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01.06.06
15:21 Uhr
CDU

Dr. Johann Wadephul zu TOP 3:Eine systematische Reform, die ihresgleichen sucht

Nr. 207/06 01. Juni 2006


IM SCHLESWIG-HOLSTEINISCHEN LANDTAG
PRESSEMITTEILUNG Pressesprecher Dirk Hundertmark Landeshaus, 24105 Kiel Telefon 0431-988-1440 Telefax 0431-988-1444 E-mail: info@cdu.ltsh.de Internet: http://www.cdu.ltsh.de
Es gilt das gesprochene Wort Innenpolitik Dr. Johann Wadephul zu TOP 3: Eine systematische Reform, die ihresgleichen sucht
Wir Parlamentarier stehen im Gegensatz zu anderen Berufsgruppen in der von der Verfassung vorgegebenen Pflicht, über die Entschädigung für unsere Abgeordne- tentätigkeit selbst zu entscheiden. Das liegt in der Natur der Sache: Das höchste Organ politischer Willensbildung. Nur das Wahlvolk kann uns Weisungen erteilen. Wir entscheiden nicht nur über die Entschädigung anderer, unter anderem auch die der Regierung, sondern eben auch über unsere so genannten Diäten.
Dieser Umstand führt dazu, dass jede Debatte über die Höhe und die Gestaltung der Entschädigung ein Gegenstand öffentlichen Interesses ist. Nicht nur in den heutigen Zeiten außerordentlich defizitärer Kassen ist jede Entscheidung starker öffentlicher Beobachtung und Kritik ausgesetzt. Das ist normal, das haben wir zu akzeptieren. Wir müssen unsere Entscheidungen vor dem Hintergrund der Kritik rechtfertigen und jeden Schritt genau überlegen.
Zurückweisen möchte ich jedoch manche Kritik der letzten Tage, die die Landtags- abgeordneten des Schleswig-Holsteinischen Landtages zu reinen Selbstbedienern herabwürdigten. Manche Kritik an unserer Diätenentscheidung fußt auf einer in Deutschland bedauerlicherweise tief sitzenden Abneigung gegenüber dem Parla- mentarismus. Deshalb rufe ich alle Kritiker zu einer angemessenen Wortwahl und zu einer Orientierung an den Sachfragen auf: Die Kritik an der Diätenreform darf nicht zu einer allgemeinen Kritik am Parlamentarismus führen. Diese unselige Tradition, die wir seit der Weimarer Republik kennen, muss endlich beendet werden.
Demokratie gibt es – wie jede andere Herrschaft – nicht zum Null-Tarif. Eine ange- messene Entschädigung derjenigen Frauen und Männer, die die Willensbildung für ihre Wahlzeit stellvertretend für das Volk ausüben, gehört dazu.
Die in Schleswig-Holstein geltende Diätenregelung ist mannigfaltiger Kritik ausge- setzt gewesen. Bemängelt wurde die Größe des Landtages, die Pensionsansprüche, die steuerfreie Kostenpauschale und die Sitzungsgelder und pauschalen Fahrtkos- tenerstattungen. Als schließlich das Bundesver-fassungsgericht die Funktionszula- gen als verfassungswidrig erklärte, hat der Schleswig-Holsteinische Landtag über alle Fraktionen hinweg Handlungsbedarf gesehen. Wir stehen dazu nach wie vor, auch wenn die Entscheidung nur das Thüringer Abgeordnetengesetz betraf. Wir ste- hen dazu auch, obwohl wir der Auffassung sind, dass die Vorstellung des Verfas- sungsgerichtes, dass alle Abgeordneten die absolut gleiche Arbeit verrichteten, und man keine finanziellen Unterschiede machen darf, mit der Realität der Parlamentsar- beit wenig zu tun hat. Es ist nun einmal so, dass einige Abgeordnete Koordinierungs- und Führungsaufgaben wahrnehme. Ich verstehe bis zum heutigen Tage nicht, wa- rum diese erhöhte Tätigkeit und auch erhöhte Verantwortung nicht in einem gewis- sen Maße finanziell entschädigt werden kann.
Wir haben uns jedoch dem Verfassungsgericht gebeugt und uns an die Arbeit ge- macht.
