Karl-Martin Hentschel und Angelika Birk zum Grünen Änderungsantrag zum Schulgesetz
PRESSEDIENST Fraktion im Landtag Schleswig-Holstein Stellv. Pressesprecher Dr. Jörg Nickel Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 Telefax: 0431/988-1501 Mobil: 0178/28 49 591 E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Internet: www.sh.gruene-fraktion.de Nr. 411.06 / 06.10.06 Schulreform erfordert die Eigenverantwortliche Schule Zur geplanten Schulreform, erklären der Vorsitzende der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Karl-Martin Hentschel und die bildungspolitische Sprecherin, Angelika Birk:Die Grünen haben sich entschieden: Wir werden den Reformprozess der Landesregierung konstruktiv und kritisch begleiten. Die Koalition hat mehrfach die Opposition zur Mitarbeit aufgefordert und sich als offen gegenüber Vorschlägen bezeichnet. Die Einladung nehmen wir gern an.Zum Gesetzesentwurf der Landesregierung: Für die Koalition ein großer – für unsere Kinder nur ein halber Schritt Wir begrüßen den Einstieg in die Gemeinschaftsschule, wir wollen aber die Definition dieser Schulart konkreter fassen.Wir sehen die Zusammenfassung von Haupt- und Realschule zur Regionalschule mit ge- meinsamer Klasse 5 und 6 als überflüssigen Zwischenschritt. Innerhalb weniger Jahre wer- den drei Viertel der Eltern ihre Kinder am Gymnasium anmelden und die Regionalschule wird erneut zur Restschule. Wir hoffen deshalb, dass möglichst viele Gemeinden sich entschlie- ßen, gleich eine Gemeinschaftsschule unter Einbeziehung des Gymnasiums einzurichten wie es die Insel Fehmarn plant.Wir begrüßen die Schulzeitverkürzung. Wir lehnen es aber ab, dass die zusätzliche Förde- rung nun überproportional an die Gymnasien gehen soll. Die Schulzeitverkürzung sollte zu einer 5-jährigen Sekundarstufe I in Form der Ganztagsschule mit individueller Förderung in allen Schularten führen. Für SchülerInnen, die danach noch Förderungsbedarf haben, wollen wir ein optionales Vorbereitungs- und Vertiefungsjahr zu Beginn der Berufschule und am Gymnasium anbieten. Wir lehnen die geplante Oberstufenreform ab und formulieren dazu Al- ternativen.1/3 Das Modell der Eigenverantwortlichen Schule: Unsere Schulen sind überreguliert – sie brauchen mehr FreiheitDie Situation an den Schulen ist kritisch. Die LehrerInnen haben häufig den Eindruck, dass sie ständig neue Regelungen übergestülpt bekommen, ohne dass wirklich eine Verbesse- rung eintritt. Viele fühlen sich mit Erziehungsproblemen allein gelassen.Selbst LehrerInnen, die sich immer besonders engagiert haben, können nicht mehr akzeptie- ren, dass sie ganztätig in der Schule sein sollen, aber keinen akzeptablen Arbeitsplatz haben und dann auch noch Weiterbildung, Klassenfahrten und Unterrichtsmaterial weitgehend selbst bezahlen müssen. Dazu kommt ihr Ärger über Arbeitszeitverlängerungen, Gehaltskür- zungen und das gebrochene Versprechen des Ministerpräsidenten.In den skandinavischen Ländern begann die große Schulreform überall damit, dass die Schulen selbständig wurden. Der Aufbruch in eine neue Schule muss von unten kommen. Dazu brauchen Schulen aber die Freiheit und die Zeit, Neues zu wagen.Wir legen deshalb Änderungsvorschläge mit dem Ziel der Eigenverantwortlichen Schule vor. Dabei übernehmen wir auch eine Reihe von Punkten aus dem entsprechenden Gesetz, das in Niedersachsen mit großer Mehrheit im Landtag verabschiedet wurde: 1. Einrichtung eines Schulvorstandes mit Vertretern der Lehrkräfte, Eltern, SchülerInnen und dem Träger. Der Schulvorstand soll über alle wichtigen laufenden Fragen der Schule Entscheidungen treffen können und damit die Mitbestimmung verbessern. Auf diese Weise würde der Schulleitung der Rücken freigehalten, indem Entscheidungen auf eine breitere Basis gestellt würden. 