend notwendigen Zukunftsinvestitionen zu finanzieren, und trotzdem die Nettoausgaben um über 60 Mio. Euro zu senken.
Ich finde das ist auch bemerkenswert, weil ausgerechnet unsere Oppositionsfreunde von der FDP den unglaublichen Vorschlag machen, die Ausgaben um 300 Mio. Euro zu er- höhen. Typisch Kubicki!
Wir wissen, dass man nicht alle seine politischen Wünsche finanzieren kann. Wir kon- zentrieren uns auf wichtige Schwerpunkte, an denen dringend umgesteuert werden muss, damit unser Land zukunftsfähig wird! Um das zu finanzieren, führen wir die Sub- ventionen auf ein erträgliches Maß zurück.
Und wir haben etwas gemacht, was an sich selbstverständlich klingt: Wir haben die Sachhaushalte gedeckelt und die Personalhaushalte aller Ministerien mit einem modera- ten Minus von 1,5 Prozent versehen – natürlich die Bildung ausgenommen.
Es war schon ernüchternd für mich, zu sehen, dass die Landesregierung nicht mal das zu Stande gebracht hat.

Meine Damen und Herren, wer in die Zukunft investieren will, der muss in die Köpfe der Kinder investieren. Und alle Studien von TIMMS bis PISA haben uns bescheinigt, dass wir bei den Kleinen beginnen müssen.
Deswegen schlagen wir drei Punkte zur Stärkung des frühkindlichen Bereiches vor:
1. Wir wollen das letzte Kindergartenjahr kostenlos machen, wie Rheinland-Pfalz es uns vorgemacht hat.
2. Wir wollen den Kitas 10 Millionen Euro zweckgebunden geben, um den Bildungsauf- trag der Kindertagesstätten verbindlich umzusetzen.
Es ist eine völlige Illusion, Frau Ministerin, wenn sie glauben, man könne das größte Manko unseres Systems durch einen schlichten Erlass beseitigen, ohne einen Pfennig dazu zu zahlen.
3. Wir wollen das kostengünstige Konzept meiner Kollegin Heinold umsetzen und die verbindliche Vorsorgeuntersuchung für Zweijährige einführen. Es muss sichergestellt sein, dass zumindest einmal vor dem Kindergarten jemand sich die Kinder anschaut!
4. Unsere vierte Forderung im Bildungsbereich ist die Stärkung der Lehrerbildung. Die Große Koalition will das gesamte Schulsystem umbauen. Und alle LehrerInnen im Lande fragen mich auf jeder Veranstaltung: Wie soll das gehen. Wie soll ich unterschiedliche Kinder zusammen unterrichten? Dafür sind wir nicht ausgebildet.
Die Ministerin hat dafür pro Lehrer 10 Euro pro Jahr in den Haushalt gestellt. Frau Erd- siek-Rave, das muss ein Irrtum sein – oder es ist als Witz gemeint? Wir wollen diesen Betrag auf 3 Mio. Euro jährlich anheben.

6 Wer Milliarden für eine Brücke nach Dänemark ausgeben will, aber nicht bereit ist, ein Hundertstel davon für die notwendigsten Ausgaben für die Zukunft unserer Kinder einzu- setzen, der hat jeden Sinn für Relationen verloren.
Meine Damen und Herren, es gibt aber auch kleinere Positionen im Haushalt, die einen den Kopf schütteln lassen. Ein Beispiel dafür sind die Mittel für die Entwicklungsarbeit, also für die Vernetzung der aufopferungsvollen ehrenamtlichen Arbeit in Kirchengruppen, Dritte-Welt-Läden, Schulen und Jugendzentren.
Die Finanzierung dieser Arbeit durch die Länder basiert auf vier Beschlüssen der Minis- terpräsidentenkonferenz. Den Großteil der Finanzierung trägt in Schleswig-Holstein so- wieso die nordelbische Kirche. Das Land beteiligt sich mit 50.000 Euro und zwei halben Stellen, also etwa einem Hunderttausendstel des Landeshaushaltes.
Diese wurden nun komplett gestrichen. Aber für die Antiterrordatei des Innenministers war es kein Problem, kurzerhand zehn neue Stellen zu bewilligen – obwohl die Polizei bereits 1500 BeamtInnen in der Verwaltung hat.
Aus dem Koalitionsausschuss hört man, die Streichung der Entwicklungsarbeit sei ein persönliches Anliegen des christlichen Ministerpräsidenten gewesen, weil er diese Leute nicht leiden kann. Das sei nicht verhandelbar gewesen.
Deutlicher kann man nicht dokumentieren, welches Geistes Kind diese Regierung ist.
Ein zweites Beispiel: Frau Merkel lädt in Berlin ein zum Integrationsgipfel. Endlich hat die Union begriffen, dass wir ein Einwanderungsland sind – und dass die Ausgrenzung der Flüchtlinge und EinwanderInnen letztlich uns selber nur schadet. Das war an einem Sonntag.
Im Alltag in Schleswig-Holstein sieht das anders aus. Da wird die Struktur der Migrati- onssozialberatung gerade in den Zentren, wo die größte Nachfrage besteht, systema- tisch zerstört. Angeblich hat man ein neues Konzept – in Wirklichkeit sollen 900.000 Euro eingespart werden.
Angeblich wollen wir doch alle, dass sich diese Menschen integrieren, deutsch lernen, eine Ausbildung machen, hier arbeiten, sich vielleicht selbständig machen und zum Wohlstand unseres Landes beitragen. Das sind die Sonntagsreden. Aber heute ist Don- nerstag, und da ist die Welt eine andere.
So, Herr Minister, so saniert man keinen Haushalt. So schadet man der Zukunft unseres Landes.

