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12.10.06
10:26 Uhr
B 90/Grüne

Detlef Matthiessen zur festen Fehmarnbelt-Querung

PRESSEDIENST Fraktion im Landtag Schleswig-Holstein Stellv. Pressesprecher Dr. Jörg Nickel Es gilt das gesprochene Wort! Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel TOP 13 – Fehmarnbeltquerung Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 Dazu sagt der verkehrspolitische Sprecher Telefax: 0431/988-1501 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Mobil: 0178/28 49 591 Detlef Matthiessen: E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Internet: www.sh.gruene-fraktion.de

Nr. 425.06 / 12.10.06
Staatsgarantie = Schulden Finanzierung steht auf tönernen Füssen
Es gibt eine Unmenge von Studien und Untersuchungen. 35 Titel werden von der Landes- regierung aufgelistet. Die Kosten dafür summieren sich auf 20 Millionen Euro, eine stolze Summe. Und was sind die Ergebnisse all dieser Gutachten? Eine Querung ist technisch machbar und bei voller Staatsgarantie auch umsetzbar. Das kann aber Niemanden vom Hocker hauen. Dass ein Brückenbau technisch machbar ist, wird von keinem Menschen bestritten. -> Die Frage ist doch, ist ein neuer Brückenschlag sinnvoll? -> Und die zweite Frage ist, kann das Projekt finanziert werden?
An vielen Stellen wird auf die Große Belt-Querung verwiesen. Der Erfolg dort ist aber ge- prägt von 97 Prozent innerdänischem Verkehr. Ich will dabei nicht von lokalem Ziel- und Quellverkehr reden, aber die Nutzer dort haben entschieden kürzere Gesamtfahrzeiten. Ich bezweifle sehr, ob diese Zahlen auf Fehmarnbelt übertragbar sind.
Dazu kommt, dass die Öresundregion in den Ballungszentren Malmö und Kopenhagen liegt, beide dynamische Wirtschaftszonen, während die Region Fehmarnbelt „jwd“ - janz weit draußen liegt.
Überhaupt nicht berücksichtigt wird der Ölpreis in seiner möglichen Entwicklung. Und zwar in zweierlei Hinsicht: Bei einer Bauphase 2010 bis 2017 schlagen die steigenden Rohstoff und Energiekosten niemals nur mit den von Ihnen angenommenen 2,5 Prozent per anno zu Buche. Das muss erheblich nach oben korrigiert werden. Dasselbe gilt auch für die Nutzungsphase, die Leute fahren bereits heute weniger, und zwar aus Kostengründen. Sie schreiben in der Antwort aber noch, dass der Kreis Ostholstein ja günstig Bauland an- bieten könnte für Menschen der Metropolregionen Kopenhagen oder Hamburg.
1/4 Was steht auf dem Spiel? Es gibt eine funktionierende Fährverbindung, die flexibel auf höhere Nachfrage reagiert und die weiter optimiert werden kann. Heute haben wir pro Tag 96 Fährfahrten hin und zurück. Daran hängen direkt 1100 Arbeitsplätze. Keine Subventio- nen, alles funktioniert. 600 Arbeitsplätze auf Fehmarn. Sie antworten in unserer Großen Anfrage: „Die völlige Einstellung des Fährverkehrs wäre nicht unwahrscheinlich.“
Dazu kommen 2.340 direkt Beschäftigte im Tourismus auf der Insel, für die Sie zumindest in der siebenjährigen Bauphase große Risiken sehen und danach die Auswirkungen nicht abschätzen können, es könnte der Inselcharakter verloren gehen.
Bei den Stellungnahmen zum Projekt feste Querung fehlen die kritischen Stimmen aus der maritimen Verbundwirtschaft, die eine Verkehrsverlagerung vom Schiff auf die Straße be- fürchten. Zu Recht, denn das ist feste Absicht, für eine feste Querung muss die Fährver- bindung vorher platt gemacht werden. Ich verweise auf die gemeinsame Stellungnahme von Hafenwirtschaft und Fährlinien aus Schleswig-Holstein und Mecklenburg- Vorpommern, die Stellungnahme der IHK Rostock, die ständigen Erklärungen der LHG (Lübecker Hafengesellschaft) über Umschlagverluste durch die feste Querung.