Um die Beratungen über eine Diätenstrukturreform auf eine solide Basis zu stellen und unabhängige Fachleute an der Erarbeitung einer neuen Struktur zu beteiligen, hat der Landtag eine unabhängige Sachver-ständigenkommission mit 6 anerkannten Experten aus Wirtschaft und Finanzverwaltung unter Leitung des ehemaligen Präsi- denten des Bundesverfassungs-gerichtes Prof. Dr. Ernst Benda beauftragt, eine Empfehlung für eine Diätenstrukturreform zu erarbeiten. Das Ergebnis wurde bereits im Jahr 2001 veröffentlicht.
Im ersten Anlauf ist die Reform 2003 gescheitert. Allerdings wurde bewusst vor der Landtagswahl 2005 eine Verkleinerung des Landtages von 75 auf 69 Abgeordnete beschlossen und damit dem ersten Kritikpunkt entsprochen.
Die Fraktionen des Schleswig-Holsteinischen Landtages sind unmittelbar nach der letzten Landtagswahl unter Leitung des Landtagspräsidenten daran gegangen, die weiteren Kritikpunkte aufzunehmen und einen neuen Anlauf für die Diätenstrukturre- form zu unternehmen. Was wäre die Alternative gewesen? Die Alternative wäre gewesen, nichts zu tun und beispielsweise die kritisierten üppi- gen Pensionsan-sprüche aufrecht zu erhalten und gegen den Vorwurf der Verfas- sungswidrigkeit nichts zu unternehmen. Dieses wollte und will dieses Parlament nicht!
Deshalb haben sich alle Fraktionen nach intensiven Beratungen und unter besonde- rer Berücksichtigung der Ergebnisse der Benda-Kommission auf einen gemeinsamen Gesetzentwurf zur Diätenstruktur geeinigt. Ich möchte als Ergebnis dieser Beratun- gen einige Punkte in besonderer Weise herausstellen.
Als staatsrechtlich wichtigster Punkt ist festzuhalten, dass wir endlich die verfas- sungswidrige Form der Abgeordnetenentschädigung beenden. Dieses erfolgt durch die Streichung der zusätzlichen Entschädigungen für die besonderen parlamentari- schen Funktionen der Ausschussvorsitzenden, der stellvertretenden Fraktionsvorsit- zenden und Vorsitzenden der Fraktionsarbeitskreise. Die Funktionszulagen werden von zurzeit 45 auf 12 reduziert. Alle Abgeordneten erhalten damit die gleiche Ent- schädigung und Funktionszulagen werden auf zahlenmäßig begrenzte Spitzenpositi- onen beschränkt.
Strukturell und finanziell ist die Veränderung der künftigen Altersversorgung der Ab- geordneten der gravierendste Einschnitt dieser Reform. „Schleswig-Holstein beschließt Ausstieg aus Luxus-Pensionen“ titelte die Bildzeitung am 4. Mai zu Recht ihren Beitrag zu unserem Gesetzentwurf. Welch ein Unterschied zu den Schlagzeilen in 2003! Leider gerät dieser Aspekt in der Diskussion oft in den Hintergrund oder wird sogar falsch dargestellt. Die Staatsversorgung nach 8-jähriger Zugehörigkeit zum Landtag wird künftig gestrichen. Zur Finanzierung der Altersversorgung wird eine Entschädi- gung in Höhe von monatlich 1500 Euro gezahlt. Diese 1500 Euro decken sowohl den Arbeitnehmeranteil als auch den Arbeitgeberanteil ab und sind nach allgemeinen steuerrechtlichen Grundsätzen zu versteuern. Ausgehend von der bisherigen Rege- lung bedeutet diese Privatisierung der Altersversorgung gerade für die 23 Abgeord- neten, die in dieser Legislaturperiode neu dabei sind und keine Ansprüche nach al- tem Recht erworben haben, schlicht eine Kürzung der Ruhestandsgelder von rund 50%. Nirgendwo sonst finden Kürzungen der Altersversorgung in diesem Umfang statt.
Wir machen eine systematische Reform, die ihresgleichen sucht. Schon fast amusant empfinde ich die Kritik von Bundestagsabgeordneten an diesem Schritt: Sie bleiben aufgefordert, endlich in dem Bundesparlament gleiches zu tun! Eben so wenig glaubwürdig ist die Kritik kommunaler Wahlbeamter, die die gesicherten Pensionen in einer Höhe und einem Umfang entgegen sehen, wie sie ein Abgeordneter kaum er- warten kann.
