Günther Hildebrand: "Große Parteien sollten die ,Angstklausel' fallen lassen"
FDP Landtagsfraktion Schleswig-Holstein 1Presseinformation Wolfgang Kubicki, MdL Vorsitzender Nr. 178/2006 Dr. Heiner Garg, MdL Stellvertretender Vorsitzender Kiel, Donnerstag, 1. Juni 2006 Dr. Ekkehard Klug, MdL Parlamentarischer Geschäftsführer Sperrfrist: Redebeginn Günther Hildebrand, MdLEs gilt das gesprochene Wort!Innen/ Kommunales/ KommunalwahlrechtGünther Hildebrand: „Große Parteien sollten die ‚Angstklausel’ fallen lassen“ In seinem Redebeitrag zu TOP 6 (Gesetz über die Wahlen in Kreisen und Gemeinden) erklärte der kommunalpolitische Sprecher der FDP- Landtagsfraktion, Günther Hildebrand:„Der Gesetzentwurf der Fraktion von Bündnis90/Die Grünen ist im Grundsatz mit Initiativen der FDP-Landtagsfraktion aus der letzten Legislaturperiode inhaltsgleich. Daher wird es Sie nicht wundern, dass dieser Gesetzentwurf von uns begrüßt und unterstützt wird.Dennoch ist der von den Grünen vorgelegte Gesetzentwurf unvollständig, weil er sich nur isoliert mit dem Wahlrecht befasst und nicht das gesamte Kommunalverfassungsrecht in Form der Gemeinde-, Kreis- und Amtsordnung mit umfasst.Sollte dieser Gesetzentwurf nämlich wirklich so beschlossen werden - was wir uns allerdings bei der Haltung der großen Fraktionen in der Vergangenheit nicht wirklich vorstellen können - dann führte er zu einer Reihe von systematisch sich widersprechenden Gesetzestexten.So sehr wir es begrüßen, dass künftig die Mandatsberechnung in den Kommunalvertretungen nach dem Verfahren Sainte Laguë/Schepers berechnet werden sollen, müssen wir jedoch feststellen, dass beispielsweise die Ausschussbesetzungen in Gemeinden oder Kreisen immer noch nach dem D’Hondtschen Verfahren besetzt würden.Darüber hinaus hat das rot-grüne Gesetz zur Gemeinde- und Kreisordnung vom Januar 2005 die Einzelvertreter in den Gemeinde-, Stadt- und Kreisparlamenten erheblich benachteiligt. Stellvertretenden Ausschussmitgliedern ist seinerzeit das Rede- und Antragsrecht genommen worden und behindert Einzelvertreter seitdem nachhaltig bei ihrer Arbeit. Es besteht also auch hier Regelungsbedarf bei einzelnen Gemeindevertretern oder Parteien bzw. Wählergemeinschaften, die die 5% Hürde überwundenChristian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, 1 Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/ 2 haben, generell die Rechte einer Fraktion zuzuerkennen und damit auch in den Genuss des Grundmandats in allen Ausschüssen kommen können.Dies sind Beispiele, über die wir uns noch unterhalten müssen, wenn dieser Gesetzentwurf Sinn machen soll.Aus negativer Sicht ist der Gesetzentwurf also leider nur Stückwerk, bei positiver Betrachtungsweise, – und das will ich gerne tun – ist es ein guter Anfang, um sich der Gesamtproblematik zu nähern.Dabei spielt natürlich die 5 % - Hürde eine zentrale Rolle.In diesem Zusammenhang erinnere ich noch einmal sehr gerne an das seinerzeitige Verhalten der Grünen-Fraktion in der Sitzung des Sonderausschusses Kommunalverfassung am 03.06.2002 zu einem Entschließungsantrag der FDP, der bereits damals die Abschaffung der 5 %- Klausel forderte.Die Grünen haben diesen Antrag seinerzeit abgelehnt. Sie haben ihn seinerzeit abgelehnt, obwohl sie die 5 %-Klausel bereits damals zutreffenderweise als verfassungswidrig bezeichnet haben.Die Grünen haben seinerzeit also selbst durch eigene Erklärungen von Herrn Hentschel den Koalitionsfrieden über die Verfassung gestellt. Daher ist ihr heutiger Einsatz für dieses Mehr an Demokratie nicht unbedingt sehr glaubwürdig.Liebe Kolleginnen und lieber Kollege von den Grünen, damals hätten Sie zustimmen müssen. Das wäre glaubwürdig gewesen.Dieses Glaubwürdigkeitsproblem der Grünen ändert allerdings nichts an der Richtigkeit ihres heutigen Anliegens. Auch die FDP ist nach wie vor selbstverständlich von der verfassungswidrigen 5 %-Klausel in Kommunalwahlrecht überzeugt.Bisher gab es mehrere Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur 5% Hürde im schleswig-holsteinischen Kommunalwahlrecht.In keiner dieser Entscheidungen hat sich das Verfassungsgericht allerdings jemals inhaltlich mit der Frage der Rechtmäßigkeit der 5% Hürde befasst. Alle Klagen waren wegen formaler Mängel unzulässig, so dass eine materielle Überprüfung der Klausel nie stattgefunden hat.Deshalb kann sich hier auch niemand in der altbewährten Form hinstellen und behaupten, die 5%-Klausel sei verfassungsgemäß. Um diese Frage hat sich das Verfassungsgericht für das Kommunalrecht in Schleswig-Holstein nämlich immer fein herumgedrückt.Anrede,für die Abgeordneten der Großen Koalition „Gegen mehr Bürgerbeteiligung“ erkläre ich gern noch einmal die Voraussetzungen für die Beibehaltung der 5%-Klausel, die der heutige Präsident des Bundes der Steuerzahler in einem