Auch auf dem ersten norddeutschen Wirtschaftstag 2006 der CDU-Wirtschaftsräte Ham- burg und Schleswig-Holstein war zu lesen: Aus wirtschaftlicher Sicht ist der Kos- ten/Nutzenfaktor der Fehmarnbeltbrücke gering.
Zu der Wertschöpfung der derzeitigen Fährverbindung kann die Landesregierung keine Angaben machen, das ist unverständlich. Die Umsätze der Fährlinie und die Gehälter der Beschäftigten müssten eigentlich bekannt sein. Die Zwangsruhepausen der LKW-Fahrer auf den Fähren werden nicht als Vorteil des Fährverkehrs erwähnt. Auch das kann nicht nachvollzogen werden.
Die Zusammenfassung des Kapitels Sinnhaftigkeit des Projekts lautet: Sie reden sich die feste Beltquerung schön. Risiken werden übersehen, die Zerschlagung bestehender und funktionierender maritimer Strukturen wird nicht gerechnet und positive Effekte herbeiin- terpretiert und herangewünscht.
Die zweite Frage: Kosten, Finanzierung. Bei der Aufstellung der Gesamtkosten der festen Querung fehlen die Finanzierungskosten. Weiter, die Finanzierung der Hinterlandanbin- dung, Kosten von 1,2 Milliarden Euro, ist keineswegs sicher. Diese Mittel werden auf das Kontingent von Schleswig-Holstein aus dem Bundesverkehrswegeplan angerechnet. Das sind eben keine zusätzlichen Mittel, die der Bund gibt.
Zu der Notwendigkeit des Ausbaus der Fehmarnsundbrücke gibt es keine klaren Aussa- gen der Landesregierung. Im Juni 2006 war im Fehmarnschen Tageblatt zu lesen, dass die SPD-Bundestagsabgeordnete Bettina Hagedorn auf ihre Nachfrage vom Staatssekre- tär im Bundesverkehrsministerium die Antwort bekommen hebe, dass eine zweite Sund- brücke nicht erforderlich sei. Frau Hagedorn folgert daraus: „wenn der Bau der festen Beltquerung mit massiv ansteigendem Verkehrsaufkommen begründet wird, einen Auf- kommen, das die jetzigen Verkehrswege überlastet, dann ist der komplette Hinterlandaus- bau notwendig, inklusive 2. Sundbrücke.“ Da hat Frau Hagedorn vollkommen Recht, wie sie ja offenbar auch die Ergebnisse der Berliner Investorenkonferenz ganz anders wahr- genommen hat. Nun kommen wir zu der spannenden Frage der Absicherung der Finanzie- rung. Beim Staatsgarantiemodell „übernehmen die Regierungen weitgehend die Verant- wortung einschließlich des Einnahmerisikos für das Projekt“, so die Landesregierung wört- lich. Es gäbe zwar durch die Staatsgarantie eine günstige Kreditfinanzierung, Dänemark und Deutschland „würden jedoch das volle wirtschaftliche Risiko in der Betriebsphase ü- bernehmen“. Also noch mal zum Mitschreiben: das volle wirtschaftliche Risiko in der Be- triebsphase. Ich frage Sie, was ist daran noch Öffentlich-Private-Partnerschaft, wenn die Privaten keinerlei Risiken tragen?
