Ursula Sassen zu TOP 31: Die Möglichkeiten der integrierten Versorgung sind noch längst nicht ausgeschöpft
Nr. 317/06 14. September 2006 IM SCHLESWIG-HOLSTEINISCHEN LANDTAG PRESSEMITTEILUNG Pressesprecher Dirk Hundertmark Landeshaus, 24105 Kiel Telefon 0431-988-1440 Telefax 0431-988-1444 E-mail: info@cdu.ltsh.de Internet: http://www.cdu.ltsh.de Es gilt das gesprochene Wort Gesundheitspolitik Ursula Sassen zu TOP 31: Die Möglichkeiten der integrierten Versorgung sind noch längst nicht ausgeschöpft Zur Zukunft der integrierten Versorgung hat die Landesregierung einen umfassen- den, verständlichen Bericht vorgelegt, der ahnen lässt, wo die Stärken und Schwä- chen der integrierten Versorgung liegen.Integrierte Versorgung im Gesundheitswesen gibt Leistungserbringern die Möglich- keit der Kooperation. Auf der Grundlage des § 140 a SGB V können Krankenkassen mit dem Inkrafttreten des GKV-Modernisierungsgesetzes (GMG) seit dem 1.1.2004 Verträge über verschiedene Leistungssektoren übergreifende Versorgung der Versi- cherten oder einer interdisziplinär-fachübergreifenden Versorgung mit den in § 140 b Abs. 1 genannten Vertragspartner abschließen.Integrierte Versorgung ist kein Selbstzweck, sondern die Konsequenz aus ökonomi- schen Zwängen und Mängeln der Versorgungsstruktur.Ziel integrierter Versorgung sind transparente Behandlungsketten und die medizini- sche Versorgung „aus einer Hand“.Auch vor dem 01.01.2004 konnten bereits Verträge zur integrierten Versorgung ge- schlossen werden, wie seinerzeit von der Kassenärztlichen Vereinigung mit dem OP- Zentrum Kronshagen und dem Marienkrankenhaus Lübeck geschehen. Doch erst mit der Anschubfinanzierung kam Bewegung in die Szene.Bundesweit stehen jährlich bis zu 680 Mio. Euro und für Schleswig-Holstein 22,5 Mio. Euro zur Verfügung.Die Möglichkeiten der integrierten Versorgung sind noch längst nicht voll ausge- schöpft. Dennoch lässt sich nicht jede Erkrankung erfolgreich in integrierte Versor- gungsverträge einbinden. Leider konnte ein dreistufiges geriatrisches Versorgungs- konzept auf der Basis eines flächendeckenden, kassenübergreifenden Versorgungs- vertrages bisher nicht umgesetzt werden. In diesem Zusammenhang begrüße ich, dass laut Eckpunktepapier zur Gesundheitsreform der Anspruch auf ambulante und stationäre Rehabilitation für den Bereich der Geriatrie von einer Er- messens- in eine Pflichtleistung umgewandelt wird. Insgesamt wird der integrierten Versorgung mehr Spielraum gegeben. Integrierte Versorgung wird von Kritikern häufig als „Rosinenpickerei“ angesehen, da man befürchtet, dass sich integrierte Verträge vornehmlich auf bestimmte „lukrative“ Behandlungsfelder konzentriert.Zweifellos sind derzeit Endoprotetik-Verträge mit Krankenhäusern am erfolgreichs- ten.Wenn von Risikoselektion gesprochen wird, geht es um die Selektion innerhalb eines Indikations- oder Krankheitsbereichs. Bei integrierter Versorgung im Bereich des chronischen Schmerzes können die weniger aufwändigen Schmerzpatienten einbe- zogen, während die aufwändigen Patienten im „normalen“ System behandelt werden.Diese Risikodurchmischung findet z. B. bei Verträgen mit der Techniker Krankenkas- se bereits statt, schwere Fälle werden besser vergütet.Wie geht es weiter nach 2006?Eine Verlängerung der Anschubfinanzierung für ein Jahr wurde bereits signalisiert.Auch wenn die Anschubfinanzierung mit einer Erhöhung auf 1,5 oder 2 % weiterlau- fen würde, muss sich integrierte Versorgung in absehbarer Zeit selbst tragen. Erfolg- reiche Versorgungsstrukturen können in die Regelversorgung übergehen.Bei der integrierten Versorgung stellt sich mir die Frage, ob freie Arzt- oder Kranken- hauswahl im Hinblick auf Versorgungsverträge überhaupt noch möglich sind. Zweifellos findet eine gewisse Lenkung statt. Da jedoch Krankenkassen mit unter- schiedlichen Vertragspartnern Vereinbarungen treffen, besteht in der Regel für die Patienten die Wahl zwischen mehreren medizinischen Einrichtungen.Wettbewerb braucht Trägervielfalt und keine Monopolisten, damit weder Preis noch Qualität diktiert werden!Für integrierte Verträge gibt es keine Meldepflicht. Die Partner handeln autonom. Das klingt gut, zumal die Bürokratieflut gerade im medizinischen Bereich enorm groß ist und für die Leistungserbringer eine hohe Belastung darstellt. Dennoch brauchen wir ein Dokumentationsergebnis, um Bilanz zu ziehen und Transparenz, Leistung und Qualität nachweisen zu können. Diese Aufgabe könnte von der Bundesgeschäftsstel- le Qualitätssicherung (BQS) übernommen werden.Da laut Koalitionsvertrag ein Anspruch auf wohnortnahe medizinische Versorgung besteht, möchte ich zum heutigen Thema kritisch anmerken, dass bei der integrierten Versorgung die ländliche Region zu kurz kommt. Kleine Krankenhäuser haben keine Chance! Sowohl bei der integrierten Versorgung als auch bei den Qualitätsmerkma- len hat die Mengenkomponente Übergewicht.Trotz des zunehmend ökonomischen Drucks muss das Wohl der Patientinnen und Patienten im Vordergrund stehen – auch bei integrierter Versorgung!