2. Stärkung der Schulleitung in Kompetenzen und Verantwortung. 3. Eigenverantwortliche Gestaltung des Unterrichts, Erziehung der Schülerinnen, Perso- nalführung, Organisation und Verwaltung im Rahmen der Vorschriften. Auf Antrag des Schulvorstandes an das Ministerium kann von Vorschriften und Verordnungen abge- wichen werden, vorausgesetzt die Abschlussziele der Schularten werden auf andere Weise erreicht. 4. Verpflichtung der Schulen zur externen und internen Evaluation und zur kontinuierli- chen Qualitätsentwicklung. 5. Freie Verfügung der Schulen über die zugewiesenen Mittel im Rahmen eines eigenen Budgets. Schulen können sich Personalstellen auch als Budgetmittel auszahlen las- sen und im Rahmen ihres Budgets selbst Personal einstellen. Sie können ihr Personal selbst auswählen. 6. Nur noch große Gemeinden oder Ämter sollen Schulträger sein und die Schulentwick- lungsplanung übernehmen. Auf diese Weise sollen die Entscheidungen über die Ent- wicklung der Schulen (auch über die Zusammenarbeit und die Standorte von kleinen Grundschulen) autonom vor Ort im Rahmen der bereitgestellten Ressourcen erfolgen. Weitere Änderungen:Gemeinschaftsschule: alternativ statt additiv Bei aller Freude über die Aufnahme der Gemeinschaftsschule ins Schulgesetz – die Definiti- on bleibt unscharf und inkonsequent. Wir legen deshalb eine Formulierung vor, die drei Punkte konkretisiert: 1.Die Gemeinschaftsschule soll in einer Gemeinde, einem Amt oder einem Stadtteil an- stelle des mehrgliedrigen Schulsystems treten und nicht eine zusätzliche Schulart ne- ben den anderen sein. 2.Die Gemeinschaftsschule wird definiert als Schule, die keine Trennung in Leistungs- klassen oder Kurse vorsieht, sondern überwiegend binnendifferenziert arbeitet und so auf alle Schulartenabschlüsse vorbereitet. 3.Es soll ein Initiativrecht der Eltern zur Einrichtung von Gemeinschaftsschulen geben.Oberstufenreform: Begabungen ermutigen und nicht abschrecken Wir schlagen die Einrichtung von Oberstufenzentren, bzw. -verbünden vor. Damit wollen wir die negativen Folgen der geplanten Oberstufenreform vermeiden. Diese will das Kernwissen im Bildungskanon stärken und die Ressourcen optimieren (Vermeidung von kleinen Kursen), geht aber einher mit einer drastischen Einschränkung des Angebots.Da in Zukunft weit mehr AbiturientInnen gebraucht werden, ist diese Einschränkung ein Prob- lem, insbesondere da wir mehr als bisher auch einseitig begabte Jugendliche für ein Studium (z. B. in den Natur- und Ingenieurwissenschaften) gewinnen wollen und müssen.Durch Oberstufenzentren oder -verbünde kann den Schülerinnen und Schülern ein breites Spektrum von unterschiedlichen Profilen angeboten werden. Dies kann z.B. unterschiedliche naturwissenschaftliche Profile umfassen, die jeweils mit unterschiedlichen Sprachkursen ver- bunden werden können. Wenn das Land nicht diesen Weg geht, dann wird es an den Ober- stufen jeweils nur ein sehr schmales Profilangebot und nur sehr wenige Wahlkurse geben.Sitzenbleiben Wir schlagen vor, dass Kinder grundsätzlich nach ihrem Lebensalter eingestuft werden. Die Zurückstufung von SchülerInnen auf Grund von Leistungsrückständen führt in den meisten Fällen zu Frustrationserlebnissen und einem Nachlassen der Leistung auch in den Fächern, die nicht Grund für die Zurückstellung waren. Ausnahmen sind dann sinnvoll, wenn der all- gemeine körperliche und psychische Entwicklungsstand dies nahe legt.Kindertagesstätten und Schulen Wir wollen sicherstellen, dass die Zusammenarbeit zwischen Grundschulen und Kinderta- geseinrichtungen auf gleicher Augenhöhe stattfindet. Ziel der Zusammenarbeit darf nicht die „Ablieferung von schul- und sitzgerechten Kindern“ durch die KiTas sein, sondern es soll eine gemeinsame pädagogische Abstimmung des Übergangs mit gegenseitiger Absprache und Unterstützung geben. ***