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11.10.06
13:13 Uhr
FDP

Günther Hildebrand zur Verwaltungsreform: "Ist das alles nach 17 Monaten Großer Koalition?"

FDP Landtagsfraktion Schleswig-Holstein



Presseinformation Wolfgang Kubicki, MdL Nr. 287/2006 Vorsitzender Dr. Heiner Garg, MdL Stellvertretender Vorsitzender Kiel, Mittwoch, 11. Oktober 2006 Dr. Ekkehard Klug, MdL Parlamentarischer Geschäftsführer Sperrfrist: Redebeginn Günther Hildebrand, MdL
Es gilt das gesprochene Wort!
Innen/ Kommunales/ Verwaltungsstrukturreform und Verwaltungsmodernisierung
Günther Hildebrand: „Ist das alles nach 17 Monaten Großer Koalition?“ In seinem Redebeitrag zu den TOP’s 8 und 11 (Zweites Verwaltungsstruktur- gesetz und Erstes Verwaltungsmodernisierungsgesetz) erklärte der kommunal- politische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Günther Hildebrand:
„Wir befassen uns heute mit zwei Gesetzen, die eigentlich einen völlig verschiedenen Regelungsinhalt haben.
Das eine Gesetz, das so genannte Verwaltungsmodernisierungsgesetz, hat die Zielsetzung, Verwaltungen in Schleswig-Holstein von Aufgaben zu entlasten, also der Deregulierung, und das zweite Gesetz, das so genannte Verwaltungsstrukturreformgesetz, ist die Fortschreibung der kommunalen Verwaltungsstrukturreform mit einer Mindestämtergröße von 8.000 Einwohnern.
Ich komme zum ersten Gesetzentwurf – zum Ersten Verwaltungsmodernisierungsgesetz.
Unter dem Namen „Verwaltungsmodernisierungsgesetz“ versteckt sich ja eine große Erwartungshaltung. Es ist eines der Gesetze, welches die öffentliche Hand von Aufgaben befreien, Bürokratie abbauen und für die Zukunft wieder finanzielle Spielräume für die öffentlichen Finanzen eröffnen soll. Es soll darüber hinaus die Wirtschaft im Land mit weniger Bürokratie belasten, damit sie wieder freier agieren kann. Zumindest sollte dies der Anspruch des Gesetzes sein, das heute als Tagesordnungspunkt mit einem zehnminütigen Redebeitrag gewürdigt werden soll.
Diesem Anspruch wird dieses Gesetz allerdings bei weitem nicht gerecht. Es ist am heutigen Tage quasi die erste Bankrotterklärung für die Arbeit des Entbürokratisierungsstaatssekretärs Schlie. Die Zweite folgt im weiteren Verlauf der Tagesordnung über das Ende der Kommunalen Verwaltungsregionen – auch eine Idee, an der Herr Staatssekretär Schlie mitgewirkt hat.
Christian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, 1 Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/ Wer innerhalb von 17 Monaten Regierungszeit bei den vollmundigen Ankündigungen so wenig auf den Weg bringt, hat kein Lob verdient.
Was wird in dem Gesetz geregelt?
- Es wird die Berichtspflicht der Landesregierung über die Durchführung des Gleichstellungsgesetzes abgeschafft, - es bedarf keiner Genehmigung zur Führung des Landeswappens mehr, - die Dienstflagge des Landes darf künftig auch privat genutzt werden, - die Jubiläumszuwendung für Beamte wird gestrichen, nicht allerdings für Ehrenbeamte, wie z. B. Kommunalpolitiker, und - es wird Änderungen im Jagdrecht, im Sprengstoffrecht und beispielsweise der Gemeindeordnung geben, um nur noch einige Gesetze zu nennen.
Insgesamt können wir heute bereits folgende Ersparnis aus der Gesetzesvorlage ableiten:
Es werden beim Land insgesamt 0,4 Stellen eingespart. Für die Streichung der Jubiläumszulage werden beim Land und den Kommunen 900.000 Euro eingespart – selbstverständlich natürlich wieder bei den Beamten, die nach Willen der Landesregierung künftig schon größtenteils auf ihre Sonderzahlungen verzichten müssen. Ob die dann dafür Verständnis haben, dass künftig der Ministerpräsident mehr Orden verteilen darf, darf bezweifelt werden. Der Ansatz für Orden und Ehrenzeichen wurde im Haushaltsentwurf von 7.000 auf 15.000 Euro erhöht. Sogar ein neuer Landesorden soll geschaffen werden. Man muss eben die richtigen Prioritäten setzen!
Ansonsten sparen die Kommunen durch die Änderung der Bestimmungen zum Vorverfahren bei Wildschadensfällen im Landesjagdgesetz voraussichtlich 100.000 Euro.
Fazit von 17 Monaten großkoalitionärer Regierungszeit:
Es wird insgesamt ein Einsparungsvolumen von 0,4 Stellen und ca. 1 Million Euro erreicht, von denen 900.000 Euro durch Kürzungen bei der finanziellen Ausstattung der Beamten erbracht werden. Nur zum Vergleich: Die 77 Mitarbeiter, die sich mit einem Anteil von über 50 Stellen in der Abteilung des Staatsekretärs Schlie und anderswo in der Regierung mit Entbürokratisierung und Deregulierung beschäftigen, kosten per anno ca. 2,5 Millionen Euro.
Nebenbei, allein die Abschaffung der Bestellungspflicht hauptamtlicher Gleichstellungsbeauftragter im kommunalen Bereich ergibt bei ehrenamtlicher oder zeitlich begrenzter Arbeit Einsparungsmöglichkeiten für die Kommunen in erheblich größerem Umfang.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, wenn Sie für dieses Gesetz schon den Begriff „Verwaltungsmodernisierungsgesetz“ verwenden, ist es ein Zeichen dafür, dass Ihre Ansprüche an Deregulierung und Entbürokratisierung schon gegen Null gegangen sind. Aber wenn dieses das „Erste“ Modernisierungsgesetz ist, gibt es vielleicht ja noch ein „Zweites“, dann aber bitte mit mehr Substanz.
Ich komme zum zweiten Gesetzentwurf, dem zweiten Verwaltungsstruktur- reformgesetz.


