Anke Spoorendonk zu TOP 7 - Haushalt 2007/2008 - Keine ernst zu nehmende Zukunftsperspektive für die Schleswig-Holsteiner
PresseinformationKiel, den 13.09.2006 Es gilt das gesprochene WortAnke SpoorendonkTOP 7 a) Haushaltsstrukturgesetz zum Haushaltsplan 2007/2008 b) Finanzplan 2006 bis 2010 Drs. 16/910; 16/921Anfang des Monats erreichte uns die freudige Nachricht, dass sich der Arbeitsmarkt im Nordenauf dem Wege der Besserung befindet. Die Zeit der Schreckensnachrichten sei endgültig vorbei,hieß es. Die Entwicklung am Arbeitsmarkt in Schleswig-Holstein ist sogar besser als imBundesdurchschnitt, konnten wir den Medien entnehmen. So gab es im Juli sogar 14% wenigerArbeitslose als vor einem Jahr. Im Moment liegt die Arbeitslosenquote in Schleswig-Holstein bei9,6%. Dabei sind fast mehrere Tausend neue Arbeitsplätze geschaffen worden.Auch von der NordBau in Neumünster wurde Positives gemeldet, wenngleich es noch zu früh ist,von einer nachhaltigen Trendwende zu sprechen. Was auffiel war aber, dass es in derBaubranche bereits erste Anzeichen für Flaschenhalsprobleme gibt und, dass die Zahl deroffenen Stellen in Schleswig-Holstein stark angestiegen ist. Der SSW will die Entspannung auf 2dem Arbeitsmarkt ganz sicher nicht schlecht reden. Ich habe auch ein gewisses Verständnisdafür, dass die jetzige Landesregierung diese positive Entwicklung auf ihr Konto verbucht.Aber wie sieht die Realität aus? Dieser Aufschwung ist einzig und allein das Verdienst der AufschwungArbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland – und insbesondere auch inSchleswig- Schleswig -Holstein. Sie haben mit ihrer Lohnzurückhaltung und einem großen Arbeitseinsatzin den Betrieben die Grundlage für die wirtschaftliche Erholung geschaffen.Denn wegen der Lohnzurückhaltung der Beschäftigten in den vergangenen Jahren steht diedeutsche Wirtschaft im EU-Durchschnitt wieder viel besser da. Während die Arbeitskosten imEU-Durchschnitt zwischen 2000 und 2004 um 2,8% im Jahr gestiegen sind, waren es inDeutschland nur 2% In Niedriglohnländern wie Ungarn und Tschechien gab es Zuwächse von 2%.mehr als zehn Prozent. In den vergangenen drei Jahren stieg die Produktivität je Arbeitsstundeum 3,6% Deshalb sind die Lohnstückkosten unter dem Strich um über 1% gesunken. Es ist diese 3,6%.Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit, die zum jetzigenWirtschaftsaufschwung entscheidend beigetragen hat.Dazu kommt eine kleine Erholung der Binnenkonjunktur, die allerdings mehr damit zu tun hat,dass viele Bürgerinnen und Bürger angesichts der kommenden Mehrwertsteuererhöhung nochin diesem Jahr Investitionen tätigen, die sie schon lange auf der Liste hatten. Nächstes Jahr siehtes leider wieder anders aus und interessanterweise weist die Landesregierung im Finanzplan desLandes selbst auf diese Problematik hin. So steht im Finanzplan, dass „der private Konsum 2007in Hohem Maße von den bisherigen Entscheidungen der Finanzpolitik belastet wird und, dassdurch diese Maßnahmen den privaten Haushalten die Kaufkraft entzogen wird.