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13.12.06
17:33 Uhr
SSW

Anke Spoorendonk zu TOP 2 - Zweites Verwaltungsstrukturreformgesetz

Presseinformation
Kiel, den 13.12.2006 Es gilt das gesprochene Wort


Anke Spoorendonk
TOP 2 a) Zweites Verwaltungsstrukturreformgesetz 16/1113 b) Erstes Verwaltungsmodernisierungsgesetz 16/1101
Die schädlichen Auswirkungen von übergroßen Regierungsmehrheiten in Parlamenten sind wohl
kaum so deutlich zu Tage getreten wie in der letzten Zeit. Sowohl in Berlin wie in Kiel jagt eine
Verfahrenspanne die nächste inhaltliche Panne. Die Gründe für die legislativen Probleme liegen klar
auf der Hand. Es sind vor allem die Mechanismen der gegenseitigen Kontrolle, die nicht greifen und
außer Kraft gesetzt zu sein scheinen. Zum Glück für uns alle sind sie aber nicht vollständig
wirkungslos. In Berlin haben wir zumindest den Bundespräsidenten, der sein Veto gegen den
gesetzgeberischen Dilettantismus einlegt. Darum heißt es dort inzwischen: Zu Risiken und
Nebenwirkungen von Großen Koalitionen fragen Sie ihren Bundespräsidenten oder die deutsche
Öffentlichkeit.


In Kiel liegt die Verantwortung zunächst bei uns von der Opposition und dann beim künftigen
Landesverfassungsgericht. Wenn ich diese grundsätzlichen Äußerungen an den Anfang meiner
Rede stelle, dann deshalb, weil das Verfahren, das dem Landtag bei den beiden Gesetzesvorhaben
der Regierung zur Verwaltungsstruktur und der Verwaltungsmodernisierung zugemutet wird, in
höchsten Maße zu kritisieren ist. Der SSW hat seine Bedenken bereits frühzeitig geäußert.
Geschehen ist aber nichts. 2
Mit einem sauberen parlamentarischen Verfahren hat es nichts mehr zu tun, wenn nach einer
regulären Beratung im Ausschuss einschließlich Anhörung die letzten wesentlichen Änderungen
nur Stunden vor der abschließenden Lesung dem Landtag vorgelegt werden. Ich möchte noch
einmal darauf hinweisen, dass wir es hier mit einem selbsternannten Kernstück der
Regierungsarbeit zu tun haben.


Das Wissen um die satte Mehrheit sowie die Fixierung auf die Machspielchen im
Koalitionsausschuss führen offenbar zu einem Tunnelblick bei den Akteuren, der alle anderen
Regeln und Rücksichten, dem das politische Handeln in einer parlamentarischen Demokratie
unterliegt, aus dem Blick geraten lassen. Ursprünglich hätten wir zu diesem Tagesordnungspunkt
zwei Gesetzentwürfe der Landesregierung zu beraten gehabt, die in einer Art Huckepack-Verfahren
in den Landtag eingebracht wurden.


Die politische Absicht, die die Regierung damit verfolgte, war klar: ganz offensichtlich sollte das
äußerst dünne und dürftige Verwaltungsmodernisierungsgesetz durch das dynamisch
daherkommende Verwaltungsstrukturgesetz quasi mitgetragen werden. Zusammen sollte
zumindest nach außen der Eindruck vermittelt werden, dass die Regierung ordentlich was schafft.
Schließlich wurden die Ergebnisse der Modernisierung bereits in zahlreichen Pressemitteilung und
Pressekonferenzen vor dem parlamentarischen Verfahren von der Regierung selbst über den
grünen Klee gelobt.


Die sehr bescheidene Ausbeute des Verwaltungsmodernisierungsgesetzes kann mit gutem Recht
als Null-Nummer bezeichnet werden, genauer sogar als 0,4-Nummer. Gerade einmal 0,4
Planstellen sollen bekanntlich aufgrund des Gesetzes eingespart werden. Dass die 2. Lesung des
Gesetzentwurfes erst mal verschoben worden ist, ändert nichts am klaren Versagen bei der so
vollmundig versprochenen Modernisierung der Verwaltung. Der ideologisch verengte Blick auf ein
vermeintliches Dickicht an wohlfahrtsstaatlichen und gleichstellungspolitischen Vorschriften, die
die Wirtschaft behindern und Steuergelder vergeuden, erweist sich als fatale Fehlwahrnehmung. 3
Die Mechanismen für das Wachstum von Bürokratie sind eben komplexer, die Wurzeln hierfür
liegen tiefer.


Meine Aufforderung, sich am niederländischen Standard-Kosten-Modell zu orientieren, um
nachhaltige Wirkungen zu erzielen, sei hier nochmals wiederholt. Man muss das Rad nicht neu
erfinden, wenn bewährte Modelle bereits in der Praxis erprobt sind. Aber die
Verwaltungsmodernisierung ist sowieso erst einmal auf Eis gelegt. Vielleicht nimmt Klaus Schlie
doch noch einmal den SSW-Vorschlag auf. Nach dem harten Ringen zwischen CDU und SPD der
letzen Tage blieb für die heutige Verabschiedung im Landtag nur noch das
Verwaltungsstrukturgesetz übrig. Der selbst gesetzte Erwartungs- und Zeitdruck mag der Grund
dafür sein, weshalb man nicht auch diesen Gesetzentwurf zurückgezogen hat.