Christian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, 2 Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/ Es vollzieht weiterhin den Wandel zu Mindestgrößen von Ämtern, Gemeinden und Städten mit einer eigenen hauptamtlich geführten Verwaltung, die künftig mindestens 8.000 Einwohner nachweisen sollen, nicht mehr müssen.
Das klingt vernünftig. Es ist sachgerecht, diese Vorschrift als Soll-Vorschrift auszugestalten. Beim Nachweis durch eine Gemeinde, dass sie mit einer Einwohnerzahl von etwas unter 8.000 Einwohnern wirtschaftlicher und kostengünstiger die Geschäfte führen kann als es unter einem Zusammenschluss mit einer Nachbargemeinde oder einem Nachbaramt der Fall wäre, muss es Spielräume geben, die auch eine hauptamtliche Verwaltungsführung zulassen. Dass Helgoland nicht von einem Bürgermeister vom Festland aus verwaltet werden kann, versteht sich von selbst. Aber z. B. der Fall Raisdorf mit seinen ca. 7.800 Einwohnern gibt doch zu denken.
Allerdings ist es so, dass der Innenminister behauptet, dass die Ausnahmeregelung nur für Helgoland gilt, während von der CDU zu hören ist, dass dies auch für andere Kommunen gelten kann.
Wir werden im Ausschuss feststellen können, ob der Hardliner Innenminister, oder die CDU sich durchsetzt.
In der Gesetzesbegründung ist allerdings der Hinweis, dass diese Ausnahme nur für Helgoland gilt, noch vorhanden. - Schauen wir mal.
Kritik hingegen gibt es weiter an der Zusammensetzung der neuen Amtsausschüsse.
Hier wird durch die verkleinerten Amtsausschüsse der großkoalitionären Kungelei Tür und Tor geöffnet. Der SSW hat es zutreffend erkannt: Bis auf einige wenige örtliche Wählergemeinschaften wird den kleineren Parteien in fast allen Fällen die Möglichkeit genommen, Vertreter in die Amtsausschüsse zu entsenden. Vor dem Hintergrund, dass dort ein Großteil der eigentlichen Verwaltungsarbeit der amtsangehörigen Gemeinden erledigt und z. B. die Höhe der Amtsumlage beschlossen wird, bleibt festzustellen, dass im Amtsausschuss auch durchaus politische Entscheidungen getroffen werden und eine Teilhabe von mehreren Gemeindevertretern und der Öffentlichkeit demokratisch erforderlich ist.
Was wir aber auf keinen Fall mittragen werden ist die Verordnungs- ermächtigung in diesem Gesetz, nach der die Landesregierung künftig den Ämtern und Gemeinden, die die vorgesehene Mindestgröße nicht erreichen, vorschreiben kann, wer mit wem zu fusionieren hat.
Für uns ist das ein so schwerwiegender Eingriff in das kommunale Selbstbestimmungsrecht, dass das direkt vom Parlament entschieden werden muss. Der Gemeindetag hält diese Vorschrift sogar für verfassungswidrig.
Fraglich bleibt allerdings, ob diese Reform der Ämter- und Gemeindegrößen angesichts der nun anstehenden Kreisgebietsreform wirklich noch Sinn macht.
CDU und SPD haben angekündigt, die im Koalitionsvertrag vereinbarten Kommunalen Verwaltungsregionen nicht mehr zu bilden. Stattdessen soll es eine Kreisgebietsreform geben.