“ Merkwürdig istnur, dass die Landesregierung jene Entscheidungen im Bundesrat mitgetragen hat. Deshalb feststellen, Aufschwung muss man feststellen, dass der jetzige Aufschwung trotz der Politik der Großen Koalitionenin Berlin und Kiel zustande gekommen ist. 3Trotzdem: Jeder Arbeitslose weniger ist ein Grund zur Freude; denn wer in Arbeit kommt, bringtdem Land auch mehr Einnahmen. Die positive Entwicklung im August kann allerdings nichtdarüber hinwegtäuschen, dass die Arbeitsagentur noch immer viel zu wenig unternimmt, umLangzeitarbeitslose durch Weiterbildung und Qualifizierung zu fördern. Hier ist also eine aktiveArbeitsmarkpolitik - gerade auch seitens des Landes - mit Weiterbildungs- undQualifizierungsangeboten mehr denn je vonnöten. Denn die weiterhin viel zu hoheLangzeitarbeitslosigkeit, nicht zuletzt bei den über 50Jährigen, ist auch ein ungelöstes Problemder Landespolitik. Dazu kommt, dass das jetzige Wirtschaftswachstum wieder einmal ungleichverteilt ist zwischen dem Hamburger Randgebiet und dem Norden des Landes. So ist dieArbeitslosigkeit in Nordfriesland im August sogar wieder angestiegen.Aus Sicht des SSW ist es entscheidend, dass die Landesregierung den Haushalt 2007-2008 nutzt,um den Wirtschaftsaufschwung weiter zu unterstützen und insbesondere durchregionalpolitische Ansätze eine ausgewogene Entwicklung des gesamten Landes - einschließlichdes ländlichen Raumes - voranbringt. Natürlich ist dies vor dem Hintergrund der katastrophalenHaushaltslage des Landes eine äußerst schwierige Aufgabe.Die finanzielle Ausgangslage Schleswig-Holsteins könnte schlechter nicht sein. Wir haben diehöchste Pro-Kopf-Verschuldung aller Flächenländer und 2006 betragen die Zinsausgaben bereits18% des Haushalts. 67% aller Nettoausgaben sind bereits gebunden und mit 19% liegt dieKreditfinanzierungsquote Schleswig-Holsteins im Ländervergleich sehr hoch. Obwohl dieSteuerschätzung für 2007 und 2008 mit über 800 Mio • zusätzlichen Einnahmen rechnet, weist Mio.Finanzminister Wiegard in der SHZ vom 11.9.2006 zu Recht darauf hin, dass dieSteuereinnahmen dennoch nur auf dem Niveau vom Jahr 1998 liegen werden.Aber der Einbruch bei den Steuereinnahmen seit dem Jahre 2000 ist ja nicht vom Himmelgefallen, sondern ist eine Folge der großen Steuerreformen der rot-grünen Bundesregierung, diezu über 50 Mia. • Mindereinnahmen für Bund, Länder und Kommunen geführt haben – u.a. 4durch die Senkung der Körperschaftssteuer für Unternehmen. Von daher ist es sehrverwunderlich, wenn unser Finanzminister sich vor der Sommerpause öffentlich für eine weitereSenkung der Unternehmenssteuern einsetzt, die natürlich zu weiteren Einnahmeverlusten fürdas Land führen würde. Hier kann ich dem Kollegen Wiegard nur empfehlen, auf seinenParteifreund, Ministerpräsident Rüttgers, zu hören und sich von einer Lebenslüge zuverabschieden. - Nämlich der Vorstellung, dass eine Senkung der Unternehmenssteuern zu mehrArbeitsplätzen führt. Die bitteren Erfahrungen haben uns gelehrt, dass dies nicht der Fall ist.Nicht zuletzt also die steuerpolitischen Entscheidungen der letzten Jahre auf Bundesebenehaben Schleswig-Holstein ein großes strukturelles Defizit in seinem Haushalt beschert. Obwohldie Landesregierung in 2007 und 2008 jeweils 300 Mio. • sparen will, werden wir wie in denletzten Jahren nicht in der Lage sein, einen verfassungsmäßigen Haushalt aufzustellen. Die nachArt. 53 der Verfassung des Landes zulässige Grenze der Kreditaufnahme in Höhe derInvestitionen wird auch 2007 und 2008 deutlich überschritten werden. Bis 2010 will dieLandesregierung die Nettokreditaufnahme halbieren. Damit wird die Kreditfinanzierungsquotelangsam gesenkt und erst ab 2009 rechnet die Landesregierung mit einem positiven Primärsaldodes Haushaltes.Im Prinzip kann der SSW zwar die Eckpunkte des Haushaltes für 2007/2008 und den Finanzplanbis 2010 unterstützen. Denn ein noch radikalerer Sparkurs hätte verheerende Folgen fürSchleswig-Holstein und wir dürfen nicht vergessen, dass außer