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13.10.06
11:20 Uhr
SPD

Konrad Nabel zu TOP 9: Gesetzentwurf mit ausreichend Zeit intensiv beraten

Sozialdemokratischer Informationsbrief

Kiel, 13.10.2006 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuell
TOP 9 – Landesnaturschutzgesetz (Drucksache 16/1004)

Konrad Nabel:

Gesetzentwurf mit ausreichend Zeit intensiv beraten

Konrad Nabel geht in seinem Redebeitrag auf die Vorgeschichte der vorliegenden No- velle des Landesnaturschutzgesetzes ein und hebt den beispielhaften Charakter des Gesetzes von 1993 hervor. Er weißt darauf hin, dass die Koalitionspartner vereinbar- ten, im Umwelt- und Naturschutz das rechtliche Regelwerk mit dem Ziel der Deregulie- rung und des Bürokratieabbaus zu überprüfen. Es bestand, so Nabel, jedoch Einigkeit, dass die erreichten Qualitätsstandards im Natur- und Umweltschutz inhaltlich nicht ab- gesenkt werden dürfen. Am vorliegenden Entwurf kritisiert er u. a., dass der Landwirt- schaft ein Vorrang und dem privaten Eigentum eine besonders wichtige Funktion für den Naturschutz eingeräumt wird. Dazu zitiert er ausführlich eine Stellungnahme des Landesnaturschutzverbandes. Zum Schluss macht Nabel deutlich, dass für eine inten- sive parlamentarische Beratung ausreichend Zeit zur Verfügung stehen müsse.



Die Rede im Wortlaut: Seit dem Beginn meiner Parlamentszugehörigkeit - seit 1988 - ist der heute vorliegen- de Gesetzentwurf der dritte umfassende Ansatz zur Veränderung des jeweils beste- henden Naturschutzgesetzes. Die Novelle Anfang der 90er Jahre machte eine Ent- wicklung hin zu einer modernen, an wissenschaftlichen Erkenntnissen orientierten Na-

Schleswig- Holstein

Herausgeber: SPD-Landtagsfraktion Verantwortlich: Petra Bräutigam Landeshaus Postfach 7121, 24171 Kiel Tel: 0431/ 988-1305/1307 Fax: 0431/ 988-1308 E-Mail: Internet: pressestelle@spd.ltsh.de www.spd.ltsh.de SPD -2-



turschutzpolitik möglich, leitete diese in unserem Land ein und bot für fast 14 Jahre ei- ne gute Basis für erfolgreiche Arbeit.

Diese Novelle hatte im übrigen die Lübecker Grundsätze für den Naturschutz als Grundlage, die wesentlich von Berndt Heydemann erarbeitet und 1991 von allen Um- weltministern des Bundes und der Länder im politischen Konsens angenommen wor- den waren. Die Verankerung des Biotopverbundsystems, des flächenhaften Natur- schutzes und des Begriffs der Vorrangflächen für den Naturschutz seien nur drei Stichworte aus diesem Papier.

Die Novelle 2003 war wegen der Einarbeitung neuer europarechtlicher Bestimmungen sowie des geänderten Bundesrechts nötig. Die vorlaufende Novelle des Bundes- naturschutzgesetzes beruhte übrigens im Wesentlichen auf den Inhalten und den Er- fahrungen der erfolgreichen Umsetzung des schleswig-holsteinischen Naturschutz- gesetzes, so dass uns die Einarbeitung der geänderten Bestimmungen des Bundes- gesetzes relativ leicht fiel und wenig gravierende Änderungen in der Praxis des Natur- schutzes im Land brachte.

Wenn ich hier “uns” sage, dann meine ich natürlich die SPD! Wir alle wissen, dass die CDU nicht nur heftig gegen die 1993er Novelle des 1973 von Ernst Engelbrecht-Greve (CDU) vorgelegten Landschaftspflegegesetzes polemisierte, sondern 1994 gemein- sam mit der FDP eine Verfassungsklage gegen das neue, in seinen wesentlichen Bestimmungen bis heute geltende Gesetz anstrengte.

Wer sich den Schriftsatz zur Begründung des Urteils des Zweiten Senats des Bundes- verfassungsgerichts vom 7. Mai 2001 auf die Klage von CDU- und FDP-Fraktion die- ses Hauses durchliest, findet in vielem die Begründung für die wesentlichen Punkte, die im heute vorliegenden Entwurf das bestehende Landesnaturschutzgesetz von 1993 in der Fassung vom 18. Mai 2003 verändern sollen. -3-



Es ging um das Landschaftsprogramm und die Landschaftsrahmenpläne, um die Biotope im bisherigen § 15a, um das Biotopverbundsystem, um angebliche Nicht- übereinstimmung mit dem Bundesrecht, um einen angeblichen Verstoß gegen die Ei- gentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG und vieles mehr. Alles Punkte, die auch wie- der in der vorliegenden Novelle eine große Rolle spielen. Sie wissen, dass diese Klage abgewiesen wurde. Zu den einzelnen Punkten heißt es dort: “Der Antrag wird verwor- fen, Der Antrag ist ferner unzulässig .... Die Rüge der Antragsteller greift nicht durch... Entgegen der Ansicht der Antragsteller.... ist er im Sinne des § 24 BVerfGG offensicht- lich unbegründet.”

