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13.09.06
11:58 Uhr
B 90/Grüne

Karl-Martin Hentschel zum Haushalt 2007/2008

PRESSEDIENST Fraktion im Landtag Schleswig-Holstein Pressesprecherin Claudia Jacob Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel
Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 Telefax: 0431/988-1501 Mobil: 0172/541 83 53 E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Internet: www.sh.gruene-fraktion.de

Nr. 369.06 / 13.09.06

Der Sparkurs der Landesregierung entpuppt sich als fetter Chinakracher
Sehr geehrter Herr Präsident , sehr geehrte Damen und Herren,

1. Wahlbetrug
Unser Finanzminister Wiegard leitet seine Vorträge gerne damit ein, dass außer ihm wohl nur Wenigen die Dramatik unserer Haushaltslage bewusst ist. Ich denke, Sie ver- schätzen sich da!
Wir haben in den Regierungsjahren diese bittere Erkenntnis schon früher gewonnen. Wir werden in der Opposition nicht so tun, als hätten wir das vergessen!
Wir erkennen auch an, dass Sie einige Kürzungen durchgesetzt haben, die wir uns wohl nicht getraut hätten. Wir werden deshalb Ihrer Regierung beim Sparen nicht in den Rü- cken fallen.
Ich möchte aber – bevor ich zu Ihrem Haushalt komme - noch einmal an das Mordsgetö- se in den Unionsreihen erinnern, das wir in rot-grünen Zeiten hatten:
Hatten wir mehr Lehrer eingestellt, dann hat die CDU noch mehr Neueinstellungen ge- fordert.
Hatten wir bei den Kommunen gespart, dann standen Sie voller Empörung in der ersten Reihe der Ankläger.
Mit lauter Begleitmusik sind Sie vor zwei Jahren mit einer Klage gegen den verfassungs- widrigen Haushalt 2003 zu Felde gezogen.
1/11 Und als wir das Weihnachtsgeld gekürzt haben, standen hier einigen die Krokodilstränen in den Augen – und sie versprachen, so etwas würde es bei einer Unionsregierung nie und nimmer geben!
Im Flensburger Tageblatt stand bereits am 3.5.2004: „Die CDU wäre gut beraten, den Mund nicht allzu voll zu nehmen mit Ankündigungen, bei ihr werde alles besser werden, auch der Haushalt. Wer das behauptet, hat die Dimension des Problems noch nicht begriffen, oder aber er will schlicht in die Irre führen.“
Für mich stellt sich die Frage: Waren Sie, Herr Carstensen und Ihr „Kompetenzteam“ ein- fach nur naiv? Oder war das Absicht?
Wir Grünen haben vor der Wahl gesagt, dass gespart werden muss.
Sie haben den ehrlichen kernigen Burschen von der Westküste gespielt, dem die Leute vertrauen können. Und jetzt erklären Sie, Sie haben sich geirrt, keines Ihrer Versprechen können Sie einlösen, und das verkaufen Sie auch noch als neue Ehr- lichkeit!
Herr Carstensen, dass hat mir Ehrlichkeit nichts zu tun. Das ist Betrug an den Menschen, die sie gewählt haben.

