Karl-Martin Hentschel zum Verwaltungsstrukturreform- und Verwaltungsmodernisierungsgesetz
PRESSEDIENST Fraktion im Landtag Schleswig-Holstein Stellv. Pressesprecher Dr. Jörg Nickel Es gilt das gesprochene Wort! Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel TOP 8 und 11 – Verwaltungsstrukturreformgesetz und Verwaltungsmodernisierungsgesetz Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 Telefax: 0431/988-1501 Dazu sagt der Vorsitzende der Fraktion Mobil: 0178/28 49 591 Bündnis 90/Die Grünen, E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Internet: www.sh.gruene-fraktion.de Karl-Martin Hentschel: Nr. 419.06 / 11.10.06Der Elefant war schwanger und gebar eine MückeDie große Koalition hat drei große strukturelle Reformen angekündigt, die dazu beitragen sollen, die Finanzen des Landes in Ordnung zu bringen: Erstens die Reform der Ge- meinden und Ämter, zweitens die Reform der Landesverwaltungen und drittens die Re- formen auf Kreisebene. Heute liegen uns zu zwei dieser Vorhaben die Gesetzesvorlagen vor: Zur Reform der Ämter und Gemeinden und zur Reform der Landesverwaltungen.Beginnen wir mit der Reform der Ämter und Gemeinden. Da ist zunächst festzustellen: Die Ämterstruktur in Schleswig-Holstein ist ein bundesdeutsches Unikum. In den anderen Bundesländern wurde mit der Zusammenführung der Verwaltung in der Regel auch eine Gebietsreform und damit eine Zusammenführung von demokratischen Entscheidungs- gremien vorgenommen. Hier in Schleswig-Holstein ist man endlich zur Erkenntnis ge- kommen, dass kleine Verwaltungen und Gemeinden nicht wirtschaftlich sind. Die Ent- scheidungsstrukturen sollen aber nach wie vor kleinteilig bleiben. Und kleinteilig bedeutet in diesem Fall auch nachteilig.Es ist richtig, die kommunale Verwaltung auf größere Füße zu stellen. Richtig ist aber auch: Zaghaft sparen nützt nix. Wir haben mit Interesse wahrgenommen, dass die Regie- rungsfraktionen jetzt auch festgestellt haben, was wir ihnen seit Jahren vorrechnen:Die größten Einsparpotentiale liegen bei einer Zusammenfassung der Kreise mit den re- gionalen Landesverwaltungen zu vier Regionen. Diese Erkenntnis kommt spät, aber ist erfreulich!1/3 Aber wenn sie das wollen, dann brauchen sie auch eine dazu passende und funktionie- rende kommunale Ebene. Funktionieren muss sie sowohl auf der hauptamtlichen Verwal- tungsebene als auch auf der politisch-demokratischen Ebene. Die hier vorgelegten Neu- strukturierungen sind jedoch noch undemokratischer, als die Ämter ohnehin schon seit eh und je organisiert sind. Sie sind undemokratisch, da in den zukünftigen Amtsaus- schüssen mit drei VertreterInnen pro Gemeinde jeweils nur die BürgermeisterIn und zwei VertreterInnen der großen Koalitionsparteien vertreten sein werden.Damit werden alle kleinen Parteien und die meisten Wählergemeinschaften aus den wichtigen Entscheidungsgremien, nämlich den Amtsausschüssen ausgesperrt. Dem ganzen wird dann noch die Krone dadurch aufgesetzt, dass die bisherige Möglichkeit, VertreterInnen kleiner Parteien und Wählergemeinschaften mit beratender Stimme im Amtsausschuss zu beteiligen, einfach gekippt wird. Man schmeißt große Teile der Op- position einfach raus! So nicht, Meine Damen und Herren! Das können wir nicht akzep- tieren!Der hier vorgelegte Entwurf ist aber nicht nur undemokratisch, er lähmt aber auch die Handlungsfähigkeit im ländlichen Raum. Denn die Mindestgröße von 8000 EinwohnerIn- nen pro Verwaltung ist nicht ausreichend, um wirklich alle wichtigen Aufgaben, die die BürgerInnen betreffen, auf die Kommune zu verlagern. Noch schlimmer: Wie soll eine Amtsdirektorin oder ein Amtsdirektor eine effiziente Wirtschafts- oder