Peter Eichstädt zu TOP 27+35: Schleswig-Holstein bewegt sich - Nichtrauchen wird die Normalität
Sozialdemokratischer Informationsbrief Kiel, 13.10.2006 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuellTOP 27 + 35 – Nichtraucherschutz im Gaststättenrecht verankern / Rauchfreier öffentlicher Raum (Druck- sachen 16/1022, 16/437neu und 16/1018)Peter Eichstädt:Schleswig-Holstein bewegt sich: Nichtrauchen wird die NormalitätEine umfassende Gesetzgebung zum Schutz von Nichtrauchern werde kommen, so der dro- genpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion in seiner Rede. Nicht das Rauchen dürfe die den Umgang miteinander bestimmende Norm sein, sondern das Nichtrauchen. Mehr als 35 Millionen Nichtraucher seien entweder zu Hause oder am Arbeitsplatz oder in ihrer Freizeit mit den Schadstoffen des Passivrauchens belastet, so Peter Eichstädt, und 15% aller Todesfälle würden durch Rauchen verursacht. Dass in den Räumen des Schleswig-Holsteinischen Land- tages sowie in allen Gebäuden, in denen das Land Schleswig-Holstein das Hausrecht ausübt, das Rauchen verboten werde, sei nur konsequent. Die Landesregierung wird aufgefordert, sich auch auf Bundesebene für einen wirksamen Nichtraucherschutz einzusetzen. Mit dem Vor- schlag eines Rauchverbotes in Gaststätten scheitere die SPD am Koalitionspartner CDU. Nichtraucherschutz sei besonders wichtig auch bei der Drogenprävention für Kinder- und Ju- gendliche.Die Rede im Wortlaut: Es ist neun Monate her, dass wir den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen beraten ha- ben. Seitdem hat es in Form der großen Anhörung im Sozialausschuss sowie in der bundesre- publikanischen Öffentlichkeit eine rasante Diskussion um das Thema Nichtraucherschutz ge- Schleswig- HolsteinHerausgeber: SPD-Landtagsfraktion Verantwortlich: Petra Bräutigam Landeshaus Postfach 7121, 24171 Kiel Tel: 0431/ 988-1305/1307 Fax: 0431/ 988-1308 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Internet: www.spd.ltsh.de SPD -2-geben. Wir können heute feststellen, dass – weil Deutschland in dieser Diskussion dem Aus- land weit hinterhinkte – auch in unserem Land ein Paradigmenwechsel stattgefunden hat.Was vor einem Jahr im politischen Raum noch undenkbar schien, ist jetzt möglich: Wir werden eine umfassende Gesetzgebung zum Schutz von Nichtrauchern bekommen, wir werden in der gesellschaftlichen Wahrnehmung des Rauchens dazu kommen, dass nicht das Rauchen die den Umgang miteinander bestimmende Norm ist, sondern das Nichtrauchen.Ich möchte vorweg sagen, weil ich in den letzten Monaten in den Ruf geraten bin, eine Art mili- tanter Bekämpfer aller Menschen zu sein, die sich eine Zigarette anzünden: Es geht nicht dar- um, Raucher zu diskriminieren. Soweit sie erwachsen und im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte sind, sollen sie von mir aus weiterrauchen und mit ihrer Gesundheit machen, was sie wollen. Es geht vielmehr darum, andere Menschen, die bewusst auf das Rauchen verzichten, vor dem Mitrauchen und den damit verbundenen Gesundheitsschäden zu schützen. Und es geht zum Zweiten darum, ein Klima in unserem Land zu schaffen, in dem das Rauchen die Ausnahme und das Nichtrauchen das normale Verhalten ist.Ich kann hier auf die ausführliche Schilderung der Gefahren des Rauchens verzichten. Zum einen ist alles gesagt, zum anderen wird niemand die Tatsache bestreiten, dass Rauchen das Leben entscheidend verkürzt. Insofern haben wir kein Erkenntnisproblem sondern ein Umset- zungsproblem. Es gibt keinen vernünftigen Grund, sich gegen einen konsequenten Nichtraucherschutz zu stellen.Es steht fest, 80% der Raucher sind nikotinabhängig, das Argument vom Genussrauchen ohne Abhängigkeit ist weitestgehend eine Mär. Das deutsche Krebsforschungszentrum in Heidel- berg