Richtig ist: Kurzfristig wird der Landeshaushalt durch diese Änderung belastet. Dies ist ein Automatismus, denn wir müssen für eine gewisse Zeit „2-gleisig“ verfahren. Aber ich warne vor Folgendem: Derartigen Systemwechseln werden noch viele so- ziale Sicherungssysteme in Deutschland ausgesetzt sein. Wenn wir jedes Mal vor den kurzfristig erhöhten Kosten zurück schrecken, werden sie nie gelingen und unse- re Haushalte werden recht bald unter der Lawine der Pensionslasten zusammen bre- chen.
Mittelfristig wird der Landeshaushalt von den Versorgungslasten für Abgeordnet e, die heute immerhin 2,64 Mio Euro betragen, entlastet werden.
Schließlich werden die Abgeordneten wie jeder Bürger steuerpflichtig. Die steuerfreie Aufwandspauschale, die Tagegelder und Fahrtkostenpauschalen werden gestrichen. Erhalten bleibt eine im Einzelnen abzurechnende Fahrkostenerstattung für mandats- bedingte Fahrten in Höhe von 30 Cent je Kilometer. Diese Fahrkostenerstattung ist nach allgemeinen Steuerrechtsgrundsätzen zu versteuern. Abgeordnete sind zukünf- tig mit ihrer Abgeordnetenentschädigung insgesamt wie jede Steuerbürgerin und je- der Steuerbürger steuerpflichtig. Ihren beruflichen, mandatsbedingten Aufwand kön- nen sie nach allgemeinen Grundsätzen steuerlich absetzen oder nicht.
Die dargestellten Eckpunkte müssen natürlich Auswirkungen auf die Grundentschä- digung haben. Die CDU-Fraktionen hält unter Berücksichtigung aller Umstände 6700 Euro für eine entsprechend dem Verfassungsauftrag angemessene, die Unabhän- gigkeit der Abgeordneten sichernde Entschädigung. Sie wird der Verantwortung und Belastung und dem diesem Amt im Verfassungsgefüge zukommenden Rang gerecht. Auf die Frage des Hamburger Abendblattes vom 5.Mai, ob sich denn im armen Schleswig-Holstein die Abgeordneten nicht zurückhalten müssen, antwortet der Kie- ler Politologe Professor Krause – ich zitiere: „Das müssen Sie, das tun sie aber auch. Bei den Diäten liegt der Landtag bisher in der unteren Kategorie. Und auch nach der Diäten-Reform wären die Gehälter auch nicht exorbitant.“ Ende des Zitats. Der nun höhere Bruttobetrag der Grundentschädigung der Abgeordneten führt wie erste Berechnungen zeigen bei vielen durch die neue komplette Besteuerung der Bezüge als Nettobetrag nicht zu Steigerungen. Für etliche sogar zu deutlichen Ab- strichen.
Wir wollen, dass im Schleswig-Holsteinischen Landtag möglichst alle Berufsgruppen vertreten sind. Deshalb müssen wir bei der Höhe der Diäten aufpassen, dass wir den Anschluss an die Berufsgruppen nicht verpassen, die in der Regel gut ausgebildet nicht nur in der Verwaltung sondern auch in der Wirtschaft Verantwortung tragen.
Ich fasse zusammen: Der vorgelegte Entwurf des Abgeordnetengesetzes hat alle wesentlichen Kritikpunkte der Vergangenheit aufgegriffen und abgestellt. Er schafft eine völlig neue Struktur der Entschädigung und folgt damit weitgehend den Empfehlungen der unabhängigen Benda-kommission. Durch diese Strukturveränderungen entstehen kurzfristig vertret- bare Mehrkosten, die aber langfristig für die Landesfinanzen zu erheblichen Einspa- rungen führen. Die Höhe der Grunddiät ist der Stellung, der Aufgabe und der Ver- antwortung der Abgeordneten angemessen. Mit der vorliegenden Diätenstrukturre- form wird insgesamt ein vernünftiger, zukunftsweisender Weg beschritten. Die erheblichen Strukturveränderungen werden außerhalb von Schleswig-Holstein von unterschiedlichen Seiten gelobt und als Modell für andere Länderparlamente und den Bundestag hervorgehoben. Die CDU-Fraktion stimmt dem Gesetzentwurf zu!