2. Die Ausgaben steigen schneller als unter Rot-Grün
Meine Damen und Herren, In dem Papier „Mehr Zukunft für Schleswig-Holstein“ vom 3.12.2004 schreiben die dama- ligen Oberwahlkämpfer Carstensen und Austermann: „Wir werden aber nicht nur auf mehr Steuereinnahmen durch Wachstum setzen, sondern auch eisern sparen (…) Wir wollen 10 Jahre lang Jahr für Jahr die Ausgabenseite um über 50 Mio. Euro absenken. Das ist nicht einfach!“
In der Tat. 50 Mio. absenken pro Jahr. Das ist nicht einfach. Deswegen machen Sie wohl jetzt auch das Gegenteil!
Trotz einiger ernsthafter Sparbemühungen gibt diese Regierung Jahr für Jahr mehr aus als die vorige.Lagen wir 2004 noch unter der acht Milliarden Marke, so sind wir an Ende 2008 laut Entwurf bei 8,4 Mrd. Euro angelangt.
Trotzdem versuchen Sie erneut den Menschen das Gegenteil zu verkaufen: Auf Ihrer Pressekonferenz am 4. Juli behaupteten Sie: Die Landesregierung spart 600 Mio. Euro in zwei Jahren.
Würde man heute eine interessierte BürgerIn fragen: „Und, bei wem war denn die Nettoneuverschuldung höher – bei Rot-Grün oder bei der großen Koalition?“ dann würden die meisten auf Rot-Grün tippen.
Aber: Die angestrebte Nettoneuverschuldung der Regierung liegt in diesem Jahr acht- hundert Millionen Euro über dem letzten Wert der Simonis-Regierung, dem Ist von 2004! Auch 2008 wird die Neuverschuldung nach dem vorliegenden Doppelhaushalt noch hö- her liegen, und selbst im Wahljahr 2010 – so sagt uns der Finanzplan dieser Regierung - wird die Neuverschuldung noch über dem Niveau liegen, mit dem Rot-Grün 2004 geen- det hat, nämlich 790 Mio. Euro.
Herr Carstensen, Herr Wiegard, es waren eine Menge bunte Raketen in Ihrem Pressefeuerwerk vom 4. Juli – die funkeln schön, aber Ihr Sparkurs entpuppt sich unter dem Strich als fetter China- kracher: Nur Schall und Rauch! Die Nettoneuverschuldung senken Sie damit nicht!

3. Die Landesregierung spekuliert auf Einnahmen statt zu sparen.
Meine Damen und Herren, nachdem das Defizit des Landes sich in den letzten zwei Jahren noch mal verdoppelt hat, soll es jetzt endlich los gehen mit der Reduzierung der Nettoneuverschuldung.
Aber auch hier lohnt es sich, die Zahlen anzuschauen, denn die prognostizierte Reduzie- rung des Defizits beruht nicht auf Einsparungen. Sie beruht allein darauf, dass die Lan- desregierung mit mehr Steuern bis 2010 von einer Milliarde Euro rechnet.
Eine Milliarde mehr bei Nettoeinnahmen von rund fünf Milliarden! Das sind 20 Prozent mehr Einnahmen bis 2010!
20 Prozent Mehreinnahmen in vier Jahren: Das ist keine solide Haushaltspolitik – das ist Konjunktur-Voodoo!
Eingerechnet ist natürlich die Mehrwertsteuererhöhung. Im Februar 2005 hat sich unser Wahlkämpfer Carstensen auch dazu geäußert: „Es ist schon armselig, wenn Heide Simonis wieder einmal nichts anderes einfällt, als die von Rot-Grün ruinierten Staatsfinanzen durch Steuererhöhungen zu retten. Dieses wird nicht funktionieren, weil die Wirtschaft damit nicht belebt wird.“
Und heute machen Sie genau das: Durch Steigerung der Steuern um 20 Prozent will die große Koalition im Jahre 2010 bei einer Höhe der Neuverschuldung landen, mit der Rot- Grün aufgehört hat. Mit Sparen hat das nichts zu tun.

