Anke Spoorendonk zu TOP 2 - Zweites Verwaltungsstrukturreformgesetz
PresseinformationKiel, den 13.12.2006 Es gilt das gesprochene WortAnke SpoorendonkTOP 2 a) Zweites Verwaltungsstrukturreformgesetz 16/1113 b) Erstes Verwaltungsmodernisierungsgesetz 16/1101Die schädlichen Auswirkungen von übergroßen Regierungsmehrheiten in Parlamenten sind wohlkaum so deutlich zu Tage getreten wie in der letzten Zeit. Sowohl in Berlin wie in Kiel jagt eineVerfahrenspanne die nächste inhaltliche Panne. Die Gründe für die legislativen Probleme liegen klarauf der Hand. Es sind vor allem die Mechanismen der gegenseitigen Kontrolle, die nicht greifen undaußer Kraft gesetzt zu sein scheinen. Zum Glück für uns alle sind sie aber nicht vollständigwirkungslos. In Berlin haben wir zumindest den Bundespräsidenten, der sein Veto gegen dengesetzgeberischen Dilettantismus einlegt. Darum heißt es dort inzwischen: Zu Risiken undNebenwirkungen von Großen Koalitionen fragen Sie ihren Bundespräsidenten oder die deutscheÖffentlichkeit.In Kiel liegt die Verantwortung zunächst bei uns von der Opposition und dann beim künftigenLandesverfassungsgericht. Wenn ich diese grundsätzlichen Äußerungen an den Anfang meinerRede stelle, dann deshalb, weil das Verfahren, das dem Landtag bei den beiden Gesetzesvorhabender Regierung zur Verwaltungsstruktur und der Verwaltungsmodernisierung zugemutet wird, inhöchsten Maße zu kritisieren ist. Der SSW hat seine Bedenken bereits frühzeitig geäußert.Geschehen ist aber nichts. 2Mit einem sauberen parlamentarischen Verfahren hat es nichts mehr zu tun, wenn nach einerregulären Beratung im Ausschuss einschließlich Anhörung die letzten wesentlichen Änderungennur Stunden vor der abschließenden Lesung dem Landtag vorgelegt werden. Ich möchte nocheinmal darauf hinweisen, dass wir es hier mit einem selbsternannten Kernstück derRegierungsarbeit zu tun haben.Das Wissen um die satte Mehrheit sowie die Fixierung auf die Machspielchen imKoalitionsausschuss führen offenbar zu einem Tunnelblick bei den Akteuren, der alle anderenRegeln und Rücksichten, dem das politische Handeln in einer parlamentarischen Demokratieunterliegt, aus dem Blick geraten lassen. Ursprünglich hätten wir zu diesem Tagesordnungspunktzwei Gesetzentwürfe der Landesregierung zu beraten gehabt, die in einer Art Huckepack-Verfahrenin den Landtag eingebracht wurden.Die politische Absicht, die die Regierung damit verfolgte, war klar: ganz offensichtlich sollte dasäußerst dünne und dürftige Verwaltungsmodernisierungsgesetz durch das dynamischdaherkommende Verwaltungsstrukturgesetz quasi mitgetragen werden. Zusammen solltezumindest nach außen der Eindruck vermittelt werden, dass die Regierung ordentlich was schafft.Schließlich wurden die Ergebnisse der Modernisierung bereits in zahlreichen Pressemitteilung undPressekonferenzen vor dem parlamentarischen Verfahren von der Regierung selbst über dengrünen Klee gelobt.Die sehr bescheidene Ausbeute des Verwaltungsmodernisierungsgesetzes kann mit gutem Rechtals Null-Nummer bezeichnet werden, genauer sogar als 0,4-Nummer. Gerade einmal 0,4Planstellen sollen bekanntlich aufgrund des Gesetzes eingespart werden. Dass die 2. Lesung desGesetzentwurfes erst mal verschoben worden ist, ändert nichts am klaren Versagen bei der sovollmundig versprochenen Modernisierung der Verwaltung. Der ideologisch verengte Blick auf einvermeintliches Dickicht an wohlfahrtsstaatlichen und gleichstellungspolitischen Vorschriften, diedie Wirtschaft behindern und Steuergelder vergeuden, erweist sich als fatale Fehlwahrnehmung. 