Strukturpolitik ma- chen, wenn sie oder er sich bei jeder Entscheidung erst mit einem oder zwei Dutzend OrtsbürgermeisterInnen oder GemeinderätInnen abstimmen soll?Die Situation ist allgemein bekannt: Der Pleitegeier kreist über dem Land. Und trotzdem wehren sich viele Kommunalfürsten noch immer gegen jede Kommunalreform, die die- sen Namen verdient. Das ist die klassische Gemengelage, aus der faule Kompromisse hervorgehen. So auch hier.Den Unsinn mit den kommunalen Verwaltungsregionen haben Sie zum Glück gestoppt. Doch jetzt machen Sie auf Amtsebene genau das gleiche. Mit den vorgeschlagenen Änderungen für die Zusammensetzung der Amtsausschüsse und die Organisation der Verwaltungen der zukünftigen Ämter produziert die Landesregierung eine Verschlimmbesserung der kommunalen Verwaltungsstruktur in Schleswig-Holstein. Dem werden wir so nicht zustimmen.Kommen wir nun zu Ihrem Verwaltungsmodernisierungsgesetz: In seiner Regierungser- klärung vom 25. Mai 2005 kündigte der Ministerpräsident an, den aus den Fugen gerate- nen Haushalt durch Stellenabbau wieder in den Griff zu bekommen. Ich zitiere aus der Pressemitteilung:„Um der öffentlichen Hand noch weitere Spielräume für Senkungen von Personal- und Sachkosten zu erschließen, geht die Regierung jetzt mit Hochdruck an die Reform der öf- fentlichen Verwaltung und den Abbau von Bürokratie.“ Dieses Anliegen war ihm so wichtig, dass er dafür einen eigenen Staatssekretär einge- stellt und eine 50-köpfige Abteilung im Finanzministerium eingerichtet hat. Anfang des Jahres hat dieser Spezialsekretär dann sein Ergebnis präsentiert: Fast 1000 Stellen woll- te er einsparen. Und nun liegt das Ergebnis vor: Herausgekommen ist nach anderthalb Jahren die Drucksache 16/1006.Wie viel wird denn nun eingespart? Sind es 1000 Stellen? Nein! Sind es 500 Stellen? Nein! Sind es wenigstens 100 Stellen? Nein! Sind es wenigstens 10 Stellen? Nein!Die bezifferbaren Einsparungen belaufen sich laut dieser Vorlage auf 0,4 Stellen und 800.000 Euro im Landesdienst und 200.000 Euro bei den Kommunen – für den, der es nicht glaubt, ist dies nachzulesen auf Seite 4-6 der Gesetzesvorlage unter den Punkten 1a, 1e und 1k. Und die einzig relevante Einsparung von 800.000 Euro ist nicht einmal dem Abbau von Bürokratie zu verdanken, sondern der Streichung der Jubiläumszahlun- gen an Beamte. Mein Fazit: Herr Schlie zog aus, um Gold zu schürfen, und heraus ka- men nicht mal Peanuts, sondern nur zerdrückte Erdnussschalen.Über dieses Gesetz lohnt es nicht zu debattieren. Herr Schlie, hören Sie auf, das Parla- ment mit solchen Gesetzesvorlagen zu belästigen!Wahrscheinlich kosten die Beratungen in der Regierung und im Parlament einschließlich der damit verbundenen Anhörungen mehr, als bei diesem Gesetz in den kommenden Jahren eingespart wird. Ich habe deshalb einen Vorschlag an Herrn Carstensen und Herrn Wiegard: Lösen Sie endlich diese Entbürokratisierungsspezialabteilung auf, dann sparen wir 50 Stellen und das sind round about 3 Mio. Euro im Jahr – also das dreifache des vorliegenden Gesetzes.Mit der Vorlage dieses Gesetzes ist der Knallbonbon Schlie endgültig geplatzt. Schlie muss zurücktreten.Zwei der drei großen Vorhaben der Regierung zur Reform der Verwaltungen liegen heute auf dem Tisch. Diese beiden zusammen aufgerufenen Gesetze haben inhaltlich nicht viel gemein. Sie haben aber eins gemeinsam:Beide zeigen die Mutlosigkeit dieses großen Elefanten, der großen Koalition, wenn es darum geht, die Verwaltungen in den Kommunen einerseits und im Land anderseits wirk- lich zu reformieren. Unser Elefant war schwanger und gebar eine Mücke. Schade – selbst ich hätte wenigstens eine Maus erwartet. ***