Aufsatz als Geschäftsführer des Schleswig-holsteinischen Gemeindetages aus dem Jahre 2002 richtigerweise als „Angstklausel“ bezeichnet hat:Christian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, 2 Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/ 3 Die 5 %-Klausel ist eine Beschneidung des Wahlrechts der Bürgerinnen und Bürger. Zulässig ist diese Beschneidung nur dann, wenn ein überragendes Gemeingut geschützt werden soll. Für die staatliche Ebene hat das Bundesverfassungsgericht diese Frage materiell entschieden und den Schutz der Funktionsfähigkeit des Parlaments durch die 5 %-Hürde als ein solches Gut angesehen.Bei der Funktionsfähigkeit der Kommunalverwaltung gilt hingegen etwas anderes, insbesondere seit der Einführung der Direktwahl der hauptamtlichen Bürgermeister und Landräte. Durch die Direktwahl dieser Verwaltungschefs wird immer die Wahl eines Amtsinhabers erreicht.Verzögerungen bei der Besetzung dieser Position durch Uneinigkeiten in den Vertretungen gibt es dadurch nicht.Übrigens hat es sich gezeigt, dass Gemeindevertretungen auch ohne absolute Mehrheiten durchaus arbeitsfähig sind, so dass die Funktionsfähigkeit der Kommunalverwaltungen auch nach der Abschaffung der 5%-Klausel gesichert bleibt.Den Grund, warum diese Klausel trotzdem immer noch besteht, umschreibt Dr. Borchert in seinem Aufsatz in so beeindruckender Weise, dass ich Ihnen seine Worte nicht vorenthalten möchte. Ich zitiere:„Der Grund liegt darin, dass zumindest die beiden großen Parteien offenbar befürchten, dass der Wähler der kleinen Parteien und vor allen Dingen Wählergemeinschaften seine Stimme geben wird, wenn er nicht von vornherein befürchten muss, dass diese wegen der 5%-Klausel im Ergebnis unter den Tisch fallen. Es ist also eine ausgesprochene Angstklausel der großen Parteien, die die Mündigkeit und die Entscheidungsfreudigkeit des Wählers fürchten. Dabei wird häufig genug übersehen, dass das Grundgesetz den Parteien im Staat nur ein Mitwirkungsrecht einräumt, aber keineswegs die stärkere Mitwirkung der Bürger verhindern will.“Dem ist nichts hinzuzufügen.Der Gesetzentwurf der Grünen beinhaltet aber noch weitere wichtige Punkte, die die FDP mit unterstützt. Das gilt sowohl für die Mandatsberechnung bei Kommunalwahlen nach dem Verfahren Sainte Laguë/Schepers, als auch für den Ansatz des Kumulierens und Panaschierens. Beim Verfahren Sainte Laguë/Schepers ergibt sich in den allermeisten Fällen eine identische Verteilung der Mandate wie beim Verfahren Hare/Niemeyer. Letztlich ist aber Hare/Niemeyer in Extremfällen ein wenig ungenauer. Sainte Laguë/Schepers erfüllt die Erfolgswertgleicheit der abgegebenen Stimmen optimal. Die Erfüllung der Erfolgswertgleichheit der abgegebenen Stimmen bedeutet dabei nichts anderes, als das annähernd immer die gleiche Anzahl an Wählerstimmen für die Erringung eines Mandates erreicht wird. Das ist heute bei dem im Kommunalwahlrecht genutzten D’Hondtschen Verfahren sehr häufig nicht der Fall. Nicht umsonst kommt der Bundeswahlleiter in einer Studie vom 4. Januar 1999 zu dem Fazit, dass das Verfahren nach Sainte-Laguë sowohl dem Verfahren nach Hare/Niemeyer (wegen dessen Paradoxien) als auch dem Verfahren nach D'Hondt vorzuziehen ist.Also auch in diesem Punkt unterstützen wir den Gesetzentwurf.Christian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, 3 Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/ 4 Gleiches gilt für die gewünschte Einführung des Kumulierens und Panaschierens und das Verbinden von Listen.In dem Entschließungsantrag meiner Fraktion aus der letzten Wahlperiode, der seinerzeit von den Grünen mit abgelehnt wurde, war dieses Verfahren auch vorgesehen.Dabei können die Bürgerinnen und Bürger direkten Einfluss auf die Listen der Parteien nehmen, weil sie eben nicht eine von der Partei oder Wählervereinigung vorgegebene Liste wählen. Sie wählen nämlich direkt Kandidatinnen und Kandidaten, ganz gleich an welchem Listenplatz sie von der jeweiligen Partei positioniert wurden. So kann es sich ergeben, dass z. B. eine Kandidatin auf Listenplatz 6 mehr Stimmen erhält als der Kandidat auf Platz 1 und dadurch in die Vertretung einzieht, und eben nicht der Spitzenkandidat.Anrede,Kumulieren und Panaschieren entmachtet also zum Teil die Parteien und gibt den Bürgerinnen und Bürgern weitere Rechte - ein äußerst demokratisches Prinzip.Außerdem schafft es weitere Anreize für Kandidaten auf hinteren Listenplätzen, sich noch stärker zu engagieren. Eine Wahl durch die Chancengleichheit aller Listenplätze wird wesentlich aussichtsreicher.Ich freue mich auf spannende Diskussionen im Ausschuss und wünsche dem Gesetzentwurf vom Inhalt her viel Erfolg.“Christian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, 4 Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/