Christian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, 3 Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/ Den „schwarzen Peter“ haben erst einmal die Kreise, denn sie sollen selbst bis Mitte nächsten Jahres ein Konzept entwickeln, sonst droht der Hammer aus Kiel. Nichtsdestotrotz bleibt aber die Frage, ob die nun neu geschaffene Struktur mit grundsätzlich 8.000er Gemeinden oder Ämtern vor diesem Hintergrund wirklich Sinn macht. Eine ausreichende Bürgernähe erfordert meines Erachtens bei diesem Szenario, dass wesentliche Kreisaufgaben auf die Ämter und Gemeinden herunter gebrochen werden müssen, was dann wiederum erheblich größere Mindestgrößen von Ämtern und Gemeinden voraussetzen würde.
Der Innenminister hat dies ja auch bereits in seiner Pressekonferenz Ende September klar angekündigt. Nicht umsonst appellierte er an die Kommunalpolitiker, größere als durch dieses Gesetz geforderte Verwaltungen zu bilden..
Dann allerdings hätten sich das erste und zweite Verwaltungsstruktur- reformgesetz bereits heute historisch überholt.
Der Hauptmangel aller Reformschritte der Großen Koalition ist die fehlende Systematik. Eine kommunale Verwaltungsstruktur hat immer den durch die Verwaltung zu erledigenden Aufgaben zu folgen.
Daher müsste die Landesregierung zunächst verbindlich festlegen, welche Aufgaben künftig komplett entfallen sollen und dann, welche Aufgaben künftig in welcher Verantwortung auf Kreis oder Gemeinden übertragen werden sollen und dies möglichst nicht als Weisungsaufgabe.
Was das Land hierzu bisher geleistet hat, dazu verweise ich auf den ersten Teil meiner Rede – also fast nichts.
Dazu bedarf es einer ruhigen, sachbezogenen Umsetzung einer Funktional- und Verwaltungsstrukturreform. Eine mediengetriebene Politik, die nur auf die nächste Schlagzeile am anderen Morgen setzt, hilft uns nicht weiter. Eine gute Politik bemisst sich nicht daran, seine Entschlusskraft dadurch zu beweisen, unsinnige Dinge gegen den Willen der Betroffenen durchzusetzen, sondern an der Fähigkeit, die Betroffenen in schwierigen Fragen mitzunehmen und gemeinsam sinnvolle Lösungen zu finden.
Hierzu bieten wir Ihnen unsere Zusammenarbeit gerne an.“



Christian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, 4 Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/