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11.10.06
10:33 Uhr
B 90/Grüne

Detlef Matthiessen zur Wohnungsbaupolitik in Schleswig-Holstein

PRESSEDIENST Fraktion im Landtag Schleswig-Holstein Stellv. Pressesprecher Dr. Jörg Nickel Es gilt das gesprochene Wort! Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel Top 14 – Wohnungsbaupolitik in Schleswig-Holstein Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 Dazu sagt der wohnungsbaupolitische Sprecher Telefax: 0431/988-1501 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Mobil: 0178/28 49 591 Detlef Matthiessen: E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Internet: www.sh.gruene-fraktion.de

Nr. 416.06 / 11.10.06

Raus aus der Fläche, Städte aufwerten, Gebäude wärmetechnisch sanieren Wir begrüßen, dass die Landesregierung an einer aktiven Wohnungsbaupolitik festhält und diese auch finanziell unterfüttern will. Damit sehen wir ein Stück Kontinuität gewahrt, auch im Hinblick auf die Arbeit der Vorgängerregierungen.
Wir werden daher auch gerne und konstruktiv die angekündigten Gesetzesinitiativen be- gleiten, die sich aus der Änderung des Artikels 74 Grundgesetz im Rahmen der Födera- lismusreform ergeben. Sie teilen in dem Bericht mit, dass Sie den Anpassungs- und Än- derungsbedarf bereits prüfen, z. B. hinsichtlich des Wohnraumförderungsgesetzes oder des Wohnungsbindungsgesetzes.
Daher möchte ich im Hinblick darauf, auf unsere Schwerpunkte in der Wohnungsbaupoli- tik und den damit verbundenen landesplanerischen Zielen eingehen: Erstens. Es muss Schluss sein mit dem Siedeln, mit Neubau in der Fläche. Es ist näm- lich keineswegs der Fall, dass die Landesregierung, wie man auf Seite 15 nachlesen kann, „die Bereitstellung von Bauland unterstützt, indem sie über landesplanerische Vor- gaben die Siedlungsentwicklung in dafür geeignete Räume leitet“. Das mag landesplane- risch beabsichtigt sein. Fakt ist jedoch, dass die Entwicklung auf den Dörfern stattfindet, nicht entlang der Entwicklungsachsen. Die Landesplanung ist diesbezüglich bedauerli- cherweise ein stumpfes Schwert.
Interessanterweise macht der Bericht über einen in diesem Zusammenhang wesentli- chen Punkt einen Bogen: Den Wegfall der Wohnungsbauprämie. Wir haben die Strei- chung dieser Subvention immer gefordert, weil es nicht länger bezahlbar war, und inhalt- lich war diese Zersiedlungsprämie nie vertretbar, man hat nie auch nur den Versuch ge- macht, damit strukturell zu steuern. Was sind wir dafür angegriffen worden! Vorher immer als Untergang der Flächenstaaten beschrieen, was hat die CDU gemacht, kaum in der Verantwortung? Wohnungsbauprämie gestrichen!
Wo blieb der Aufschrei bei den christlichen Landespolitikern? Das muss Ihnen doch pein- lich bis ins Mark sein, dieses Schweigen, oder zählt das auch wieder zum Kapitel mit der Überschrift: „Ich kann mein Wort nicht halten? Ich kann mich nicht erinnern, über was ich mich gestern so aufregte?“ Dasselbe von Schröder pfui, von Merkel hui? Kommt ja eh nicht mehr drauf an. Bei der CDU kommt es offensichtlich überhaupt nicht darauf an, was in ihren Wahlprogrammen steht, was sie mal vor ein paar Tagen vorgetragen hat.
Der Wegfall der Wohnungsbauprämie ist nicht nur ein finanzieller Gewinn. Der Wegfall der Zersiedlungsprämie ist vor allem strukturpolitisch richtig. Die Schaffung von immer neuen Baugebieten auf dem Lande führt gleichzeitig zu einer Ausweitung von Erschlie- ßungsstrassen und Leitungsinfrastruktur. Diese zu warten und zu erhalten, wird bei gleich bleibender aber verdünnter siedelnder Bevölkerung, zumeist jedoch sinkender Nutzerzahl immer teurer.
Gleichzeitig führt dies auch zu einer sozialen Entmischung in den Verdichtungsräumen. Ziel muss es aber nicht sein, aus den Städten zu fliehen, sondern diese attraktiver und wohnlicher zu machen. Unter den Folgekosten und sozialen Lasten durch verfehlte Sied- lungspolitik leiden infolge des demographischen Wandels immer mehr Regionen in Deutschland und in Schleswig-Holstein.