4. Wo gespart wird und wo nicht
Schauen wir uns nun genauer an, wo gespart wird und wo nicht: Tatsächlich gibt es zwei Stellen, an denen gespart wird, bei den Sonderzahlungen der BeamtInnen und bei den Kommunen.
Aber da, wo es die eigene Partei-Basis und die eigene Verwaltung betrifft – bei dem Ab- bau von Verwaltungsstrukturen und der Gebietsreform – da blockiert die CDU. Jedes Mi- nisterium verteidigt seinen Hof. Die Pseudo-Einsparungen durch Verbeamtungen dürfen sogar als Sparbeiträge angerechnet werden.
Das klingt wie Trick 17 mit Selbstüberlistung – aber bei einem Finanzminister ist das ein Skandal auf Kosten der Zukunft.
Meine Damen und Herren, Tag für Tag lesen wir in der Zeitung, welche Wohltaten diese Regierung im Land verbrei- tet. Dafür hat sie den Schleswig-Holstein-Fonds geschaffen, ein persönlicher Geschenk- Etat für die Minister Carstensen und Austermann: 100 Mio. Euro jährlich. Dieser Fonds– im CDU-Wahlkampf „Turn around-Fond“ genannt – sollte durch Umschichtungen finan- ziert werden.
Turn around ist daran nur eines: Dieser Fonds wird zu hundert Prozent aus Schulden finanziert.
Und dafür werden – entgegen den Versprechungen – den Kommunen Jahr für Jahr 120 Mio. Euro weggenommen.
Minister Stegner nennt das einen „fairer Interessenausgleich“.
Und der Ministerpräsident empfiehlt seinen Kommunalos auch noch zynisch, sie sollte die Kürzungen doch bei ihren Kindergärten und bei der Schülerbeförderung wieder ein- sparen.
Zu Recht sagt der Geschäftsführer des Landkreistages Jan-Christian Erps: „Besonders betrüblich ist nach Durchsicht der Kompensationsliste, dass es sich bei zahl- reichen Punkten nicht um echte Einsparungen, sondern um weitere Belastungen der Bürgerinnen und Bürger handelt.“ Recht hat der Mann!
Das ist eine Politik, die Familien mit Kindern direkt ins Gesicht schlägt!
Auch an Minititeln wird sinnlos gestrichen:
Bei der Frauenpolitik z. B. scheint die Union vollends unbelehrbar zu sein.
Der Landeskulturverband sieht das Ende der Theater und Büchereien im Land: Chefsa- che Kultur sage ich da nur!
Die Alphabetisierungskampagne der Volkshochschulen „Schreib Dich nicht ab!“ wird ge- strichen – 100.000 Euro – ob wohl diese Maßnahme gerade den Bundespreis für Effi- zienz gewonnen hat.
Die Förderung der ehrenamtlichen Arbeitsloseninitiativen macht gerade ein fünf- millionstes des Haushaltes aus – das ist so, als ob ein normaler Familienhaushalt einen halben Cent im Jahr sparen würde. Sie wird gestrichen, weil die Betreuung durch die Bundesanstalt besser sei. Das ist eine Verhöhnung der rein ehrenamtlichen Arbeit der I- nitiativen.
Das alles, Herr Carstensen, hat mit Sparen gar nichts zu tun. Hier wird Sparen zur ideo- logischen Peitsche gegen die, die sich nicht wehren können.
Herr Wiegard, jeder, der Verwaltungen rationalisiert hat, weiß, dass die Gretchenfrage der Stellenabbau ist. Das war auch Ihnen vor der Wahl sehr bewusst: „Wir wollen in der allgemeinen Verwaltung bis zum Jahr 2010 2.650 Stellen in den Minis- terien und nachgeordneten Behörden durch Fluktuation und Pensionierungen einsparen.“ das versprachen sie uns 2005 in einer Wahlkampfbroschüre. Im Jahr 2006 aber ist die Zahl der Stellen in der Landesverwaltung zum ersten Mal seit zehn Jahren wieder um 150 Stellen gewachsen. Da sind die LehrerInnen nicht mal mit- gerechnet. Und nur, weil die Hochschulbeschäftigten in einen anderen Stellenplan verla- gert wurden, sind die Stellen ja noch lange nicht eingespart.
Und nun sollen die MitarbeiterInnen, die bald nicht mehr für das Land, sondern für die Kommunen arbeiten sollen, auf die Einsparkorridore angerechnet werden.
Auch das ist ein Trick. Den SteuerzahlerInnen ist es doch piepegal, ob das Geld vom Landesbesoldungsamt oder auf Kreisebene gezahlt wird.
Und was der Oberreformer Klaus Schlie sonst bisher produziert hat, war vor allem viel Papier. Jetzt hat er sein erstes Reformgesetz vorgelegt, dass sich überwiegend mit dem Jagdrecht beschäftigt und ansonsten zu Einsparungen von 0,4 Stellen führt.
Ja, Sie haben richtig gehört: 0,4 Stellen.
Herr Carstensen, Der Schlie-Prozess wird nirgends in der Verwaltung ernst genommen. Ich spreche nicht von den vermeintlichen Ökos aus der Umweltverwaltung. Besonders die stockkonserva- tiven Bereiche und die Leitungsebenen gewinnen dem zeitraubenden Prozess maximal ein Grinsen ab.
Aber vielleicht verfährt Herr Wiegard auch hier wieder nach der Strategie Trick 17: Erst mal ein bisschen Bürokratie aufbauen.
Wenn Herr Schlie dann mit seiner Abteilung von 50 MitarbeiterInnen gehen muss, dann sehe ich schon die Schlagzeile vor meinem geistigen Auge: „Landesregierung macht Ernst mit Bürokratieabbau: Schlie eingespart!“