Bayern oder Baden-Württembergkaum ein Land einen verfassungsmäßigen Haushalt aufstellen kann. Allerdings sind wir im Einzelmaßnahmen Detail mit vielen Einzelmaßnahmen der Landesregierung überhaupt nicht einverstanden.Diese Maßnahmen haben dann auch dazu geführt, dass selten die Erwartungen an eineRegierung in so kurzer Zeit enttäuscht worden sind. Sowohl die Große Koalition in Berlin als auchdie Landesregierung in Kiel haben es geschafft, innerhalb von weniger als einem Jahr vieleHoffnungen zu zerstören. Die Ursachen für diese Enttäuschung sind nicht nur politische 5Fehlentscheidungen und krumme Kompromisse, sondern vor allem das ewigen Hick-Hackzwischen den Regierungsparteien. Egal, ob es jetzt um das neue Schulgesetz in Schleswig-Holstein geht, um Studiengebühren, um das Kopftuch-Verbot in Schulen oder um dieGesundheitsreform. Die Bürger stehen verwirrt da und wissen nicht mehr, wo es lang geht.Das allerschlimmste ist aber, dass die Großen Koalitionen gerade den letzten Rest anVertrauen in die Politik verspielen. So hat die Große Koalition in Kiel im Mai letzten Jahreseinen Koalitionsvertrag beschlossen, in dem sie die Politik der Landesregierung festlegte. Es hataber nicht viel mehr als ein halbes Jahr gedauert, bis sie diese Zusagen ohne zu zucken auf denScheiterhaufen der Geschichte geworfen hat. Noch im Dezember hat unser Ministerpräsidentden Polizisten versprochen, dass bei ihnen nicht mehr gespart wird. Zwölf Wochen später, imMärz, legt seine Landesregierung einen Haushaltsentwurf vor, in dem das Weihnachtsgeld vonBeamten, Polizisten und Lehrern stark gekürzt wird. Wen wundert es da, dass selbst dieStaatsdiener sich im Zorn von der Politik abwenden?Der SSW kritisiert weiter, dass der Haushaltsentwurf zu wenig soziale Rücksichten nimmt undden ländlichen Raum unverhältnismäßig hart trifft. So stehen zum Beispiel die Senkung derPersonalstandards für die Kindertagesstätten in zwei Kreisen und die Kürzungen bei den Bera-tungsstellen für Frauen im Widerspruch zu der Bildungs- und Familienpolitik, die sowohl SPD alsauch CDU zurzeit propagieren.Besonders hart wird es auch den ländlichen Raum treffen. Die Kürzung bei der Dorfentwicklungund bei den Erneuerbaren Energien oder der geplante Verkauf des Landeswaldes vertieft dieSpaltung zwischen den wenigen Wirtschaftszentren Schleswig-Holsteins und dem Rest desLandes. Auch die Kürzung der Ausgaben für die Schülerbeförderung wird die Familien im ländli-chen Raum hart treffen.Für den SSW bestätigen sich damit die Befürchtungen, die der Schleswig-HolsteinischeGemeindetag schon im Februar geäußert hat: Die Landesregierung konzentriert ihre 6Förderpolitik auf die Metropolregion und die städtischen Zentren und steht mit leeren Händenbei der Förderung des ländlichen Raumes da. So standen für die integrierte ländlicheEntwicklung in den Gemeinden - z.B. für die Dorfentwicklung - von 2000 bis 2006 fast 66 Mio. •zur Verfügung. Künftig wird es in Rahmen des ELER-Programms im Zeitraum 2007 bis 2013 nurnoch ca. 38 Mio. • für diese Maßnahmen geben. Dies ist insbesondere problematisch, weil esdamit faktisch nicht möglich ist, die vielfältigen Ergebnisse aus rund 100 ländlichen Struktur-und Entwicklungsanalysen umzusetzen. Denn bisher wurden mit der Schwerpunktachse„Lebensqualität im ländlichen Raum und Diversifizierung der ländlichen Wirtschaft“ vielfältigeProjekte gefördert und somit auch viele neue Arbeitsplätze geschaffen. In dieses Bild hineinpasst dann auch, dass das Nachfolgeprogramm des „Regionalprogramm 