Jutta Schümann zu TOP 13: Langfristige strukturelle Reformen sind nötig
Sozialdemokratischer Informationsbrief Kiel, 13.09.2006 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuellTOP 13 - Auswirkungen der beschlossenen Eckpunkte zur Gesundheitsreform (Drucksache 16/931)Jutta Schümann:Langfristige strukturelle Reformen sind nötigDie Eckpunkte zu einer Gesundheitsreform 2006 liegen seit einigen Wochen vor und haben eine breite öffentliche Diskussion ausgelöst. Viele Bürgerinnen und Bürger, aber auch Or- ganisationen, Verbände, Krankenkassen sind verunsichert und wollen wissen, welche Ver- änderungen in der Gesundheitsversorgung auf sie zukommen werden, bzw. sie lehnen be- reits jetzt das Reformpaket in Gänze ab. Der Gesetzentwurf ist in Arbeit, vieles wird im Detail zurzeit noch entwickelt.Dennoch fordert der Kollege Dr. Garg die Landesregierung auf, quasi visionär oder spekula- tiv mündlich über die Auswirkungen der Eckpunkte zur Gesundheitsreform auf das Land Schleswig-Holstein zu berichten. Schon der Antrag macht deutlich, dass es nicht unbedingt um eine ernst gemeinte Fachdebatte gehen soll, sondern eher um populistische Effektha- scherei. Deshalb möchte ich mich auch gar nicht auf Spekulationen einlassen, sondern er- lauben Sie mir in der Kürze der Zeit einige grundsätzliche Anmerkungen zu dem vorgeleg- ten Eckpunktepapier.Waren die bisherigen Gesundheitsreformen der vergangenen Jahre überwiegend von Kos- tendämpfungsgedanken und Abrechnungsregelungen geprägt, so geht es jetzt angesichts des rasanten medizinischen Fortschritts, d. h. z. B. neue und bessere Diagnose- und Be- handlungsmöglichkeiten, aber auch angesichts der demografischen Entwicklung der Bevöl- Schleswig- HolsteinHerausgeber: SPD-Landtagsfraktion Verantwortlich: Petra Bräutigam Landeshaus Postfach 7121, 24171 Kiel Tel: 0431/ 988-1305/1307 Fax: 0431/ 988-1308 E-Mail: Internet: pressestelle@spd.ltsh.de www.spd.ltsh.de SPD -2-kerung und einer Zunahme chronisch Erkrankter um eine nachhaltige Stabilisierung der Einnahmeseite durch eine langfristige und strukturelle GKV-Finanzreform und um wei- tere Verbesserungen der Versorgungsinfrastruktur.Dabei ist es für uns besonders wichtig, dass unser Gesundheitssystem auch zukünftig soli- darisch finanziert sein muss, d. h. die Gesunden für die Kranken, die Jungen für die Alten, die Alleinstehenden für die Familien, diejenigen, die gut verdienen, für die, die weniger ver- dienen. Es ist genau so wichtig, dass unser sehr gutes Versorgungsniveau weiterhin ge- währleistet ist, d. h. jeder erhält die medizinische Versorgung, die er benötigt - unab- hängig von Alter, Einkommen und möglichst auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft.Die Ausgangspositionen von Union und SPD konnten vor Beginn der Verhandlungen zur Gesundheitsreform unterschiedlicher nicht sein: auf der einen Seite Kopfprämie und auf un- serer Seite die Forderung nach einer Bürgerversicherung. Und somit ist auch das Ergebnis als Kompromiss-Papier zwischen diesen beiden Positionen zu bewerten.Zweifellos beinhaltet die geplante Reform aus unserer Sicht in der ärztlichen Versorgung von Menschen viele positive Elemente, zum Beispiel: • den Versicherungsschutz für alle, • keine Aufsplittung in Grund- und Wahlleistungen, • keine Leistungsausgrenzung, sondern Ausweitung wichtiger Behandlungsansprüche, • keine stärkeren Belastungen chronisch kranker Menschen, • Anreize für Gesunde, • bessere Versorgung im ländlichen Raum, • preiswerte Arzneimittel, • transparenter bezahlte Ärzte, • grundsätzlich gleiche Preise für gleiche Leistung, ob gesetzlich oder privat versichert, • Palliativ- und geriatrische Versorgung und • Mutter-Vater-Kind-Kuren -3-werden zukünftig von den gesetzlichen Krankenkassen mit finanziert.Allerdings gibt es auch negative Aspekte, die gerade in der öffentlichen Debatte zunehmend zum Tragen kommen und die auch aus unserer Sicht natürlich noch einmal gründlich ge- prüft, überdacht und möglicherweise auch korrigiert werden müssen.Da ist an zentraler Stelle zu nennen der Gesundheitsfonds, der ohne Solidarbeitrag der privaten Krankenversicherung und ohne nennenswerte Steuermittel mit Sicherheit zukünftig nicht ausreichend ausgestattet wird. Die Sorge, dass weitere Bürokratie entsteht, die na- türlich Kosten verursacht, ist durchaus berechtigt, und auch an dieser Stelle sollte überprüft werden, inwieweit bestehende Möglichkeiten z. B. bei den Krankenkassen genutzt werden können zur Beitragserhebung.Wichtig ist, dass der Fonds auf alle Fälle 100% der Ausgaben abdecken muss und dass, bevor er in Kraft tritt, die Kassen durch Entschuldung gleiche Startbedingungen haben. Das bedeutet auch, dass beim Inkrafttreten des Fonds auch die unterschiedlichen Risiken der Krankenkassen bedacht werden müssen. Ohne einen morbiditätsorientierten Risikostruk- turausgleich wird es kaum möglich sein, Kassen gleiche Startchancen zu ermöglichen.Problematisch erscheint auch die geplante einprozentige Budgetabsenkung in den Kran- kenhäusern. Hier gibt es für die schleswig-holsteinischen Krankenhäuser in der Tat einen weiteren wettbewerbsbedingten Nachteil, wenn nicht vorab der Nachteil aufgrund der unter- schiedlichen Basisfallwerte bundesweit behoben wird. Eine weitere einprozentige Budget- absenkung der schleswig-holsteinischen Krankenhäuser würde zu einem erheblichen Wettbewerbsnachteil führen, das ist für uns nicht akzeptabel.Es gibt viele Aspekte, die im Detail noch einer genaueren Überarbeitung bedürfen, jedoch muss auch klar sein: Ein Aussetzen des gesamten Reformpaketes würde in vielen Berei- chen Nachteile in der gesundheitlichen Versorgung weiter verstärken bzw. erst hervorrufen. -4-Insofern halten wir es für erforderlich, die Diskussion mit allen Beteiligten zu suchen im Inte- resse eines verbesserten Reformpakets. Inwieweit dieses möglich sein wird oder inzwi- schen bereits im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens möglich geworden ist, können wir erst nach Vorlage eines ersten Gesetzentwurfs genau einschätzen.