Die von CDU und FDP seinerzeit beklagten Punkte sind inzwischen Bundesrecht und damit auch für Schleswig-Holstein gültig. Und das ist auch gut so! Und damit sind viele der Änderungen in der vorliegenden Novelle eher deklaratorischer Natur, wenn sie auch bei denen, die mit der Umsetzung des Naturschutzrechts zu tun haben, große Unruhe ausgelöst haben und weiter auslösen werden.

Die CDU wollte 1993 zurück zu den Bestimmungen des Landschaftspflege- gesetzes von 1973; sie wollte es auch mit ihrem Entwurf 2002, der gemeinsam mit dem Regierungsentwurf 2003 beraten und von der damaligen Landtagsmehrheit abge- lehnt wurde. In soweit ist der vom Landwirtschaftsminister vorgelegte Entwurf nur kon- sequent, auch wenn sich das Bundesnaturschutzgesetz und die europarechtlichen Be- stimmungen seit 1973 erfreulich weiter entwickelt haben und eher einen Ansatz im Na- turschutz aufzeigen, wie er im von mir nach wie vor als vorbildlich angesehenen be- stehenden Landesnaturschutzgesetz von 1993 in der Fassung vom Mai 2003 vor- liegt.

Gestatten Sie auch uns - wenigstens im Ansatz - konsequent sein zu dürfen. Im Koali- tionsvertrag haben wir mit der CDU vereinbart, dass im Umwelt- und Naturschutz "das -4-



umfangreiche rechtliche Regelwerk mit dem Ziel der Deregulierung und des Bürokra- tieabbaus" überprüft werden soll. Das gilt auch für das Landesnaturschutzgesetz. Es bestand Einigkeit bei allen Beteiligten, dass dabei die erreichten Qualitätsstan- dards im Natur- und Umweltschutz unseres Landes inhaltlich nicht abgesenkt werden dürfen.

Ich habe Anfang März 2006 zum Beschluss der Landesregierung, den Entwurf zur No- vellierung des Landesnaturschutzgesetzes in die öffentliche Anhörung zu geben, deut- lich gemacht, dass wir den Entwurf für mangelhaft halten und dies in einigen Punkten belegt. Wir konnten zwar den Ansatz zur Verschlankung und die Regelung zu den Ö- kokonten begrüßen, beklagten unter anderem aber, dass das Verhältnis zwischen Naturschutz und Landwirtschaft nicht eindeutig geregelt und der Landwirtschaft quasi ein Vorrang eingeräumt wird.

Im Verlauf des Verfahrens, durch die Regierungsanhörung, vor allem aber im Koaliti- ons-Ausschuss am 24.09.06 sind einige unserer Bedenken aufgenommen worden, so dass ich heute sagen kann, der jetzt vorliegende Entwurf ist besser geworden. So wurden nach der Anhörung unter anderem die Grundsätze der guten fachlichen Praxis in der Landwirtschaft wieder aufgenommen, und von den nach dem Koaliti- onsausschuss am 24.09.06 aufgenommenen Änderungen sind aus meiner Sicht zu begrüßen: • Die eigenständige Lesbarkeit für Bürgerinnen und Bürger sowie die Verwal- tungen ist u. a. durch inhaltliche Darstellung der Bedeutung der Ziele und Grundsätze des Naturschutzes verbessert worden. • Wir haben vereinbart, dass auch die Bestimmungen zum Biotopverbund aus dem Bundesgesetz wieder aufgenommen werden. • Die Vielzahl der Verordnungsermächtigungen für das Landwirtschaftsminis- terium wurde eingedämmt, in einigen Punkten wird das Kabinett die Verord- nungen zu beschließen haben. Die Liste der Verordnungsermächtigungen -5-



wird im parlamentarischen Verfahren weiter überprüft. • Die bisherigen Regelungen zu den Landschaftsrahmenplänen sind in die Vor- gaben für das Landschaftsprogramm übernommen worden. • Ein eigenständiger Absatz zum Schutz der Knicks (Verbot der Beseitigung) wurde wieder aufgenommen. • Naturerlebnisräume sind wieder im Gesetz enthalten. • Die Akademie für Natur und Umwelt ist weiterhin gesetzlich verankert • Die Liste der landesspezifischen Biotoptypen wurde auf alle Staudenfluren erweitert. • Die Genehmigungsfristen einschließlich der Genehmigungsfiktion für Anträge auf Eingriffe in die Natur wurden praxisgerecht auf generell 3 Monate verlän- gert. • Die Einrichtung von Kreisnaturschutzbeiräten ist wieder als verpflichtende Aufgabe enthalten. Darüber hinaus wurde verabredet, dass die von den Verbänden in den Anhörungen vorgetragenen Rechtsverstöße überprüft werden sollen.