2000“ nicht mehr nurfür die strukturschwachen Regionen gelten soll. Die EU-Förderung für die regionale Entwicklungsoll mit dem „Zukunftsprogramm Wirtschaft“ künftig ganz Schleswig-Holstein umfassen. Mankann sich leicht vorstellen, welche Regionen in diesem Wettbewerb die Verlierer sein werden.Durch die massive Mittelkürzung werden also wichtige Investitionen zur Aufrechthaltung vonLebensqualität und Wirtschaftsentwicklung auf dem Lande nicht mehr getätigt werden. DieWirtschafts- und Investitionskraft der privaten und der öffentlichen Haushalte werden in derFläche allein nicht ausreichen, um die Attraktivität zu erhalten und den Auswirkungen desdemographischen Wandels und der weg brechenden Infrastruktur entgegen zu wirken. DieEinrichtung von „Aktivregionen“ im Rahmen des Zukunftsprogramms zur Förderung desländlichen Raumes darf nicht zu einem K.o.-Wettbewerb zwischen den einzelnen Regionenführen. Die Landesregierung hat weiterhin eine Verantwortung für die wirtschaftliche und Schleswig- soziale Entwicklung in allen Ecken Schleswig -Holsteins.Der Gipfel des Vertrauensbruchs ist aber der geplante Eingriff in die kommunalen Finanzen, dernicht nur Verwaltungsleute, sondern auch Politiker auf die Palme bringt. - Zum ersten Mal in derGeschichte Schleswig-Holsteins haben Bürgermeisterinnen und Bürgermeister vor dem Landtagdemonstriert! Sie tun dieses nicht, weil ihnen in die privaten Taschen gegriffen wird, sondern 7weil sie zu Recht um die Handlungsfähigkeit und die finanzielle Existenz ihrer Städte undGemeinden fürchten. Vor dem Hintergrund der katastrophalen Haushaltslage der Kreise, Städteund Gemeinden wird der Eingriff in die kommunalen Finanzen weit reichende Folgen für dieBürgerinnen und Bürger vor Ort haben.Die Landesregierung hält leider unverändert an ihren Plänen fest, die Zuschüsse für dieGemeinden 2007 und 2008 jeweils um 120 Millionen Euro zu kürzen. Dabei hat diese GroßeKoalition noch vor einem Jahr in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben, dass „das Land seinenHaushalt nicht zulasten der Kommunen sanieren will und darf“. Recht hatte sie, dabei bleibenwir. - Die von CDU und SPD vorgeschlagenen Kompensationsvorschläge für die Kommunen sindentweder völlig inakzeptabel oder unseriös. Am Ende wird die ganze kommunale Familie alsVerliererin dastehen.Denn auch das Konstrukt der Verwaltungsregionen ist an sich eine Totgeburt und wirdentgegen den Aussagen der Landesregierung keine Einsparungen erbringen. Der EinsparungenVerwaltungsstrukturreform liegt keine grundlegende Analyse der gegenwärtigen Situationsowie der daraus folgenden Herausforderungen zugrunde. Die neue Verwaltungsebene kostetalso zusätzliches Geld und Personal, erweitert die Bürokratie, verschlechtert die demokratischenKontrollmöglichkeiten der gewählten Gremien auf kommunaler Ebene und bringt nicht mehrBürgernähe. Die neuen Verwaltungsregionen machen nur dann Sinn, wenn das Ziel eineKreisgebietsreform ist, bei der längerfristig die Zahl der Kreise in Schleswig-Holstein auf vieroder fünf reduziert wird. Wenn die Landesregierung die heutigen Kreise abschaffen will, dannsoll sie dies also offen sagen, statt mit einer solchen Salamitaktik die Bürger für dumm zuverkaufenIch fasse zusammen: Trotz der großen finanziellen Probleme darf das Land seinen Haushalt nichtauf Kosten anderer sanieren. Nur wenn es uns gelingt, ein Sanierungskonzept zu beschließen,das über eine Wahlperiode hinaus reicht, dann kommen wir wirklich weiter. Wir wissen aber 8auch: Allein durch