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02.06.06
11:15 Uhr
B 90/Grüne

Karl-Martin Hentschel zur Entwicklung der Ostseehäfen

PRESSEDIENST Fraktion im Landtag Schleswig-Holstein Pressesprecherin Es gilt das gesprochene Wort! Claudia Jacob Landeshaus TOP 29 – Entwicklung der Ostseehäfen Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel
Dazu sagt der Stellvertretende Vorsitzende Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Telefax: 0431/988-1501 Karl-Martin Hentschel: Mobil: 0172/541 83 53 E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Internet: www.sh.gruene-fraktion.de

Nr. 274.06 / 02.06.06 From Road to Sea oder Wie die Landesregierung sich selbst konterkariert
Dieser Bericht der Landesregierung gibt eine gute Grundlage für eine verkehrs- und ha- fenpolitische Debatte. Die Ostseehäfen sind wichtige Wirtschaftsfaktoren und Hafenstäd- te sind Orte des Handels und Tourismus sowie der internationalen Kontakte. Die Entwicklung der Umschlagszahlen zeigen nicht die großen Wachstumsraten, die eigentlich zu erwarten waren nach den vielen Erfolgsmeldungen aus den Häfen.
Der Hafenumschlag in Kiel ist zwar 2005 leicht angestiegen, war davor aber seit Jahren rückläufig. Das Spitzenjahr 1995 hatte den Rekordumschlag von 5,65 Mio t, verglichen mit 2005 hat es bis jetzt einen Rückgang um 16 Prozent gegeben. Also nicht nur keinen Zuwachs sondern Rückgänge, obwohl 1995 der Ostuferhafen noch nicht ausgebaut war und sich das Norwegen-Terminal in der Planungsphase befand. Auch beim Blick auf Lü- beck sind die Zahlen im Umschlag nicht berauschend. Von 1999 bis 2005 hat es gerade mal eine Steigerung von 8,2 Prozent gegeben, in 7 Jahren nur 8,2 Prozent.
Bei der zukünftigen Umschlagentwicklung ist die Landesregierung sehr optimistisch. Ich will die Prognosen auch nicht kritisieren, denn es ist auch mein Wunsch, dass möglichst viele Güter im Ostseeraum per Schiff transportiert werden. Trotzdem will ich auf Progno- sen für die Kieler Hafenentwicklung hinweisen, die sich als komplett falsch erwiesen hat- ten.
Erinnert sei an die optimistischen Umschlag-Prognosen für den Kieler Seehafen im Gut- achten von Prof. Böhme von 1989. Erwartet wurde ein Umschlag von 8 Mio t im Jahr 2000, tatsächlich waren es nur 4,92 Mio t. Die gleiche Tendenz hatte das Gutachten von PTC aus dem Jahr 1995 mit einer Prognose von 7,62 Mio t im Jahr 2000.
1/3 Bei den neuen Zahlen der Landesregierung muss man schmunzeln, wenn nun 7,2 Mio t Umschlag für das Jahr 2015 erwartet werden. Hier hätte das Ministerium fairerweise auf die Prognosegeschichte in Kiel hinweisen müssen.
Im Ostseeraum steigt das Außenhandelsvolumen stark an, von 1999 mit 790 Mio. t auf 1.395 Mio. t im Jahr 2004. Diese Zahlen stammen aus dem aktuellen Gutachten der FMC für den Kieler Hafen. Das Seefrachtvolumen in der Ostsee wächst geringer. Der Anstieg des Außenhandelsvolumens findet nicht im Seeverkehr statt sondern im Stra- ßentransport. Das ist eine überraschende Erkenntnis. Da müssen wir gegensteuern, da- mit das Ziel im Güterverkehr „from road to sea“ tatsächlich auch erreicht wird.
Im Interesse unseres Landes wollen wir eine Verkehrsverlagerung auf den Seeverkehr. Die Ostsee kann als eine Art gut funktionierende flüssige Autobahn bezeichnet werden. Im Rahmen der Transeuropäischen Verkehrsnetze „TEN-T“ der EU gibt es das Projekt „Motorways of the Seas“. Deren Ziel ist es u.a. die Infrastrukturressource Seeverkehr verstärkt zu nutzen, um trotz rapide zunehmenden Warenaustausches die Landver- kehrsnetze vor Überlastung zu schützen. Die Politik muss Flagge zeigen und für die Ver- kehrsverlagerung streiten, „From road to sea“ darf nicht zu einer Sonntagsrede verkom- men.
Die Auswirkungen einer festen Fehmarnbelt-Querung auf unsere Ostseehäfen wird nicht thematisiert. Das ist hochgradig unseriös. Wenn die Landesregierung die feste Fehmarn- belt-Querung für ein Schlüsselprojekt hält, das sie unbedingt realisieren will, dann muss sie auch so ehrlich sein und die negativen Folgen für die gesamte maritime Verbundwirt- schaft von Schleswig-Holstein benennen.