Die Menschen können dem Wertverfall nur zusehen. Was wir brauchen, ist nicht die staatliche Subventionierung des sprichwörtlichen Häuschens im Grünen. Wir brauchen -> einen Umbau zu Verbesserung des Energiebedarfs; -> Altengerechte Anpassung von Wohnraum und von Wohnumfeld -> Aufwertungsmaßnahmen, die Familien den Verbleib in der Stadt erleichtern; -> kompakte, kostengünstige Siedlungsstrukturen, die attraktiv gestaltet sind, in denen Leitungsinfrastrukturen und der öffentliche Nahverkehr bezahlbar bleiben.
Ich komme zum diesem zweiten Punkt, den ich hier mit großem Ernst und aus voller Ü- berzeugung vortrage, obwohl ich persönlich als Bauernsohn und bekennender Dorfbe- wohner im schönen Osterby ein unverbesserliches Landei geblieben bin: Wir müssen mehr für die Städte tun.
Kompaktere Strukturen muss nicht Kaninchenstallkultur heißen, ein lebendiger Urbanis- mus kann sehr attraktiv gestaltet sein, nicht Bausünden wie Mettenhof, Ablagerungsräu- me für ruhenden Verkehr und grauer Beton, Attraktivität durch mehr Grün, soziale und Nutzungsdurchmischung, Fahrradfreundlichkeit und mehr. Siedlungs- und Wohnungs- baupolitik ist mehr und fordert vernetztes Denken und Handeln. Auch Ladenöffnungszei- ten könnten strukturpolitisch ausgerichtet werden. Wir brauchen die Fortsetzung und den Ausbau solcher Programme wie „Stadtumbau West“ und „Soziale Stadt“. Zunehmende Armut, soziale Entmischung, Migrationsgettos, Verfall der baulichen Sub- stanz und des öffentlichen Raumes in bestimmten Quartieren: Das sind Entwicklungen, die zu einer Auflösung der Gesellschaft von unten führen. Es drohen uns amerikanische Verhältnisse, wenn wir den Blick hiervon abwenden. Dem muss entgegengesteuert wer- den, nicht allein mit solchen Programmen, aber auch nicht ohne eine aktive Politik zur Entwicklung dieser Quartiere.
In dem Bericht werden auch die Grenzen der Programme deutlich. Keine positiven Effek- te im Arbeitsmarkt. „Soziale Stadt“ und „Stadtumbau West“ verhindern nicht, dass zwei Drittel der Jugendlichen mit Migrationshintergrund keine Ausbildung finden. Allerdings bei allen Schwierigkeiten in der Evaluierung hätte der Bericht doch darstellen können und müssen, wo Projekte besser laufen als anderswo und was die Ursachen sein könnten.
Es gibt viele Beispiele, wie aus Problembezirken über das „etwas anders sein“ auch Entwicklung entsteht. Berlin-Kreuzberg etwa, das zunehmend an Attraktivität gewinnt unabhängig vom Fall der Mauer, oder Altona in bestimmten Quartieren. Chancen sind da, sie müssen aber erkannt und entwickelt werden.
Drittens muss konsequent der Schwerpunkt auf den Bereich Sanierung / Modernisierung gelegt werden. Die Refinanzierung einer Modernisierung mit wärmetechnischer Sanie- rung ist eben leichter, weil die Kostenersparnis mithilft. Der Kampf um die zweite Miete ist eingeläutet und die vorausschauende Wohnungswirtschaft weiß es schon längst, und kluge Hausbesitzer kämpfen mit. Wem gehört die zweite Miete? Dem Vermieter und Hausbesitzer oder dem Ölscheich?
Der Bericht macht kein Geheimnis aus dem Bedarf und den gewaltigen volkswirtschaftli- chen Effekten. Hochgerechnet auf Schleswig-Holstein bedeutet das 26.000 Wohneinhei- ten pro Jahr mit mehr als einer halben Milliarde Investitionsvolumen. Neben altengerech- ter Herrichtung und Verbesserung im Sanitärbereich geht es hier um energetische Er- neuerung. Im Gegensatz zu manchem anderen Wirtschaftszweig kann die Produktion hier nicht ins Ausland verlagert werden, die sanierungsbedürftigen Gebäude haben den unschätzbaren Vorteil:
Sie laufen nicht weg, sondern stehen in Kiel, in Elmshorn, in Niebüll. Die notwendige ökologische Energiewende steht auf den drei E-Säulen -> Einsparung -> Effizienz -> Erneuerbare Energien Die Sparpotentiale sind im Gebäudeenergieverbrauch gigantisch. Völlig unverständlich bleibt, dass der Energiepass für Gebäude immer noch nicht da ist. Offensichtlich schaf- fen es die Lobbyisten derer, die an Energieverschwendung Geld verdienen, die Ent- scheidung zu verwässern und zu verzögern.
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