Kürzungen schaffen wir es nicht, einen ausgeglichenen Landeshaushaltzu bekommen. Wir brauchen mehr Einnahmen.Die Landesregierung begründet ihre Einsparziele von über 300 Mio. • pro Jahr u.a. damit, dass esihrer Meinung nach nicht möglich ist, die Einnahmen des Landes zu erhöhen. Das sehen der SSWund auch viele Finanzexperten anders. Zum einen sind die Möglichkeiten einer besserenSteuerkontrolle durch die Finanzbehörden überhaupt noch nicht ausgeschöpft – denn immernoch entgehen dem Staat zum Beispiel durch Mehrwertsteuerbetrug jedes Jahr Mia. • anSteuereinnahmen. Zum anderen gibt es immer noch das ungelöste Problem einer Erbschafts-und Vermögensbesteuerung, bei der die Bundesrepublik im internationalen Vergleich hinterherhinkt. Hier sollte die Landesregierung auf Bundesebene initiativ werden. Drittens bleibt es eineentscheidende Aufgabe des Landes, mehr Arbeitsplätze zu schaffen, denn dadurch bekommenwir auch mehr Steuereinnahmen.Im nördlichen Landesteil, wo es große Jobchancen auf dem grenzüberschreitenden Arbeitsmarktgibt, muss die Landesregierung daher aus Sicht des SSW weit mehr auf die Vermittlung derdänischen Sprache setzen und das bisherige Angebot an Sprachkursen deutlich ausweiten. Die dänischen Zweisprachigkeit – und damit das Erlernen der dänischen Sprache – ist ein entscheidenderBaustein Baustein in der wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung des nördlichen Landesteils. wirtschaftlichen kulturellenAus ganz vielen Analysen wissen wir, wie wichtig diese Sprachkompetenz für die Berufschancenjunger Menschen ist. Angesichts einer Arbeitslosenquote von unter 4 % und eines wachsendenArbeitskräftemangels in Sønderjylland haben Schleswig-Holsteiner mit Dänischkenntnissen einegute Berufsperspektive im südlichen Dänemark. Diese Chance darf die Landesregierung nichtverschenken. Es reicht nicht aus, den heutigen Arbeitslosen Dänisch-Kurse anzubieten. Bereits inder Schule muss die Sprache des nördlichen Nachbarn erlernt werden. Die Landesregierung mussdaher für mehr Dänisch-Unterricht im nördlichen Landesteil sorgen. Denn im Moment gehen dieentsprechenden Unterrichtsangebote an öffentlichen Schulen zurück, weil die Landesregierungdafür zu wenige Ressourcen einsetzt. 9Die geplanten Leuchtturmprojekte in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, die imDezember vorgestellt werden sollen, begrüßt der SSW ausdrücklich und erkennt damit auch denWillen der Landesregierung an, in diesem Bereich voranzukommen. Allerdings bleibt es dabei:Was das Land in eigener Zuständigkeit tun kann, muss geschehen.Das gilt natürlich vor allem auch für die Minderheitenpolitik des Landes. Der SSW begrüßt, dassdie Landesregierung im Haushaltsentwurf keine Kürzungen bei den Organisationen derdänischen Minderheit und der friesischen Volksgruppe vorgenommen hat. Dass derdänische Schulverein ab 2008 endlich die finanzielle Gleichstellung bekommt, sehen wir alseinen weiteren Ausdruck dafür, dass sich auch diese Landesregierung zu dem hohen Stellenwertder Minderheitenpolitik für Schleswig-Holstein bekennt. Wir wissen also zu würdigen, dass derMinderheitenbereich einer der wenigen Bereiche ist, der nicht von Einsparungen betroffen ist.Allerdings muss es erlaubt sein darauf hinzuweisen, dass diese finanzielle Gleichstellungnatürlich nicht zu einer neuen Grundsatzdiskussion darüber führen darf, wer denn nun für dieMinderheiten die Verantwortung trägt. Denn die gleichzeitig von der Landesregierungbeabsichtige Erhöhung des Schullastenausgleiches für