In Puttgarden werden privatwirtschaftliche Investitionen nicht realisiert, weil mit der festen Querung der Fährschiffsverkehr eingestellt wird, das ist ja ausdrückliches Ziel der Lan- desregierung. Wo bleibt das hohe Lied auf den freien Wettbewerb? Ein funktionierendes Verkehrssystem wird ohne Not vernichtet und mit ihm Tausende von Arbeitsplätzen.
Die Lübecker Hafen-Gesellschaft hält die Fehmarnbelt-Querung für unwirtschaftlich und befürchtet eine Schwächung des Lübecker Hafens. Im Südschweden-Verkehr würden die Umschlagmengen um 10 Prozent zurückgehen, warnt Manfred Evers der Geschäftführer der LHG.
Das gehört auch in den Bericht der Landesregierung, es reicht nicht, eine Prognose für den Lübecker Hafen zu wiederholen, deren Zahlen natürlich ohne eine feste Querung zustande kamen.
Wir haben uns sehr gefreut, dass der Vorschlag der Europäischen Kommission für das 2. Hafenpaket (Port Package II) nicht umgesetzt worden ist. Hier hat sich das europäische Parlament durchgesetzt und die Strategie des weiteren Lohndumpings für die Häfen durchkreuzt. Nicht nur die Gewerkschaften haben da begriffen, wie wichtig ein selbstbe- wusstes Europaparlament für die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen ist. Der Schutz und die Erhaltung der Meeresumwelt sind von großer Bedeutung. Gerade das quasi-Binnenmeer Ostsee ist durch Abwässereinleitung hochgradig gefährdet. Ein hoher Schutzstandard für das marine Ökosystem ist eine Voraussetzung für die umfas- sende ökonomische Nutzung der Ressourcen. Dazu brauchen wir eine Ostsee mit einer sauberen und reichen Natur.
Spannend wird die Diskussion über die Eigentumsverhältnisse und die Organisation der Häfen. Die Lübecker Hafengesellschaft soll nach dem Willen der CDU-Mehrheit und des SPD-Oberbürgermeisters verkauft werden, mit dem Anlagevermögen. Begründet wird das mit den notwendigen Erweiterungsinvestitionen, die nicht mehr von der Stadt Lübeck geschultert werden kann. Sicher eine ganz schwierige Entscheidung für das städtische Unternehmen mit über tausend Mitarbeitern.
In Kiel wird über die Privatisierung der Umschlaggesellschaft des Seehafens diskutiert. Es geht um eine Tochtergesellschaft mit 15 MitarbeiterInne, die bei einem Umsatz von zirka 2 Mio. Euro einen ordentlichen Gewinn macht. Aus meiner Sicht kann dies begrenz- te operative Geschäft dazu beitragen, die Kapitalkosten für die Infrastrukturinvestitionen zu erwirtschaften. Ich halte das Problem für reichlich aufgeblasen.
Nach der Einstellung des duty-free-Handels waren die Passagierzahlen des Kieler Ha- fens stark gesunken. Stena-Line hatte hohe Einbußen und die Langeland-Linie musste komplett eingestellt werden. Durch den Einsatz der Großfähre „Color Fantasy“ auf der Oslo-Route mit dem Angebot einer Kurz-Kreuzfahrt sind die Passagierzahlen wieder deutlich angestiegen. Das wird sich fortsetzen, wen das Schwesterschiff 2007 hinzu- kommt. Im Kreuzfahrtsektor hat Kiel eine starke Position erreicht. Mit dem Bau des Cruise & ferry Terminals wird der Nachfrage Rechnung getragen. Ab April 2007 können an zwei Liegeplätzen Schiffe bis 300 m anlegen.
Der Ausbau des Elbe-Lübeck-Kanals ist in die Diskussion gekommen. Nach der Eröff- nung der neugebauten Schleuse in Lauenburg war von weiteren Ausbauschritten auszu- gehen. Inzwischen hat der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverkehrsministe- rium Achim Großmann schriftlich erklärt, dass ein Ausbau des Kanals nicht stattfindet. Die erforderlichen Ersatzinvestitionen würden aber ausgeführt. Damit wird es keine Großmotorschiffe im Elbe-Lübeck-Kanal geben. Das ist ein Rückschlag für die Binnen- schifffahrt. Auch der Lübecker Hafen hatte ja geplant, dass die Güterverkehre von und zum Hafen nicht nur durch Schiene und Straße bewältigt werden, sondern auch durch einen ertüchtigten Kanal. Schade.
Wir Grünen wollen die Diskussion über die zukünftigen Verkehrsentwicklungen. Der Gü- terverkehr auf langen Strecken gehört verlagert auf Schiff und Schiene. Dafür wird eine passende Hafenentwicklung gebraucht mit Terminals für den kombinierten Verkehr, wie wir sie in Lübeck und Kiel haben.
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