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11.10.06
17:16 Uhr
B 90/Grüne

Karl-Martin Hentschel zur Verwaltungsstrukturreform und Gebietsreform

PRESSEDIENST Fraktion im Landtag Schleswig-Holstein Stellv. Pressesprecher Dr. Jörg Nickel Es gilt das gesprochene Wort! Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel TOP 19 und 24 – Verwaltungsstrukturreform und Gebietsreform Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 Telefax: 0431/988-1501 Dazu sagt der Vorsitzende der Fraktion Mobil: 0178/28 49 591 Bündnis 90/Die Grünen, E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Internet: www.sh.gruene-fraktion.de Karl-Martin Hentschel: Nr. 421.06 / 11.10.06



Die Regierung braucht endlich ein Konzept Für eine Gebiets- und Verwaltungsreform aus einem Guss

Die Große Koalition hat eingesehen, dass die Bildung von kommunalen Verwaltungsregionen keinen Sinn macht. Sie macht keinen Sinn, weil der Aufbau von zusätzlichen Regionalverwal- tungen unter Beibehaltung der Kreise alles komplizierter, aber kaum etwas effizienter ma- chen würde. Das begrüßen anscheinend alle hier im Haus, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Genauso begrüße ich, dass die Koalition nun endlich unserem Vorschlag, eine Kreisgebietsreform durchzuführen, folgen will.
Wie diese aussehen wird, steht allerdings noch in den Sternen. Völlig unklar ist, wie denn ei- ne Kreisreform mit der Reform der Kommunalverwaltungen zusammengehen soll, die dem Landtag von der Regierung in dieser Sitzung bereits vorgelegt wurde. Ich stelle fest: Das ei- ne passt nicht zum anderen. Deshalb fordern wir jetzt die Landesregierung auf, ein Konzept für eine Gebietsreform und für eine zügige Reform der Kommunalverwaltungen aus einem Guss vorzulegen.
Damit grenzen wir uns auch zum FDP-Antrag ab. Denn die FDP fordert zwar in ihrem Antrag auch eine Gesamtkonzeption für eine Verwaltungsstrukturreform, ist sich selber anscheinend aber noch nicht sicher, was sie will. Die Mehrheit ist wohl noch dagegen, der Fraktionsvorsit- zende will am liebsten die Kreise ganz auflösen und dem Land zuschlagen.
Was erwarten wir Grünen von dem geforderten Konzept?
Wir gehen davon aus, dass eine Kreisgebietsreform zu einer Zusammenfassung der Kreise und kreisfreien Städte in vier oder fünf Regionen führt. Diese Regionen müssen die Aufga- ben der regionalen Landesbehörden und den Teil der Aufgaben der Kreise, die nicht in die Gemeinden verlagert werden können, übernehmen.
1/3 Eine Kreisreform macht jedoch nur Sinn, wenn alle Aufgaben, die die Bürger persönlich betreffen, soweit wie möglich nach unten in die Gemeinden abgeben werden. Eine solche konsequente Verlagerung vieler Aufgaben vom Kreis auf die Gemeinden und vom Land auf die Regionen ist nicht nur effizient, sie ist auch demokratisch und vor allem bürgerfreundlich. Die Verwaltung rückt zum Bürger hin.
Die BürgerInnen müssen in ihrem Rathaus alles erledigen können, was sie brauchen. Nur dann ist die Bildung von Regionen tragbar. Bauamt, Schulamt, Jugendamt, PKW- Zulassungsstelle müssen vor Ort sein. Dadurch entstehen handlungsfähige Gemeinden. Und das ist auch der Grund, warum wir sagen: Diese handlungsfähigen Ämter und Gemeinden brauchen eine Untergrenze von 20.000 Einwohnern.
In der Konsequenz heißt das: Wir brauchen eine Struktur der Kommunen und Ämter, die es ermöglicht, alle Aufgaben, die die Bürgerin oder Bürger direkt betreffen, aus den Kreisen in die Rathäuser der Gemeinden und Ämter nach unten zu verlagern.
Wer das will, der muss dann nicht nur für eine Gebietsreform auf Kreisebene eintreten. Denn wir brauchen genauso dringend eine Gebietsreform auf kommunaler Ebene, damit die Ämter handlungsfähig bleiben. Handlungsfähige Ämter brauchen einen direkt gewählten Bürger- meister und eine gewählte Amtsvertretung. Dies erfordert eine Amtsverfassung, die die de- mokratische Repräsentanz aller politischen Kräfte im ländlichen Raum sicherstellt. Ämter werden so zu Amtsgemeinden, in denen aber – wie in Niedersachsen und Rheinland-Pfalz - die Ortsgemeinden durchaus erhalten bleiben können.