Das ist eine völlige Abkehr von der früheren rot-grünen Vereinbarung zur Finanzierung. Da hieß es ganz eindeutig: „Die Finanzierung soll nur mit privatem Kapital erfolgen. Private Investoren sollen angemessen am Risiko beteiligt werden.“
Staatsgarantien sind aber nichts anderes als Schulden. Bei diesen finanziellen Dimensio- nen stellt sich auch die Frage, rutscht Deutschland damit wieder in die Verschuldensgren- zen der Wirtschafts- und Währungsunion? Ist das auf die Maastrichtkriterien anzurech- nen? Gibt es dann doch blaue Briefe aus Brüssel?
Die EU-Mittel für die TEN-Projekte (Transeuropäische Netze) sind von 20,35 Milliarden Euro auf 7,5 Milliarden Euro gekürzt worden. Es soll nun eine Erhöhung auf acht Milliarden Euro geben, die letzte Lesung des Haushaltsplans findet vom 11.-14.12.06 statt. Daran kommt der Ministerpräsident nicht vorbei: Die Mittel für verkehrspolitische Großprojekte sind erheblich zusammengestrichen worden. Der Ministerpräsident möchte sich ein Denkmal errichten, aber es sollen ja andere bezahlen. Das Interesse und das Vermögen dazu scheint in Brüssel und Berlin sehr viel geringer zu sein als in Kiel gewünscht.
Von 2001 bis 2015 soll die Anzahl der PKW und LKW von 6.000 auf 9.000 pro Tag stei- gen. Das wären gerade mal 35 Prozent des heutigen Verkehrsaufkommens der Großen Beltquerung bei einem Drittel höherer Kosten für die Fehmarnbelt-Brücke. Wie soll sich das je rechnen?
Diese Fragen stellen ja nicht nur wir, sondern auch die verschiedenen öffentlichen und pri- vaten Geldgeber für die Beltbrücke. Die Finanzierung steht auf tönernen Füssen. Der Nut- zen-Kosten-Faktor für ein optimiertes Fährkonzept beträgt 5,2 für die feste Querung nur 1,2. Dabei wird noch ein volkswirtschaftlicher Nutzen für Touristen eingerechnet, was nicht zulässig ist, denn diese Menschen befinden sich im Urlaub.
In Deutschland wird keine Autobahn gebaut, wenn der Nutzen-Kosten-Faktor nicht größer als 3,0 ist. Das ist ein klares Ergebnis, ein optimiertes Fährschiffkonzept ist der festen Querung weit überlegen. Wozu machen wir die umfangreiche Nutzen/Kosten- Berechnungen, wenn die Landesregierung sie partout nicht zur Kenntnis nimmt? Frau Bundeskanzlerin Merkel sieht eine Reihe von Problemen bei der Finanzierung der Fehmarnbelt - Brücke. Sie hat völlig Recht damit, dass die norddeutschen Länder sich entscheiden müssen, welche Verkehrsprojekte für sie am wichtigsten sind. Norddeutsch- land wird nicht alles finanziert bekommen, A20 mit Elbquerung, A22 bis Holland, Sechs- spurigkeit der A7, A21 etc. Hier müssen die Regierungen Prioritäten setzen.
Verkehrs- und wirtschaftspolitisch reden und träumen Sie sich die Fehmarnbelt-Querung schön, die Finanzierung ist weit von der Realität entfernt. Selbst wenn die Fehmarnbelt- Querung gebaut würde, saugt dieses Projekt die Finanzierung anderer Verkehrsprojekte leer.
Sie verweigern darauf die Antwort: Welche Prioritäten sollen wir setzen, wenn wir nicht alle Projekte finanzieren können? Das ist verantwortungslos, auch gegenüber den betroffenen Menschen in der Region. Kommen Sie runtergeklettert aus Ihrem Traumschloss. Was für die Mark galt, gilt für den Euro genauso: Man kann ihn nur einmal ausgeben. Wir brauchen das Geld an anderer Stelle, für zukunftsweisende Verkehrprojekte.
Die Grüne Landtagsfraktion bleibt bei ihrer klaren Position, der Bau einer festen Querung über den Fehmarnbelt ist unnötig, denn es gibt eine hervorragend funktionierende Fähr- Verbindung.

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