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13.10.06
11:54 Uhr
B 90/Grüne

Detlef Matthiessen zum Landesnaturschutzgesetz

PRESSEDIENST Fraktion im Landtag Schleswig-Holstein Stellv. Pressesprecher Es gilt das gesprochene Wort! Dr. Jörg Nickel Landeshaus TOP 9 – Landesnaturschutzgesetz Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel
Dazu sagt der umweltpolitische Sprecher Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Telefax: 0431/988-1501 Detlef Matthiessen Mobil: 0178/28 49 591 E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Internet: www.sh.gruene-fraktion.de

Nr. 432.06 / 13.10.06
Natur schützen ohne Auflagen, das geht zu Lasten der Natur Die CDU in Schleswig-Holstein unter Führung des Ministerpräsidenten und Landwirtes Carstensen, nicht zu vergessen - lange Zeit Vorsitzender des Agrarausschusses im Bun- destag - wollte mit der geplanten Verabschiedung dieses Naturschutzgesetzes die aus ih- rer Sicht lästigen Standards zum Schutz von Natur und Landschaft schleifen. Wir halten diese Absicht und die ganze Tonalität, man kann auch von Demagogie reden, angesichts des drastischen Rückgangs vieler Arten und Biotope für einen Frevel an Mensch und Na- tur. Wir Grüne wollen die Natur um ihrer selbst willen schützen, aber vor allem auch als un- verzichtbare Lebensgrundlage von uns Menschen.
Die CDU hatte immer den Naturschutz als wesentliche Bremse wirtschaftlicher Entwicklung dargestellt, wenn es im Wahlkampf zu begründen galt, warum sie gewählt werden sollte. Dabei wurde in übelster Weise verleumdet und gelogen.
Dabei wurden die Demagogen Opfer ihrer eigenen Ideologie. Sie glaubten, was sie sagten. Das zeigte sich in den ersten Überlegungen und Entwürfen als plötzlich die Möglichkeit zur Gestaltung da war.
Daher will ich einige Punkte aufzählen, welche Zähne sich der Patient ziehen lassen muss- te, weil EU und Bundesrecht zu beachten waren, weil Regelungen und Institutionen sich überraschenderweise doch als sinnvoll herausgestellt hatten. Wie schlecht der vorgelegte Gesetzesentwurf war, zeigt sich in den vielen Nachbesserungen, die das Kabinett verab- schiedet hat. Einige der unhaltbarsten Punkte, die von den Naturschutzverbänden und auch von uns vorab harsch kritisiert wurden, sind mittlerweile nachgebessert worden, bevor sich die CDU damit endgültig blamiert hätte:
1/4 -> Das Verbandsklagerecht war nicht zu kippen. Leider, leider gibt es das Bundesgesetz, dem ja das schleswig-holsteinische Gesetz Pate stand. -> die Akademie für Natur und Umwelt bleibt zumindest im Gesetz bestehen, wie ihre Ar- beit künftig tatsächlich aussehen wird und wie viel dort noch für die Umwelt gearbeitet wer- den kann, wird sich erweisen – wir werden es kritisch beobachten. -> die Verordnungsermächtigungen für das Landwirtschaftsministerium sind eingedampft worden – immerhin werden Landtag und Kabinett doch noch ein wenig mit zu entscheiden haben. Kein Demokratieabbau an dieser Stelle. -> die bisherigen Regelungen zu den Landschaftsrahmenplänen sind in das Landschafts- programm übernommen worden. -> Naturerlebnisräume werden mit eigenen Paragrafen erhalten, auch dort wird sich erwei- sen, was die Praxis bringt, vielleicht erkennt ja der Minister noch, wie klasse die sind. -> das Ehrenamt wird u.a. durch Verpflichtung zur Einrichtung von Kreisnaturschutzbeirä- ten weiterhin gestärkt. -> Anhörung und Beteiligung wird es weiter geben.
Als stolzer Adler ist die CDU losgeflogen und wurde von der Wirklichkeit zum Suppenhuhn weichgekocht. Insgesamt ist dieses Gesetz aber ein trauriges Zeugnis dafür, wie im Zwang ideologischen Denkens das Gesetz verkommt, wie ein ehemals richtungsweisendes Natur- schutzgesetz, das dem Bundesgesetz als Vorbild diente und dessen Ursprung unter der Federführung eines wackeren Naturschützers entstanden ist, verkommt.
Das Gesetz hält bei näherer Betrachtung vor allem den eigenen Ansprüchen nicht stand. Es ist nicht schlanker, es ist nicht handhabbarer, es fehlt die Eindeutigkeit in den Bestim- mungen, es führt zu uneinheitlicher Praxis im Vollzug. Es fehlt sehr viel, was zu den Anfor- derungen an ein gutes Gesetz gehört.
Ein gefährliches Signal ist die Generalamnestie für vor Jahren illegal errichtete private Bootsliegeplätze – hier haben sich die Grundeigentümer, die mit ihrem Grundstück an ei- nen See grenzen, über geltendes Recht hinweg gesetzt – eine Genehmigungspflicht herrschte durchaus auch schon vor dem 19. November 1982.