die Kommunen für Schülerinnen undSchüler der dänischen Minderheit hat, zum Beispiel in Nordfriesland, bereits zu einerunerquicklichen Diskussion geführt. Durch die Erhöhung von 25% auf 100%, die der SSW ausGleichheitsgrundsätzen durchaus befürwortet, kommen auf die Kommunen im nördlichenLandesteil Mehrbelastungen von bis zu 3,3 Mio. • zu.Ich habe Verständnis dafür, dass die Kommunen von diesem Vorschlag vor dem Hintergrund desEingriffs in die kommunalen Haushalte nicht begeistert sind. Allerdings kann es nicht sein, dassman die dänische Minderheit quasi zum Spielball im Clinch zwischen den Kommunen und demLand macht. Das muss aufhören. Denn am Ende sind laut Landesverfassung sowohl Land alsauch Kommunen für die dänische Minderheit verantwortlich. Im Übrigen möchte ich auch 10darauf hinweisen, dass die Zuschüsse an die dänische Minderheit keine Almosen sind. Wir sindBürgerinnen und Bürger dieses Landes und wollen nur die gleiche finanzielle Förderung wieunsere Nachbarn von der Mehrheitsbevölkerung.Dazu kommt, dass die dänischen Organisationen und Institutionen mit einem Staatszuschussvon über 60 Mio. • aus Dänemark und mit über 1.800 Arbeitsplätzen volkswirtschaftlichbetrachtet für einen erheblichen positiven Effekt im Landesteil Schleswig verantwortlich sind.Diese Fakten werden in den Diskussionen um die freiwilligen Leistungen an die dänischeMinderheit leider zu oft vergessen. - Das Stichwort „freiwillige Leistung“ bringt mich auch dazu,darauf hinzuweisen, dass der SSW beim neuen Schulgesetz die Notwendigkeit sieht, endlich dieSchülerbeförderung für die dänische Minderheit gesetzlich abzusichern. Aber darauf werden wirbei der 1 .Lesung des Schulgesetzes im Oktober noch im Detail eingehen.Spätestens im Oktober werden wir auch eine Antwort auf die Frage haben, ob Schleswig-Holstein endlich Gemeinschaftsschulen bekommt. Vorsorglich möchte ich noch mal daraufhinweisen, dass es im Landtag für die Einführung von Gemeinschaftsschulen immer noch eineMehrheit gibt. Allerdings ist es positiv, dass die CDU-Fraktion mit ihrem Vorsitzenden Dr.Wadephul an der Spitze immerhin schon bereit ist, über eine Zusammenlegung von Haupt- undRealschulen nachzudenken.Ich glaube, die Realität vor Ort – die Situation an vielen Hauptschulen und der Rückgang derSchülerzahlen - werden schneller neue Fakten schaffen als so manchem konservativenBildungspolitiker lieb ist. Denn vor Ort ist man oft schon weiter. So haben zum Beispiel dieGemeinde Handewitt oder auch der Schulausschuss der Stadt Flensburg beschlossen, offen fürdie Einrichtung von Gemeinschaftsschulen zu sein. Deshalb kann man der CDU nur zurufen:Gebt euch einen Ruck Denn die neue Initiative der Landesregierung zur Stärkung der Ruck.Hauptschule ist zwar kurzfristig ein richtiger Schritt, aber langfristig brauchen wir unbedingteine Änderung des gegliederten Schulsystems –und somit eine Abschaffung der Hauptschule. 11Auch das neue Hochschulgesetz werden wir erst im Oktober im Landtag beraten. Allerdingssteht der SSW schon heute den bisher bekannten Kompromissen der Landesregierung ausge-sprochen kritisch gegenüber. So ist es aus unserer Sicht besonders problematisch, dass das Ver-bot von Studiengebühren aus dem Hochschulgesetz herausgenommen worden ist. Auch wenndie Studiengebühren nicht gleich kommen, so bleiben sie eine Option der Landesregierung. DieAussage von Bildungsministerin Ute Erdsiek-Rave, man könne über nachgelagerte Studienge-bühren nachdenken, beruhigt den SSW nicht. Bildung muss ein kostenloses