sagt, dass mehr als 35 Millionen Nichtraucher entweder zu Hause oder am Arbeitsplatz oder in ihrer Freizeit mit den Schadstoffen des Passivrauchens belastet werden. -3-91% der Todesfälle an Lungenkrebs bei Männern sind auf Rauchen zurückzuführen, bei Frau- en sind es 65%. Bei Herzerkrankungen verhält es sich nicht anders. Bei 60jährigen Rauchern ist die Zahl der Herzinfarkte verdoppelt, bei 50jährigen verdreifacht im Vergleich zu Nichtrau- chern. Die Zahl der Todesfälle durch Rauchen im Jahr 2000 in Deutschland wird auf 110.000 geschätzt, also 15% aller Todesfälle. Neuere Untersuchungen bestätigen, dass das passive Rauchen nicht wesentlich unschädlicher ist als das aktive Rauchen. Also - beenden wir diese Diskussion und stellen fest: Nichtraucher haben ein Recht darauf, vor dem Mitrauchen geschützt zu werden.In den letzten neun Monaten hat sich viel verändert. Für Raucher wird es nicht nur in Europa, sondern jetzt auch in Deutschland, eng: Viele EU-Länder haben bereits weitestgehende Ver- bote des Rauchens in öffentlichen Einrichtungen oder Gaststätten ausgesprochen. Frankreich bereitet ein Rauchverbot im öffentlichen Raum und in der Gastronomie vor. In Deutschland wird über Rauchverbote in Gaststätten parteiübergreifend auf Bundesebene diskutiert. Wer Bahn fährt, kann in Bordbistros nicht mehr rauchen. Die Große Koalition in Berlin hat sich grundsätzlich auf ein Rauchverbot in öffentlichen Gebäuden und Verkehrsmitteln geeinigt. Offen ist noch, wie in Gaststätten und Kneipen verfahren werden soll.Selbst die Zigarettenindustrie wirbt für ein Verbot im öffentlichen Raum. Sie schlägt vor, ge- sonderte Raucherbereiche in Gaststätten einer bestimmten Größe zu schaffen. In Bremen hat die Gesundheitssenatorin angekündigt, ein Rauchverbot in Restaurants und Kneipen im Al- leingang durchzusetzen, falls sich die Bundesländer nicht einigen. Die französische Regierung bereitet ein striktes Rauchverbot für alle öffentlichen Plätze vor. Bei uns wird ein Rauchverbot für unter 18-jährige erwogen.Und zum Schluss der Aufzählung eine gute Nachricht: In Italien ist seit der Einführung des Rauchverbotes in öffentlich zugänglichen Räumen und Gaststätten die Zahl der Herzinfarkte signifikant gesunken, Wissenschaftler stellen einen direkten Zusammenhang her. -4-Sie sehen, es ist etwas in Bewegung gekommen, und da ist es richtig, dass gerade das „Ge- sundheitsland Schleswig-Holstein“ eine umfassende Kampagne zu den Gefahren des Rauchens plant und den Nichtraucherschutz zukünftig umfassend gewährleistet. Dass in den Räumen des Schleswig-Holsteinischen Landtages sowie in allen Gebäuden, in denen das Land Schleswig-Holstein oder eine von ihm beauftragte Institution das Hausrecht ausübt, das Rauchen verboten wird, ist da nur konsequent.Dies wird bedeuten, dass auch hier im Landtag – mit der ja lange diskutierten und eingeforder- ten Vorbildwirkung für jugendliche Besucherinnen und Besucher – das Rauchen bis auf gesondert gekennzeichnete Bereiche verboten wird. Und wir gehen davon aus, dass auch die Fraktionen in ihren Räumlichkeiten vergleichbare Regelungen herbeiführen. Rauchenden Mit- arbeiterinnen und Mitarbeitern wollen wir, wie viele große Betriebe im Land dies im Rahmen von aktiver Gesundheitsförderung machen, Hilfen und Unterstützung zur Überwindung von Nikotinabhängigkeit geben. Gleichzeitig soll die Landesregierung mit den Kreisen und kreis- freien Städten, Ämtern und Gemeinden beraten, wie solche Maßnahmen auch in deren Berei- chen umgesetzt werden können.Wir fordern die Landesregierung auf, sich auch auf Bundesebene im Bundesrat für einen wirk- samen Nichtraucherschutz einzusetzen. Und wenn wir sagen, dass dazu ein Rauchverbot in allen zugänglichen Bereichen wie Flughäfen, Bahnhöfen, öffentlichen