Dass wir nun auch noch zwei Paragraphen des Verwaltungsmodernisierungsgesetzes wegen eines
anstehenden Vertragsverletzungsverfahren der EU mit beschließen, zeigt mir, wie suboptimal die
parlamentarische Beratung gelaufen ist. Es rächt sich wieder einmal, dass die Regierung meinte,
man könne so grundlegende Reformen, wie die der Landes- und Kommunalverwaltung, ohne
kritisch-konstruktive Begleitung durch Expertise von außen, als Parforceritt des Innenministers
erledigen. Auf die Kardinalfehler der Großen Koalition bei der Verwaltungsreform habe ich hier im
Landtag bereits häufiger hingewiesen.


Doch noch einmal zum Mitschreiben: Wenn man zuerst Strukturen bastelt, um sich dann erst
anschließend darüber im Klaren zu werden, welche Aufgaben man vielleicht welcher Ebene zuteilen
möchte, kann das nur schief gehen. Das ist ein Konstrukt ohne Fundament, eine Reform, die
buchstäblich in der Luft hängt. Da wundert es nicht, dass das Gesetzgebungsverfahren zu einer
verfahrenen Gesetzgebung wird.


Und nun zum Änderungsantrag von CDU und SPD, der die Lösung des Innenministers, die eine
Zusammensetzung der Amtsausschüsse mit Stimmenkontingenten vorsah, vollständig kassiert. In 4
der Koalition hat man offensichtlich verfassungsrechtlich kalte Füße bekommen. Die
Regierungsfraktionen legen mit ihren Antrag wieder die klassische Staffelung der Anzahl der
Ausschusssitze vor, nur mit einer gröberen Einteilung als vorher.


Die so genannten Schreibstuben der Gemeinden erhalten damit Amtsausschüsse von der Größe,
die locker mit Kreistagen konkurrieren können. Das neue Amt Trave-Land erhielte somit zum
Beispiel 35 Ausschussmitglieder, das neue Amt Südtondern sogar 56 Mitglieder. Der Landtag, der
das ganze Land vertritt, ich möchte nur daran erinnern, hat 69!


Diese Vermehrung der Ausschusssitze geht zum Bedauern des SSW leider nicht mit einer Erhöhung
der politischen Pluralität und Repräsentativität einher. Damit sind die verfassungsrechtlichen
Bedenken in diesem Punkt bei Weitem nicht beseitigt. Der Städteverband Schleswig-Holstein, im
Übrigen keine Vorfeldorganisation des SSW, bemerkt zu Recht in seiner Stellungnahme zum
Gesetzentwurf, dass „aufgrund des erheblichen Zuwachses an auf das Amt übertragenen
Selbstverwaltungsaufgaben … sich in naher Zukunft die Frage des
kommunalverfassungsrechtlichen Status der Ämter stellen“ wird. Dem kann der SSW nur
zustimmen, wir haben das bereits vor langem gesagt. Als ein Stichwort von vielen sei hier nur das
Amt als originärer Träger der Selbstverwaltungsaufgabe Schule genannt.


Im Änderungsantrag, den die Kollegen der CDU und SPD uns heute Morgen servieren, soll das
Innenministerium künftig nicht nur Ausnahmen von der hauptamtlichen, sondern auch von der
ehrenamtlichen Verwaltung einer Gemeinde zulassen können. Das heißt, dass jetzt
hauptamtlichen Bürgermeistern der Posten auch nach dem Anschluss an ein Amt gesichert werden
kann. Wieder eine halbherzige Lösung und ein fauler Kompromiss.


Die Öffentlichkeit wird sicherlich mit dem Argument, der zentralörtlichen Funktion einer
amtsangehörigen Gemeinde würde durch die Beibehaltung hauptamtlicher Bürgermeister sowie
der Einführung bezahlter Gemeindedezernenten Rechnung getragen, abgespeist. 5



Doch die Probleme gehen weiter: Das zentralörtliche Prinzip hat leider nur in Sonntagsreden eine
Rolle gespielt. Innenminister Stegner hat die so genannte Hochzeitsprämie ohne Rücksicht auf
Verflechtungszusammenhänge ausgezahlt. Nach dem Motto big is beautiful wird ohne Rücksicht
auf die Sinnhaftigkeit einer Fusion die Prämie ausgezahlt. Ich warne vor den Problemen und
absehbaren Lasten, die aus dem erhöhten Abstimmungsbedarf entstehen. Damit dürfen und
müssen sich dann Kommunalpolitiker in den aufgeblähten Amtsausschüssen herumschlagen.
Das ist unfair. Solide Gesetzgebung und vorausschauendes Regierungshandeln sehen anders aus.
Der SSW lehnt das Verwaltungsstrukturgesetz ab.