5. Die Koalition streitet sich und ist eine Reformbremse
Herr Carstensen, einen Tag vor dem legendären 17. März im letzten Jahr haben Sie sich ausführlich ge- äußert: „Ich kandidiere morgen, weil unser Land eine stabile Regierung braucht, die die Kraft hat, etwas zu bewegen.“
Na denn man to!
dpa meldete letzte Woche: „Zoff in der Schulpolitik, Streit um Naturschutz, Uneinigkeit beim Nichtraucherschutz, Dauerkonflikt um Studiengebühren - in Schleswig-Holsteins großer Koalition haben sich viele Fronten verhärtet.“
Ähnlich wie in Berlin – auch in Kiel verhakeln sich die beiden Koalitionäre und sind nicht mehr in der Lage, die Zukunftsaufgaben anzupacken.
Die dringende Modernisierung unseres Schulsystems wird zwischen den Fronten dieser Koalition zerrieben: Am Schluss wird das Schulsystem nicht einfacher, günstiger und besser, sondern es gibt eine Schulart mehr, alles wird teuerer, LehrerInnen, Eltern und SchülerInnen verzweifeln, aber der Koalitionsfrieden ist gerettet. Bei der Verwaltungsreform schlägt Justizminister Döring der CDU ihre Bewegungsunfähigkeit um die Ohren: „die heutige Kleinteiligkeit (sei) nicht mehr haltbar … und … auf die Verwaltungsstrukturreform (müsse) die Gebietsreform folgen ….“
Dazu sagt der Abgeordnete Hamerich: „Die CDU-Landtagsfraktion wird eine Verwal- tungsreform wie Stegner sie will, nicht mittragen. Eines ist sicher: Die Fraktion lässt sich nicht alles gefallen.“ Herr Hamerich, da bin ich richtig gespannt.
Die beiden Regierungsfraktionen hier im Haus lassen sich doch bisher wirklich je- den Unsinn gefallen – Hauptsache – der Unsinn ist parteipolitisch ausgewogen!
Und was im Kabinett sonst so gedacht wird, gab Innenminister Stegner am Aschermitt- woch zum Besten: „La Le Li, auch in Kiel stimmt die Chemie, Vize-Ute streitet nie, Peter Harry führt die Re- gie. Nur der Mann im Mond schaut zu, wenn der Kieler Landtag schlafen geht.“ So denkt also der Innenminister über die Abgeordneten der großen Koalition!
Eines ist allerdings auffällig: Die Puppen können tanzen - unser Regierungschef schweigt. Und wünscht sich wahrscheinlich heimlich, er dürfte mit tanzen. Aber „Er ist in allen Themen drin“, meint dazu sein Fraktionschef Wadephul. „Er wird auch weiterhin nicht nur moderieren, sondern auch führen - da bin ich ganz si- cher.“
Lieber Herr Wadephul, mir hat Selbsthypnose auch schon viermal geholfen, das Rau- chen aufzugeben. Viel Glück der Union!
“Studiengebühren in Schleswig-Holstein wird es geben“ sagt Wadephul. „Studiengebühren gibt es nicht mit der SPD“ – sagt sein Kollege Hay. Der Koalitionsausschuss ist am 24. September in Kiel – wird dann die Koalition wieder durchstarten? Wir sind gespannt.
Peter Harry Carstensen erinnert derweil an einen Zirkusdirektor, der mit stolz ge- schwellter Brust in der Manege herumspaziert, während sich hinter der Tribüne Raubtiere und Dompteure ein wenig zerfleischen.
Minister Stegner sagte am 24. April 2006: „Der Ministerpräsident hält sich an das, was man mit ihm bespricht. Es ist ja bekannt, dass er sein Gewicht nicht gerade auf politische Konzepte legt.“
Mein Resümee: Im Kabinett und in den Fraktionen tanzen die Puppen auf den Ti- schen, und die Staatskanzlei ist beschäftigt, Drachenbootrennen für den Minister- präsidenten zu organisieren.
Wie sagte doch der nordfriesische Landrat Bastian am 24. März: „Die schwarz-rote Regierung ist schlimmer als die Rot-Grüne“. Da will ich ihm nicht widersprechen. Bastian steht nicht im Verdacht – ein Grünen- Sympathisant zu sein!