Wenn wir über eine Gebietsreform sprechen, dann muss man auch über das Thema Einge- meindung ansprechen. Ich finde, da hat der CDU-Kollege Thomas Stritzl recht. Als typisches Beispiel will ich den Kieler Stadtteil Kronshagen nennen, der aus historischen Gründe eine Gemeinde im Kreis Rendsburg-Eckernförde ist. Diese Situation ist in doppelter Hinsicht ab- surd.
Einerseits profitieren die Kronshagener selbstverständlich von der gesamten Infrastruktur Kiels, vom Bahnhof über das Opernhaus bis hin zu den Einkaufszentren und Straßen. Aber sie beteiligen sich nicht an der Finanzierung.
Andererseits werden auch fast alle wichtigen Entscheidungen für die Kronshagener im Kieler Rathaus getroffen. Sie dürfen aber weder die Bürgermeisterin noch den Stadtrat mitwählen.
Ein noch deutlicheres Beispiel ist Rendsburg: Rendsburg, Büdelsdorf und die umliegenden Gemeinden sind längst zu einer Stadt von 70 000 Einwohnern zusammengewachsen. Diese Stadt braucht eine handlungsfähige Verwaltung, eine gewählte BürgermeisterIn und einen Stadtrat. Stattdessen gibt es sieben Amtsvorsteher und BürgermeisterInnen. Es ist nicht nur ein Hindernis, wenn sieben Gemeinde- und Stadträte und sieben Bürgermeister immer erst miteinander reden müssen. Das führt auch regelmäßig zu suboptimalen Entscheidungen, zu konkurrierenden Planungen und zur Verschwendung von Geld. Wir fordern daher eine kommunale Gebietsreform, die das Prinzip „Eine Verwaltung, ein Bür- germeister und einen Rat für eine Gemeinde, eine Stadt oder ein Amt“ wiederherstellt. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, ob die Städte Lübeck und Kiel Teil der Regionen werden sollen oder „regionsfreie“ Städte werden. In dieser Frage waren wir auch noch während der Koalitionsverhandlungen mit der SPD unterschiedlicher Meinung. Ich bin da sehr entschieden: Wenn z.B. aus der KERN-Region ein Regionalkreis entsteht, dann sollte Kiel auf jeden Fall auch Teil dieser Region sein. Der Vorteil solcher Regionen ist doch gerade, dass die unterschiedlichen Interessen zwischen Stadt und Land in der Region ausgeglichen werden können.
Typische Aufgaben für die Region wären z.B. der öffentliche Nahverkehr, das Theater und Opernhaus als gemeinsame Einrichtungen, die Abfallentsorgung, die Krankenhausversor- gung, die Raum- und Flächenplanung usw..
Es wäre doch absurd, eine Region zu bilden, und dann Kiel aus dieser Region wieder he- rauszunehmen. Wenn selbst eine Stadt wie Hannover mit 600 000 Einwohnern Teil der Re- gion Hannover geworden ist, dann sollte das für Kiel erst recht möglich sein. Wer von den Kommunen und Regionen aktive Wirtschaftspolitik erwartet, wer sich eine abgestimmte Raumentwicklung wünscht, wer einen leistungsfähigen Nahverkehr, eine effiziente abge- stimmte Krankenhausplanung und eine gute lokale Schulstrukturen will, der muss sich für handlungsfähige Kommunalstrukturen entscheiden.
Und im übrigen würde sich damit auch die absurde Diskussion über die Direktwahl der Bür- germeisterin in Kiel erledigen. Denn selbstverständlich bin ich für die Direktwahl auch der Oberbürgermeister. Die zukünftigen Regionspräsidenten, die an die Stelle der Landräte tre- ten, sollten allerdings von den Regionsversammlungen gewählt werden. Die Erfahrungen in den Landkreisen machen deutlich, dass auf dieser Ebene eine direkte Beziehung zu den WählerInnen schwer herstellbar ist.
Ihre Ankündigung des Ministerpräsidenten, die Gebietsreform erst 2010 durchführen zu wol- len, sollten er noch einmal überdenken. Angesichts der finanziellen Lage des Landes sollte eine solche Reform, die immerhin dreistellige Millionenbeträge zur Entlastung der Landes- kasse bringen kann, nicht weiter aufgeschoben werden. Das würde es uns auch ersparen, drei Kommunalwahlen in fünf Jahren durchzuführen.
Deswegen fordern wir ein Gesamtkonzept der Landesregierung bis Februar 2007. Es kann nicht sein, dass die Regierungsparteien weiterhin von einem Koalitionsausschuss in den nächsten stolpern und die Kommunen auf immer neue Offenbarungen der Propheten Stegner und Carstensen warten müssen.
Die Landesregierung soll zügig ein Konzept vorlegen, damit die angestrebten Einsparungen möglichst bald erreicht werden können und Schleswig-Holstein handlungsfähig wird für das neue Jahrhundert.
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