Dies sind Verbesserungen, die das Gesetz besser, aber noch nicht gut gemacht ha- ben. Leider ist unseren Argumenten zum Erhalt der Positivliste nicht gefolgt worden, die auch aus der kommunalen Praxis zur Verwaltungserleichterung und -beschleu- nigung gefordert wurde.

Aus meiner Sicht besonders bedenklich aber ist der neu hinzugekommene Absatz 2 im § 1 des Entwurfes und die Begründung hierzu. §1, Abs. 2 führt deklaratorisch aus, dass "Privates Eigentum und die Wahrnehmung der sich daraus ergebenden Ver- antwortung eine besonders wichtige Voraussetzung zur Erreichung der Ziele und Grundsätze des Naturschutzes" sind. Dieser Absatz lässt den für mich beendet ge- glaubten Konflikt zwischen Nutzern und Schützern der Natur, wie er Ende der 80er und bis in die Mitte der 90er Jahre geführt wurde, neu und verschärft wieder aufleben. -6-



Es entsteht der Eindruck, dass 2-3 % der Menschen unseres Landes auf ihren Flächen Naturschutz nach ihren persönlichen Vorstellungen durchführen dürfen. Dies ist für mich nicht hinnehmbar. Das Landesnaturschutzgesetz muss für alle Menschen in Schleswig-Holstein einzuhaltende Ziele und Grundsätze formulieren. Auch durch die herausgehobene Stellung dieses Absatzes werden möglicherweise falsche Rechtsauslegungen in der Anwendung bei den im Gesetz folgenden Instrumenten des Naturschutzes möglich. Aus diesem Grund bedarf es in der parlamentarischen Bera- tung hierzu noch intensiver rechtlicher Betrachtung.

Lassen Sie mich dazu den Landesnaturschutzverband (LNV) zitieren, der zu einem ähnlich lautenden Absatz im damaligen Gesetzentwurf der CDU 2002 gesagt hat: "Die Erweiterung der Grundsätze und Ziele um einen ‚Eigentumstatbestand’ in § 1 (2) ... ist eine kuriose Beschränkung der Zielrichtung des Gesetzes auf be- stimmte Teile der Bevölkerung. Dies bleibt unbegründet und soll offensichtlich die Grundstückseigentümer von ihrer Verantwortung gegenüber den Gesetzeswirkungen freistellen, während der Rest der Bevölkerung die gesamten Rechtsfolgen des Gesetzes tragen darf, bspw. bei der Eingriffsregelung. Aus Sicht des Naturschutzes ist dies nicht zielführend. ... Wenn unsere Naturgüter einen Preis auf dem Markt hätten und wie Immobi- lien im Wirtschaftsinteresse liegen würden, könnte Eigentum und die Wahrung der daraus resultierenden Verantwortung eine besondere Rolle für den Natur- schutz übernehmen, bspw. durch spezifische Betriebsziele wie ‚Naturschutz’, ‚Feldlerchen’, ‚Totholzkäfer’ etc. Derzeit ist dieser Grundsatz fehlangebracht. ... Nach TeßMER (2002, N+R 12/2002) dürfte ein derartiger Eigentumsgrundsatz darüber hinaus zu erheblichen Missverständnissen beim Normadressaten füh- ren, da die Erwartung geweckt wird, dass jede nicht gegen ein Gesetz versto- ßende Grundstücksnutzung per se den Zielen des Naturschutzes dient. Ein sol- ches Selbstverständnis existiert jedoch nicht, insbesondere schon deswegen -7-



nicht, da die wirtschaftliche Eigentumsnutzung in der Regel anderen Nut- zungen vorangeht und nicht auf den Schutz des Naturhaushaltes ausge- richtet ist. Es ist vielmehr Aufgabe des Gesetzgebers, dem Grundeigentümer seine Rech- te und Verantwortung in Bezug auf den Schutz von Natur und Landschaft auf- zuzeigen..."

Sie sehen, am Entwurf für die Novelle des Landesnaturschutzgesetzes muss noch in- tensiv gearbeitet werden.

Zum Schluss möchte ich einen Appell zur parlamentarischen Beratung des Lan- desnaturschutzgesetzes aussprechen: Es entspricht der gelebten Tradition hier im Parlament, derart grundlegende Gesetzentwürfe mit ausreichend Zeit und in an- gemessener Tiefe zu beraten. Dazu sollten wir unabhängig von anderen vorliegen- den Gesetzentwürfen und erkennbaren politischen Interessen uns vereinbaren. Die Vielzahl der noch zu prüfenden Fragestellungen und auch die Notwendigkeit, den stark veränderten Entwurf allen Verbänden zur Prüfung zu geben und sie anzuhören, macht deutlich, dass wir diesen Gesetzentwurf nicht im Eilschritt durch die Ausschüsse trei- ben dürfen.