Meine Damen und Herren, Wir haben nicht nur einen Alternativhaushalt vorgelegt, wir stellen auch eine strategische Resolution zur Abstimmung, denn wir brauchen ein Gesamtkonzept: Und dazu gehört erstens ein realistischer Plan zur Sanierung der Haushalte.
Und zweitens: Eine Strategie, die die Finanzierung der wichtigsten Zukunftsausgaben si- cherstellt.
Unser Plan zur Sanierung der Haushalte basiert auf vier Standbeinen: 7 1. Eine umfassende Verwaltungsreform von Land, Kreisen und Gemeinden. Sie soll nach unseren Berechnungen zirka 140 Mio. Euro jährlich bringen.
2. Eine Budgetierung der Personalkosten aller Ministerien. Sie sollen in Zukunft die Stei- gerung der Tarife bis zu 1,5 Prozent jährlich selbst erwirtschaften. Ausgenommen wer- den soll nur noch der gesamte Bildungssektor. Das bringt nach fünf Jahren 100 – nach zehn Jahren 200 Mio. pro Jahr.
3. Ein Einfrieren aller Sach- und Verwaltungskosten bis der Haushalt saniert ist.
4. Ein konsequenter Abbau der Subventionen.
Ein solcher Kostensparplan ist erstens realistisch und zweitens machbar. So wie Sie es machen, geht es jedenfalls nicht.
In der Antwort auf die kleine Anfrage von Frau Heinold haben Sie, Herr Wiegard, 90 Pro- zent aller Stellen des Landes zu Tabu-Bereichen erklärt, und die Herren Döring und Stegner haben in der Nachschiebeliste sogar noch Stellen draufgelegt.
Anscheinend setzt Minister Stegner seinen Ehrgeiz darein, seinen Nachfolger als Fi- nanzminister schlecht aussehen zu lassen. Nicht ohne Erfolg.
Und damit komme ich von der Sanierung zur Finanzierung der Zukunftsaufgaben.
Als Erstes benötigen wir dazu ein Gesamtkonzept zur Finanzierung des Wichtigsten – das ist der Bildungssektor. In den kommenden Jahren stehen uns grundlegende Verän- derungen bevor. Die flächendeckende Einrichtung von Kinderkrippen, die Umsetzung des Bildungsauftrages in den Kindertagesstätten. Der Umbau des gesamten öffentlichen Schulsystems, der Ausbau der Hochschulen, um unsere Studentenzahlen endlich auf in- ternationales Niveau zu bringen.
Solange Sie dafür kein Konzept haben, können Sie sich alle ihre tollen Reden und Pres- seerklärungen in der Pfeife rauchen.
Die Menschen im Land, die ErzieherInnen, LehrerInnen und ProfessorInnen, haben ei- nen Anspruch darauf, Fakten und Zahlen vorgelegt zu bekommen!
Die zweite Zukunftsaufgabe ist die radikale Konzentration aller Fördermittel des Landes auf die strategischen Cluster in Forschung und Innovation. Ein Hochpreisland wie Deutschland wird in der Wissensgesellschaft des 21. Jahrhunderts seinen Lebensstan- dard nur dann halten können, wenn wir alle Kräfte in Wissen, in neue Technologien und Innovationen konzentrieren.
Längst lebt auch Schleswig-Holstein nicht mehr nur von der Landwirtschaft und den Werften. Längst lebt auch dieses Land von Tausenden von kleinen, mittleren und auch einige größeren Firmen, die in den Zukunftsclustern Medizintechnik, Meerestechnik, Kommunikationstechnik und vor allem den erneuerbare Energien neue Produkte auf den Markt gebracht haben, Dienstleistungen anbieten, Wertschöpfung in unser Land bringen und Arbeitsplätze schaffen.