3Die Mechanismen für das Wachstum von Bürokratie sind eben komplexer, die Wurzeln hierfürliegen tiefer.Meine Aufforderung, sich am niederländischen Standard-Kosten-Modell zu orientieren, umnachhaltige Wirkungen zu erzielen, sei hier nochmals wiederholt. Man muss das Rad nicht neuerfinden, wenn bewährte Modelle bereits in der Praxis erprobt sind. Aber dieVerwaltungsmodernisierung ist sowieso erst einmal auf Eis gelegt. Vielleicht nimmt Klaus Schliedoch noch einmal den SSW-Vorschlag auf. Nach dem harten Ringen zwischen CDU und SPD derletzen Tage blieb für die heutige Verabschiedung im Landtag nur noch dasVerwaltungsstrukturgesetz übrig. Der selbst gesetzte Erwartungs- und Zeitdruck mag der Grunddafür sein, weshalb man nicht auch diesen Gesetzentwurf zurückgezogen hat.Dass wir nun auch noch zwei Paragraphen des Verwaltungsmodernisierungsgesetzes wegen einesanstehenden Vertragsverletzungsverfahren der EU mit beschließen, zeigt mir, wie suboptimal dieparlamentarische Beratung gelaufen ist. Es rächt sich wieder einmal, dass die Regierung meinte,man könne so grundlegende Reformen, wie die der Landes- und Kommunalverwaltung, ohnekritisch-konstruktive Begleitung durch Expertise von außen, als Parforceritt des Innenministerserledigen. Auf die Kardinalfehler der Großen Koalition bei der Verwaltungsreform habe ich hier imLandtag bereits häufiger hingewiesen.Doch noch einmal zum Mitschreiben: Wenn man zuerst Strukturen bastelt, um sich dann erstanschließend darüber im Klaren zu werden, welche Aufgaben man vielleicht welcher Ebene zuteilenmöchte, kann das nur schief gehen. Das ist ein Konstrukt ohne Fundament, eine Reform, diebuchstäblich in der Luft hängt. Da wundert es nicht, dass das Gesetzgebungsverfahren zu einerverfahrenen Gesetzgebung wird.Und nun zum Änderungsantrag von CDU und SPD, der die Lösung des Innenministers, die eineZusammensetzung der Amtsausschüsse mit Stimmenkontingenten vorsah, vollständig kassiert. In 4der Koalition hat man offensichtlich verfassungsrechtlich kalte Füße bekommen. DieRegierungsfraktionen legen mit ihren Antrag wieder die klassische Staffelung der Anzahl derAusschusssitze vor, nur mit einer gröberen Einteilung als vorher.Die so genannten Schreibstuben der Gemeinden erhalten damit Amtsausschüsse von der Größe,die locker mit Kreistagen konkurrieren können. Das neue Amt Trave-Land erhielte somit zumBeispiel 35 Ausschussmitglieder, das neue Amt Südtondern sogar 56 Mitglieder. Der Landtag, derdas ganze Land vertritt, ich möchte nur daran erinnern, hat 69!Diese Vermehrung der Ausschusssitze geht zum Bedauern des SSW leider nicht mit einer Erhöhungder politischen Pluralität und Repräsentativität einher. Damit sind die verfassungsrechtlichenBedenken in diesem Punkt bei Weitem nicht beseitigt. Der Städteverband Schleswig-Holstein, imÜbrigen keine Vorfeldorganisation des SSW, bemerkt zu Recht in seiner Stellungnahme zumGesetzentwurf, dass „aufgrund des erheblichen Zuwachses an auf das Amt übertragenenSelbstverwaltungsaufgaben … sich in naher Zukunft die Frage deskommunalverfassungsrechtlichen Status der Ämter stellen“ wird. Dem kann der SSW nurzustimmen, wir haben das bereits vor langem gesagt. Als ein Stichwort von vielen sei hier nur dasAmt als originärer Träger der Selbstverwaltungsaufgabe Schule genannt.Im Änderungsantrag, den die Kollegen der CDU und SPD uns heute Morgen servieren, soll dasInnenministerium künftig nicht nur Ausnahmen von der hauptamtlichen, sondern auch von derehrenamtlichen Verwaltung einer Gemeinde zulassen können. Das heißt, dass jetzthauptamtlichen Bürgermeistern der Posten auch nach dem Anschluss an ein Amt gesichert werdenkann. Wieder eine halbherzige Lösung und ein fauler Kompromiss.Die Öffentlichkeit wird sicherlich mit dem Argument, der zentralörtlichen Funktion eineramtsangehörigen Gemeinde würde durch die Beibehaltung hauptamtlicher Bürgermeister sowieder Einführung bezahlter Gemeindedezernenten Rechnung getragen, abgespeist. 5Doch die Probleme gehen weiter: Das zentralörtliche Prinzip hat leider nur in Sonntagsreden eineRolle gespielt. Innenminister Stegner hat die so genannte Hochzeitsprämie ohne Rücksicht aufVerflechtungszusammenhänge ausgezahlt. Nach dem Motto big is beautiful wird ohne Rücksichtauf die Sinnhaftigkeit einer Fusion die Prämie ausgezahlt. Ich warne vor den Problemen undabsehbaren Lasten, die aus dem erhöhten Abstimmungsbedarf entstehen. Damit dürfen undmüssen sich dann Kommunalpolitiker in den aufgeblähten Amtsausschüssen herumschlagen.Das ist unfair. Solide Gesetzgebung und vorausschauendes Regierungshandeln sehen anders aus.Der SSW lehnt das Verwaltungsstrukturgesetz ab.