6. Die Schwerpunkte stimmen nicht Meine Damen und Herren, Kommen wir nun zu den Einzelplänen.
80 Mio. Euro wollte der Finanzminister Wiegard einsammeln in den einzelnen Geschäft- bereichen! Immerhin ein Prozent des gesamten Volumens. Wenn man sich aber die Einzelpläne anschaut, reibt man sich etwas verwundert die Au- gen:
Der einzige Haushalt mit relevanten Einsparungen ist der Umwelt- und Agrarhaushalt. Jung Siegfried, der auszog die Krähen, Knicks und Umweltausgaben zu reduzieren, will 8,7 Prozent einsparen.
Das nützt dem Landeshaushalt zwar nichts, denn der reine Umwelthaushalt macht ohne- hin nur zwei Prozent aus und die sind weitgehend durch EU- und GA-Mittel sowie durch Abgaben finanziert.
Viel interessanter aber ist ein anderer Punkt, Herr v. Boetticher:
Bislang bekommen die LandwirtInnen Direktzahlungen überwiegend aus Brüssel. Die tauchen im Landeshaushalt nicht auf. Die Summe dieser Mittel wird in den nächsten Jah- ren erheblich steigen.
Die EU hat den Ländern Wahlfreiheit gegeben: Entweder geht das Geld direkt an die LandwirtInnen oder aber es geht an die LandwirtInnen über den Umweg des Landes- haushaltes – aber mit der Auflage an Agrarumweltprogrammen teilzunehmen. Dieses Verfahren nennt sich Modulation.
Durch Modulation können endlich Teile der Milliarden Euro, die die SteuerzahlerInnen für die Landwirtschaft aufbringen, an Naturschutzkriterien gebunden werden. Die Grüne Landtagsfraktion hat dazu gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft für bäuerliche Land- wirtschaft, dem BUND und Bioland ein gemeinsames Konzept erarbeitet.
Aber Sie verzichten völlig auf diese Möglichkeiten – dafür werden dann Ökolandbau, Ver- tragsnaturschutz und die Förderung der Milchbauern zusammengestrichen. Und als Hö- hepunkt soll der Landeswald, unser gemeinsames Erbe von Generationen, nun auch noch verscherbelt werden – und die SPD ruft ganz beherzt: Bitte nicht alles!
Herr v. Boetticher, Länder wie Dänemark, Österreich, Polen und Bayern machen längst eine andere Politik und begreifen Ökoprodukte, grüne Wiesen, Vertragsnaturschutz und regionale Qualitäts- produkte als Chance, Geld zu verdienen.
Bei uns sind die Regale voll mit Qualitätsprodukten, aber nicht aus Schleswig-Holstein. Das ist eine kurzsichtige Politik.
Nun zum Arbeitsmarkt: Zunächst meine KollegInnen von der SPD, sollten wir die plumpen Versuche des Minis- terpräsidenten, den sanften Aufschwung auf seine Fahne zu schreiben, ruhig aber sach- lich zurückzuweisen. JedeR WirtschaftswissenschaftlerIn weiß, dass Strukturmaßnah- men nur mittelfristig wirken.
Wenn es stimmt, dass Steuer- und Abgabensenkungen entscheidend sind für den Wirt- schaftsaufschwung, dann ist es ein rot-grüner Erfolg. Und wenn es stimmt, dass die Arbeitsmarkt-Reformen entscheidend sind für das Entste- hen von neuen Arbeitsplätzen, dann ist es unser Erfolg. Denn Rot-Grün hat diese Refor- men eingeleitet, nicht die CDU.
Im Übrigen ist die von Carstensen als sein Verdienst gefeierte überproportionale Abnah- me der Arbeitslosen in Schleswig-Holstein nach Auskunft des Nord-Chefs der Bundes- agentur für Arbeit, Jürgen Goecke, überwiegend durch Arbeitsplätze in Hamburg verur- sacht. Zitat: „Einen … Carstensen Effekt vermochte der BA-Chef auch auf Nachfrage nicht zu erkennen.“
Schwamm drüber – jeder lobt sich gerne selbst! Was mich aber ärgert, Herr Carstensen, ist, wenn diese Regierung auf die sich weiter zuspitzende Lehrstellenknappheit einfach nicht reagiert.
Vor zwei Jahren hatten wir noch genauso viele Lehrstellen wie Nachfrage. Heute fehlen bereits mehrere 1000 Lehrstellen in Schleswig-Holstein. Die Zahl der ausländischen A- zubis hat sich sogar seit 1994 halbiert.
Hamburg, Berlin, Niedersachsen und Baden-Württemberg haben Sonderprogramme ge- startet, die von den Grünen dort explizit unterstützt werden.
Diese Regierung tut nichts und der Ministerpräsident paddelt lieber in seinem Dra- chenboot. Ich gönne Ihnen den Spaß, sonst sagen Sie noch, ich sei miesepetrig - aber bitte erst nach der Arbeit!