Verkehrsmitteln, sowie ein allgemeines Werbeverbot für Tabakwaren gehört, so ist von dieser Liste schon einiges abgearbeitet: Auf Flughäfen, Bahnhöfen und z. B. bei der Deutschen Bahn ist inzwischen das Rauchen verboten.Wir wissen, dass in vielen Betrieben aktiver Nichtraucherschutz betrieben wird. Dies ist in klei- neren und mittleren Betrieben häufig sehr viel schwerer, da dort die Strukturen für die Gestal- tung eines solchen Nichtraucherschutzes fehlen. Wir möchten deshalb, dass das Sozialminis- terium eine Broschüre erstellt, die Hinweise für die Umsetzung des Nichtraucherschutzes für solche Betriebe enthält. -5-Nachdem wir vor einem Jahr ein Rauchverbot in Schulen beschlossen haben, ist es mindes- tens genau so wichtig, jetzt endlich in Kindertagesstätten zu einem Nichtraucherschutz zu kommen. Das gilt für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber auch für Eltern.Dies alles gilt es jetzt umzusetzen. Über den Fortgang erwarten wir von der Regierung nach 2 Jahren einen Bericht. Wenn sich Probleme herausstellen, die anders nicht zu bewältigen sind, wird der Landtag dann eine gesetzliche Regelung zum Nichtraucherschutz herbeiführen.Nicht in allen Punkten konnten wir uns mit unserem Koalitionspartner CDU in der Beschluss- vorlage für den Sozialausschuss einigen. So hätten wir gern gesehen, dass auch Schleswig- Holstein für ein konsequentes Rauchverbot in Gaststätten sorgt. Dieses war mit unse- rem Koalitionspartner aber noch nicht zu erreichen. Das ist auch der Grund, weshalb wir den dies betreffenden Antrag der Grünen gemeinsam mit der CDU ablehnen werden. Weiter hätten wir es begrüßt, wenn das Aufstellen von Zigarettenautomaten auf öffentlichen Grundstücken verboten worden wäre. Auch hier gab es keine Einigung.Ich möchte noch einmal betonen, dass die Schaffung eines gesellschaftlichen Klimas, das von der Normalität, nicht zu rauchen, geprägt ist, besonders wichtig bei der Drogenprävention für Kinder- und Jugendliche ist. Es ist bekannt: Kinder und Jugendliche, die Nikotin rauchen, sind sechsmal stärker gefährdet, auch an Haschisch-Produkte zu kommen, als dies bei nicht rauchenden Kindern und Jugendlichen der Fall ist. Schon deshalb ist es wichtig, darauf hinzu- wirken, dass Kinder und Jugendliche gar nicht erst beginnen zu rauchen, da dies als wirksame Suchtprävention im allgemeinen Sinne anerkannt ist.Es gibt noch andere Themen, die in der Öffentlichkeit diskutiert werden bzw. diskutiert werden müssen. So wird überlegt, ob die Abgabe von nikotinhaltigen Produkten erst an Menschen ab 18 Jahre erlaubt werden soll. Auch die Frage, ob ausgerechnet in Krankenhäusern ge- raucht werden darf, wird uns weiter beschäftigen. Und – lassen Sie mich diese Anmerkung aus -6-ganz persönlicher Betroffenheit machen – wir sollten dringend darüber nachdenken, ob es auch Teil der Entfaltung der persönlichen Freiheit ist, wenn Eltern ihre Säuglinge und Kleinkin- der in ihren PKW setzen und auf der Fahrt den Innenraum mit Nikotinrauch füllen.Wir haben einen guten Beschlussvorschlag zu beraten, der deutlich macht, dass der Schles- wig-Holsteinische Landtag entschlossen ist, sich für Nichtraucherschutz in unserem Land einzusetzen. Ich hoffe, dass wir in Schleswig-Holstein – und auch hier im Landtag – zu einem friedlichen, toleranten Umgang von Rauchern und Nichtrauchern kommen, wobei im ersten Moment von den Rauchern der berühmte Schritt über den eigenen Schatten ansteht.Ich betone: Wir wollen Raucher nicht ausgrenzen. Und nach der monatelangen Debatte sollte es nun darum gehen, auch bei uns, unter strikter Wahrung des Nichtraucherschutzes, beiden Seiten gerecht zu werden. Ich hoffe weiterhin auf eine friedliche Koexistenz beider Gruppen - auch in der Lobby unseres schleswig-holsteinischen Landtages.