Was für ein Signal an die Bürger, die sich rechtskonform verhalten haben. Der Minister, immerhin Jurist, bestätigt hier: Die Ehrlichen sind die Dummen. Dies alles geschieht, unter der zynischen Behauptung, die Natur besser schützen zu wollen: Sie schützen die Natur nicht besser, wenn das Versetzen von Knicks völlig in die Hand der Landnutzer gegeben wird. Knicks sind in Schleswig-Holstein mit 40.000 km eines der wichtigsten landschafts- prägenden Elemente, sie tragen wesentlich zum Reichtum unserer Natur bei. Ich hoffe wir können hier in der parlamentarischen Befassung nachbessern.
Sie schützen die Natur aber eben nicht besser, wenn Sie bei den Eingriffs- und Ausgleichs- regelungen im Gesetz in Paragraf 10 die nicht abschließende Positivliste für Eingriffstatbe- stände ersatzlos streichen. Diese hatte sich in der Praxis bislang sehr bewährt – diente sie doch BürgerInnen, Behörden, Gerichten und anderen als notwendige Orientierung. Jetzt ist diese Transparenz nicht mehr gewährleistet und es kommt zu Rechtsunsicherheiten, die einen erheblichen Mehraufwand zur Folge haben werden. Jeder Einzelfall muss nun über- prüft werden – naturgemäß wird dies nicht zu einheitlichen Ergebnissen im Lande führen. Die bislang landesweit geltenden Standards sind dann nicht mehr gewährleistet.
Aber vielleicht ist ja gerade der dann anstehende Wettbewerb der Kreise und Kommunen darum, wer den schlechtesten Dumping-Naturschutz betreibt, der Ihre eigentliche Intention ist. Grundsätzlich unterliegen sie dem Irrtum, Flexibilisierung führe zu Verbesserungen. Das führt jedoch zu Konflikten und stärkt den Gerichtsstandort Schleswig-Holstein, nicht die Wirtschaft.
Nur die Abschaffung von Aufgaben führt zu Entlastung, nicht indem man sie wenig eindeu- tig formuliert. Ich empfehle allen Kollegen mal im Vorspann des Gesetzes nachzulesen un- ter dem Kapitel 2. Verwaltungsaufwand, was mussten sich ihre Mitarbeiter da abquälen, was Positives zu formulieren.
Sie schützen die Natur aber auch nicht besser, wenn Sie weite Teile der Ministerialverwal- tung über Jahre hinweg mit Neuerstellung von Naturschutz-Erlassen und Richtlinien be- schäftigen, anstatt sie sinnvolle Arbeiten machen zu lassen.
Eine Vereinfachung des Gesetzes ist grundsätzlich zu begrüßen. Aber gerade wenn eine Verschlankung gewünscht wird, dann muss das Gesetz möglichst eindeutige Regelungen und größtmögliche Klarheit für den Bürger, für Kommunen, für den Verwaltungsvollzug bie- ten. Aus dem Gesetzentwurf ergibt sich jedoch ein Bedarf an einer Fülle nachfolgender Verordnungen.
Damit wird die Zielsetzung größerer Klarheit, Vereinfachung, Beschleunigung von Pla- nungsverfahren und Planungssicherheit für den Wirtschaftsstandort Schleswig-Holstein eindeutig wieder konterkariert.
Mangelnden Konkretisierungen auch bei der Umsetzung des Biotopverbundes, im neuen Gesetz werden ein ungleiches Vorgehen bei den einzelnen unteren Naturschutzbehörden, viele fragwürdige Entscheidungen und drastisch erhöhte Bürokratie sein. Sie quälen An- tragsteller und Beamte mit Genehmigungsfiktion, was schon im Baurecht nichts gebracht hat.
Sie schützen die Natur auch nicht, wenn Sie ein Landesnaturschutzgesetz erlassen, das den Anforderungen des Bundesrechtes an vielen Stellen nicht gerecht wird, so zum Bei- spiel bei der Landschaftsplanung oder beim Landschaftsprogramm, im neuen Gesetz müs- sen Abweichungen von den übergeordneten Vorgaben des Bundesnaturschutzgesetzes lediglich begründet werden, dies reicht aber nicht aus. Die Naturschutzverbände haben Sie darauf sehr detailliert hingewiesen, bislang erfolglos.
Sie schützen die Natur genauso wenig, wenn ein Landesnaturschutzgesetz weder eigenstän- dig lesbar noch eigenständig handhabbar ist, sondern man zumindest das Bundesnatur- schutzgesetz daneben liegen haben muss, um dieses parallel zu lesen. Viel Rumblättern:
Das ist Gesetzverschlankung light. Mit einem Vollzug hat dies wohl kaum etwas zu tun. Sie versuchen ein modernes und richtungweisendes Gesetz zu schleifen. Der „Vater“ dieses Gesetzes in seinen Ursprüngen, Prof. Berndt Heydemann, wurde im vergangenen Jahr mit dem höchsten deutschen Umweltpreis ausgezeichnet – für seine Lebensleistung und eben auch für genau dieses Gesetz. Die Sozialdemokraten haben die Novellierung dieses Ge- setz mit zu verantworten.
Es gibt ein gutes deutsches Wort, dieses Gesetz zu charakterisieren: Verschlimmbesse- rung! Mir scheint, dass unser Ministerpräsident seinem hessischen Amtskollegen in nichts nachsteht, dieser peitscht gerade ein ebenso verheerendes und von allen Fachleuten zu- tiefst kritisiertes so genanntes Naturschutzgesetz durch – die Wertigkeit der Natur ist für die Landesregierung im CDU-geführten Hessen genauso miserabel wie für Schwarz-Rot in Schleswig-Holstein, was der hier vorliegende Gesetzentwurf beweist.
Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass. Natur schützen ohne Einschränkungen, Natur schützen ohne Auflagen, das geht nur zu Lasten der Natur.



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