Gut bleiben, um diesoziale Gerechtigkeit zu wahren, denn genau das gehört zu den Merkmalen eines Sozialstaates. Schleswig- glo Das Pfund, mit dem Schleswig -Holstein im glo balen Wettbewerb wuchern kann, sind hochausgebildete Bürgerinnen und Bürger. Studiengebühren werden aber junge Menschen voneinem Hochschulstudium abschrecken, auch wenn sie erst nach dem Studium fällig werden.Wir brauchen Anreize zu mehr Bildung und keine Abschreckung. Wenn WissenschaftsministerAustermann vor dem Hintergrund der steigenden Bewerberzahlen bei den schleswig-holsteinischen Hochschulen von Aldi-Student en spricht, dann sagt das mehr über ihn aus als Aldi-Studentenüber die Studierenden. Oder sind Sie, Herr Austermann, etwa der Meinung, dass nur Studieren-de, die sich die Studiengebühren - zum Beispiel wegen ihrer vermögenden Eltern - leisten kön-nen, gute Studenten sind? Ich meine, wir sollten froh darüber sein, dass unsere Hochschulenimmer attraktiver werden.Wenig attraktiv wirkt der gefundene Kompromiss beim Hochschulrat. Er ist weder Fisch nochFleisch und bringt eigentlich nur mehr Bürokratie statt Fortschritt für die Hochschullandschaft inSchleswig-Holstein. Die Anhörung zum Universitätsklinikum hat ebenfalls unsere Zweifel dahingehend bestätigt, dass sich der Wissenschaftsminister auf dem Holzweg befindet. Ein Teilver-kauf des UKSH wird jedenfalls kaum die in Aussicht gestellten Einnahmen für das Land erbrin-gen. Der SSW fordert daher die Landesregierung auf, das Konzept des Vorstandes des UKSHErnst zu nehmen und seine eigenen Vorschläge zu überarbeiten. 12Auch bei einem anderen wichtigen Thema muss die Landesregierung nacharbeiten, denn es istschon erstaunlich, dass die Bundeskanzlerin am Wochenende offen aussprach, dass die festeFehmarnbelt-Querung nicht zu finanzieren und für die Bundesregierung keine vorrangigeInfrastrukturmaßnahme sei. Der SSW fordert schon seit Jahren, dass Schleswig-Holstein zuallererst die Verkehrsinfrastruktur im Lande in Ordnung bringen muss, bevor man sichPrestigeprojekten á la Fehmarnbelt hingibt. Dabei haben für uns der Ausbau der A20 und diewestliche Elbquerung mit Anbindung an die Westküste die höchste Priorität.Wenn Frau Merkel jetzt sagt, Schleswig-Holstein muss sich zwischen diesen beidenGroßprojekten entscheiden, dann ist unsere Antwort klar: Die Fehmarnbelt-Querung kannwarten. Ob sie unter privatwirtschaftlichen Bedingungen jemals kommt, erscheint uns auchnoch mehr als fraglich, auch wenn dies der letzte Strohhalm ist, an den sich die Landesregierungverzweifelt klammert.Zurzeit klaffen Anspruch und Wirklichkeit der Landesregierung also eher auseinander. Wasklappt, kann als Politik der kurzsichtigen Einsparungen umschrieben werden. Denn wir wissenimmer noch nicht, wohin die Große Koalition das Land gemeinsam steuern will. Dabei lautet ausSicht des SSW die ganz zentrale Frage, wie die beste Balance zwischen Haushaltssanierung, derWeiterentwicklung unseres Sozialstaates und der Schaffung von Arbeitsplätzen aussieht. Werauf diese Frage als einzige Antwort herunterbetet, dass wir über Jahrzehnte über unsereVerhältnisse gelebt haben – dass öffentliche Aufgaben ausschließlich aus diesem Grund künftignicht mehr erfüllt werden sollen – der gibt den Menschen in Schleswig-Holstein keine Ernst zunehmende Zukunftsperspektive. Und daher sage ich: Nach bisheriger Erfahrung bezweifelt SSW, Kraft der SSW, dass die Große Koalition die Kraft hat, das Land langfristig zum Wohle seiner voranzubringen. Bürgerinnen und Bürger voranzubringen.