8 Der Ex-Weltbank-Chefökonom Nicholas Stern hat gerade vorgerechnet, dass die Bewäl- tigung der Klimaveränderung nicht nur die größte Herausforderung dieses Jahrhunderts, sondern auch die größte Chance für neue Industrien und Arbeitsplätze ist.
Wer heute noch glaubt, er könne im Lande herumfahren und den Bürgermeistern Ge- schenke verteilen, der verspielt leichtsinnig die Zukunft dieses Landes.
Als Drittes brauchen wir eine nachhaltige Umwelt- und Landwirtschaftspolitik. Machen Sie sich klar, dass zwei Drittel aller Subventionen in diesem Land immer noch ohne we- sentliche Auflagen als Direktsubventionen in die Landwirtschaft fließen.
Wir müssen Schluss machen mit einer Agrar- und Umweltpolitik, die allein vom Bauern- verband bestimmt wird. Schluss machen damit, Unsinniges zu fördern und anschließend teuer zu korrigieren.
Die EU hat für ein solches Umsteuern die Vorraussetzungen geschaffen. Die Tony-Blair- Regierung in Großbritannien hat als erste die Zeichen der Zeit erkannt und beginnt um- zusteuern.
Diese Landesregierung muss aufhören, sich an alte Strukturen zu klammern. Ein Minis- terpräsident, der immer noch von den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts träumt, kann dieses Land nicht in die Zukunft führen.
Meine Damen und Herren, neulich waren Herr Wengler, Herr Höppner, Herr Klug und ich in Oldenburg im Gymnasi- um eingeladen. Wir wurden gefragt, wie wir zu den Gehaltskürzungen für die LehrerIn- nen ständen.
Herr Wengler erläuterte, wie hoch die Verschuldung ist und dass Rot-Grün daran Schuld ist. Das fand niemand gut. Herr Höppner erläuterte, dass auch er keine Alternative sehe. Das fand auch keiner gut. Herr Klug sagte, er fände die Kürzungen falsch, die FDP wür- de lieber die Steuermehreinnahmen den BeamtInnen geben. Das fanden alle gut.
Ich hätte sicher unter viel Beifall das Gleiche sagen können wie Dr. Klug. Aber ange- sichts von 20 Prozent Neuverschuldung finde ich es unredlich, auf die populistische Trommel zu hauen.
Ich bin nicht einverstanden, dass die Regierung die nötigen Verwaltungsreformen um Jahre verschiebt.
Ich bin nicht einverstanden, dass die Sanierung auf Kosten der Kommunen geht, die das Geld wieder bei den Kindertagesstätten, Schulen und Eltern einsparen müssen.
Aber ich kann mich nicht hinstellen und sagen, die Kürzung des Weihnachtsgeldes wäre falsch.
Als ich dies in Oldenburg sagte, war tiefes Schweigen im Saal. Aber dann fing eine Schü- lerin an zu klatschen. Und dann klatschten Viele, auch viele LehrerInnen. So was macht Mut!
Meine Damen und Herren, wir werden heute bei der namentlichen Abstimmung über die Kürzung bei den Kommu- nen gegen die Kürzungen stimmen. 9 Wir werden aber bei den Kürzungen für die BeamtInnen für die Kürzungen stimmen.
Ich hätte mir natürlich in den Jahren unserer Regierung auch einmal gewünscht, dass ein CDU-Abgeordneter gesagt hätte, es sei falsch, den Menschen ununterbrochen das Blaue vom Himmel zu versprechen, die rot-grüne Sparpolitik sei im Grunde richtig.
Meine Fraktion wird jedenfalls auch in der Opposition solide und verantwortbare Haus- haltspolitik machen!
Wir wollen bei der nächsten Landtagswahl gewinnen, und wir wollen auch wieder regie- ren! Aber wir wollen die Wahl nicht mit Lügen gewinnen, wie die CDU es gemacht hat.
Deshalb formulieren wir eine klare und eindeutige Alternative: Mehr Geld für die Bildung, mehr Geld für Zukunftsinvestitionen – weniger Verwaltung und weniger Subventionen.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

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