Meine Damen und Herren, der zweite Bereich im Haushalt, der 2007 – wenn auch minimal – sinkt, ist der Schulbe- reich.
An dieser Stelle möchte ich zunächst Ministerin Ute Erdsiek-Rave ausdrücklich loben. Sie hat als Präsidentin der Kultusministerkonferenz einsam das Banner der Gemein- schaftsschule hochgehalten!
Das hat auch Schlie am 10. März überzeugt: „Unser System ist in der gegenwärtigen Form nicht zukunftsfähig.“ Dafür wurde er von seinem Kreisverband als „Umfaller“ und seine Pläne als „Osterhasen-Pädagogik“ beschimpft.
Das Ergebnis ist Stillstand!
Von dem Versprechen im Wahlkampf, 1000 neue LehrerInnen einzustellen, ist längst nicht mehr die Rede. Und das großspurige Versprechen, ein kostenloses KiTa-Jahr ein- zuführen, wurde klammheimlich wieder eingesammelt.
Fazit: Auf die Bildungsoffensive wartet man vergebens. Denn bilden muss sich erstmal eines: Eine Linie in der Regierung!
Ähnlich ist die Situation an den Hochschulen, Herr Austermann.
Ein Konzept zur Modernisierung der Ausbildung – nichts da. Ein Konzept zur Schaffung der benötigten zusätzlichen Studienplätze – Fehlanzeige. Ein Konzept, wie die Konzentration der Forschung auf die strategischen Projekte durch- gesetzt werden kann – gibt es nicht!
Stattdessen stiften Sie ein permanentes Chaos, in dem Sie immer neue, mit niemandem abgestimmte Vorschläge absondern. Sie stehen allein gegen wirklich alle Rektorate und ASTen in kaum mehr als einem Jahr! Das soll Ihnen mal einer nachmachen!
In der Wirtschaftspolitik beobachten wir – zumindest rhetorisch – eine Kehrtwende zu Be- ton statt Innovation.
Mit erstaunlichen Ergebnissen: Die Flughafenförderung hat nach dem Stopp des Aus- baus in Kiel mit dem Urteil gegen die Subventionen in Lübeck ihr zweites Waterloo erfah- ren.
Sogar das Handelsblatt meldete, dass Klaus Müller Recht hatte – die Ryan Air ist eine unzuverlässige Gesellschaft und droht nach ihrer bekannten Taktik nun mit dem Weg- gang nach Bremen. Dann stände der Flughafen Lübeck vor dem Aus.
Das sind aber Peanuts, denn bei der Fehmarnbelt-Querung geht es um eine ganz ande- re Dimension, nämlich um fünf Milliarden!
Und um eine Staatsgarantie, die Gewinne über Jahrzehnte garantieren soll, weil die Pri- vatwirtschaft sonst nicht investieren will! Da hat Schleswig-Holstein wirklich Glück, wenn die Kanzlerin jetzt die Notbremse zieht.
Aber die Wünsch-Dir-Was-Politik unseres visionären Ministerpräsidenten blickt schon weiter.
Am 7. Februar verkündete er, er wolle nun den Transrapid von Amsterdam über Ham- burg nach Warschau bauen – natürlich mit Bundesgeldern. Wi hebbt dat jo!
Die vorgeschlagene Trasse würde übrigens zirka 30 Mrd. Euro kosten. Dabei war der Bau schon auf der stark frequentierten Strecke Hamburg-Berlin völlig unrentabel.
Da bekomme ich den Verdacht: Irgendwann spielen die Dimensionen sowieso keine Rol- le mehr.
Herr Carstensen, ich weiß, dass Sie sich die Werte der 50er Jahre zurückwünschen. Das klingt romantisch und liebenswert.
Damals lag die Abiturientenquote noch weit unter zehn Prozent und ein Drittel der Men- schen arbeitete auf dem Lande. Da war die Welt noch in Ordnung.
Wer gestern die neuesten Zahlen einer OECD-Studie gelesen hat, weiß aber: Dieses Land braucht andere Visionen.
Weder Milliarden für Betonpisten noch ein Zurück in die 50er Jahre werden unsere Probleme lösen.
Die Zukunft heißt Wissensgesellschaft. Wir müssen alle möglichen Ressourcen umzu- schichten in das, was Zukunft bedeutet: Wir brauchen Bildung von der Wiege bis zur Bahre! Wir brauchen viel mehr Studenten! Wir brauchen Wissenschaft, Zukunftstechnologien wie die erneuerbaren Energien, Roh- stoffrecycling, Kommunikation, Gesundheitswissenschaft und vieles andere mehr!
Roman Herzog hatte Recht, als er sagte: Ein Ruck muss durch unser Land gehen.
Wachen Sie auf, Herr Carstensen. Organisieren Sie sich eine strategische Abteilung in der Staatskanzlei, die die Zukunft ins Auge fasst.
Und jeden Morgen, wenn Sie aufstehen – rufen Sie als erstes Herr Maurus an und rufen: Ruck! Ruck! Ruck! Das kann von mir aus auch auf Plattdütsch geschehen.

