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30.06.06
12:10 Uhr
SSW

Anke Spoorendonk zu TOP 31 - Fortentwicklung des Bildungswesens im Rahmen der Föderalismusreform

Presseinformation
Kiel, den 30.06.2006 Es gilt das gesprochene Wort



Anke Spoorendonk
TOP 31 Fortentwicklung des Bildungswesens im Rahmen der Föderalismusreform Drs. 16/868

Der bundesdeutsche Föderalismus und seine offensichtlichen Schwächen sind ein Thema, dass
uns im Landtag und zusammen mit den anderen Landtagen schon längere Zeit mal mehr, mal
weniger intensiv beschäftigt hat. Der SSW hat hier im Hause immer einem solidarischen
Föderalismus das Wort geredet und sich konsequenter Weise gegen einen
Wettbewerbsföderalismus ausgesprochen. Das geplante Kooperationsverbot, das künftig
Bundeshilfen für Bildungsprogramme unmöglich machen soll, ist ein ebenso klarer wie falscher
Schritt in Richtung Wettbewerbs- oder Konkurrenzföderalismus. Das Kernproblem des
bundesdeutschen Föderalismus ist aber die parteipolitische Interessenverflechtung gepaart mit
einem erdrückenden Übergewicht der Exekutive in den intransparenten
Entscheidungsprozessen im Verhältnis von Bund und Ländern.


Nach gemeinsamen Anhörungen von Bundestag und Bundesrat wird der Bundestag das Gesetz
zur Reform des bundesdeutschen Föderalismus heute verabschieden, nachdem noch in den 2
letzten Tagen hinter verschlossenen Türen Änderungen zwischen den beiden Koalitionsparteien
ausgehandelt worden sind. Warum kommt nun der SSW noch mit einem Antrag zur
Föderalismusreform, wenn doch die Elefanten in Berlin bereits alles ausgekungelt haben und der
Bundesrat das Gesetz nächsten Freitag ebenfalls sehr wahrscheinlich durchwinken wird?


Nun, die Reform ist zu wichtig, als dass der Landtag sie nur zur Kenntnis nimmt und – abhängig
von der Parteizugehörigkeit - brav Beifall klatscht oder auch nicht. Wenn wir uns als
Landesgesetzgeber selber ernst nehmen, müssen wir das Berliner Ergebnis kritisch unter die
Lupe nehmen und seine Auswirkungen abschätzen.
Der SSW kommt zu dem Schluss, dass das Ziel, die Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern
deutlicher abzugrenzen, um die Anlässe und Möglichkeiten für parteipolitisch motivierte
Blockaden zu verringern und klare Verantwortlichkeiten zu schaffen, so gut wie nicht erreicht
worden ist.


Dies liegt daran, dass man die Lösung in einer stärkeren, starren Trennung der
Gesetzgebungskompetenzen gesehen hat. Zunächst durchaus einleuchtend, aber politisch
unrealistisch, da eine konsequente Trennung der Kompetenzen zwingend auch die Trennung
von Finanzströmen und Vollzugsverwaltungen erfordert – wie in den USA z.B. - wenn das
funktionieren soll. An den Finanzverflechtungen und den Verwaltungsverflechtungen wird sich
jedoch nichts oder höchstens sehr marginal etwas ändern. Faktisch ist der Kompetenzgewinn für
die Länder denn auch äußerst bescheiden und darüber hinaus auch im Hinblick auf die Wahrung
der gesamtstaatlichen Interessen zumindest zweifelhaft. Ich erinnere hier nur an die Debatte
zum Strafvollzug im Dezember letzten Jahres.


Die zukunftsweisende Lösung hätte vielmehr in dem Instrument der „konditionierten“
Zugriffsrechte bzw. Abweichungsrechte der Landtage bestanden, das nachhaltig zu einer
sinnvollen Mehrebene-Ordnung beigetragen hätte. Dies steht nun nicht zur Debatte, aber mit
dem so genannten Kooperationsverbot in Artikel 104 b Abs. 1 enthält der Gesetzentwurf zur 3
Föderalismusreform einen so groben Webfehler, dass ihm seitens der strukturschwächeren
Länder und im gesamtstaatlichen Interesse nicht zugestimmt werden kann.


Die Lockerung des Kooperationsverbotes im Bereich der Forschung und Lehre, die die SPD-
Bundestagsfraktion durch Eingeständnisse beim Gleichbehandlungsgesetz erkauft hat, reicht
bei weitem nicht aus. Das Fokussieren auf den Wissenschaftsbetrieb ist eine gefährliche
Einengung des politischen Blickes. Die Herausforderungen der Zukunft – nicht zu letzt die
sozialen - liegen vor allem und am dringendsten im Schulwesen.


In der Anhörung in Berlin haben mehrere namhafte Experten, wie der Direktor des Deutschen
Instituts für Föderalismusforschung, Prof. Hans-Peter Schneider, der „Entdecker“ der
Politikverflechtungsfalle, Prof. Fritz W. Scharpf oder auch Frau Prof. Ursula Münch von der
Universität der Bundeswehr München dringend dazu geraten, das Kooperationsverbot ersatzlos
zu streichen.


„Bei allem berechtigten Bemühen um mehr Transparenz und Entflechtung weist das so
genannte Kooperationsverbot (…) in die Falsche Richtung. Es sollte nicht nur ersatzlos gestrichen
werden; gerade umgekehrt müsste als Ersatz für den Wegfall der gemeinsamen
Bildungsplanung dem Bund (…) – jedenfalls bis zu einer Reform der föderalen
Finanzbeziehungen – sogar ausdrücklich ermöglichst werden, Ländern und Gemeinden
Finanzhilfen auch zur `Fortentwicklung des Bildungswesens` zu gewähren“, so vollkommen zu
recht Prof. Hans-Peter Schneider in seiner Stellungnahme.


Prof. Fritz W. Scharpf führt allgemein zu den Konsequenzen des Kooperationsverbotes aus:
„Würde sie [die Beschränkung in Artikel 104b] beibehalten, so würden sich die aus der
unterschiedlichen Leistungskraft der Länder erwachsenden Probleme nicht nur im
Bildungsbereich immer mehr zuspitzen, und sie würden umso gravierender, je mehr
Kompetenzen im Zuge der Reform auf die Länder übertragen werden. Im `sozialen Bundesstaat` 4
des Grundgesetzes ist die Möglichkeit bedarfsorientierter Bundeshilfen die denknotwendige
Ergänzung erweiterter Autonomie der Landesgesetzgeber“


Lassen Sie uns als Landtag Schleswig-Holstein ein Zeichen setzen für einen kooperativen,
blockadefreien und solidarischen Föderalismus. Die Tendenz zum ruinösen, die Bundesrepublik
zersetzenden Konkurrenzföderalismus gilt es zu stoppen und die richtige Weichenstellung für
den zweiten Teil der Föderalismusreform aufzuweisen.


Das Bildungswesen ist zu grundlegend für die Gesellschaft, als dass man es konkurrenzföderalen
Experimenten aussetzen darf.