7. Resümee: Keine Vision, keine Linie, falsche Schwerpunkte
Herr Carstensen, Sie haben falsche Versprechungen gemacht und so das Vertrauen ihrer WählerInnen massiv hintergangen.
Sie haben keine Vision, kein Konzept, keine Linie – stattdessen erleben wir täglich Strei- tereien und Blockade. Diese Art von großer Koalition bewegt nichts außer Stillstand.
Und die vielen partiellen Wünsche der großen Koalition und ihrer Klientel führen trotz der anerkennenswerten Sparbemühungen dazu, dass der Haushalt weiter wächst und das Defizit Dimensionen annimmt, die unter Rot-Grün unvorstellbar gewesen wären.
Trotzdem werden wir Grünen der Regierung nicht bei der Konsolidierung in den Rücken fallen, wie Sie das jahrein jahraus getan haben.
Wir wissen aber auch, dass der Haushalt nicht aus eigenen Kräften saniert werden kann. Wir erwarten deshalb auch, dass die Landesregierung sich auch um die Einnahmeseite kümmert.
Vermögen muss wieder in einem relevanten Umfang besteuert werden, damit die die Reichtumsschere nicht weiter auseinander geht.
Die Unternehmenssteuerreform muss von Anfang an aufkommensneutral sein. Firmen mit Milliardengewinnen wie IKEA müssen wieder Steuern zahlen.
Wir werden wie im letzten Jahr sehr differenziert prüfen, was wir mittragen wollen. Wir werden aber genauso deutlich unsere Alternativen formulieren – aber keine Forderungen aufstellen ohne realistische Gegenfinanzierungsvorschläge zu machen.
Wer nachhaltige Finanzpolitik machen will, kann nicht an der Zukunft sparen! Weniger Verwaltung, weniger Beton – dafür mehr Bildung und neue Technologien und eine ver- antwortliche Umweltpolitik – das ist unsere Linie!
Herr Carstensen, Immer mehr Menschen im Lande und auch in Ihrer Partei sind über diese Koalition beun- ruhigt. Der Einzige, der das offensichtlich noch normal findet, sind Sie selbst. Aus dem Gute-Laune-Bär ist ein Problem-Bär geworden!
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

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