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05.05.06
10:10 Uhr
FDP

Wolfgang Kubicki: "In Zeiten von Großen Koalitionen ist Datenschutz so wichtig wie nie zuvor"

FDP Landtagsfraktion Schleswig-Holstein



Presseinformation Nr. 156/2006
Kiel, Freitag, 5. Mai 2006 Wolfgang Kubicki, MdL Vorsitzender Sperrfrist: Redebeginn Dr. Heiner Garg, MdL Stellvertretender Vorsitzender
Es gilt das gesprochene Wort! Dr. Ekkehard Klug, MdL Parlamentarischer Geschäftsführer Günther Hildebrand, MdL Innen/Datenschutz
Wolfgang Kubicki: „In Zeiten von Großen Koalitionen ist Datenschutz so wichtig wie nie zuvor“ In seinem Redebeitrag zu TOP 34 (Tätigkeitsbericht 2006 des Unabhängigen Landeszentrums für den Datenschutz) erklärte der Vorsitzende der FDP- Landtagsfraktion, Wolfgang Kubicki: „Zunächst einmal möchte ich mich im Namen meiner Fraktion für den Bericht beim Landesbeauftragten für den Datenschutz, Herrn Dr. Weichert, aber auch bei seiner Mannschaft bedanken. Dies gilt aber nicht nur für den Bericht als solchen, sondern auch und vielleicht noch mehr für die vom Unabhängigen Landeszentrum für den Datenschutz geleistete Arbeit im letzten Jahr. Wir beraten diesen Bericht des Landesdatenschutzbeauftragten in einer Zeit, in der der Datenschutz immer mehr an Bedeutung gewinnen sollte. Wir beraten ihn aber auch in einer Zeit, in der in Teilen des politischen Spektrums, der Medien aber auch zunehmend in der Gesellschaft der Sinn für die Bedeutung des Datenschutzes verloren zu gehen scheint, bzw. geschärft werden muss. Wenn wir uns an die großen Demonstrationen und Aktionen in der Bevölkerung zur geplanten Volkszählung Anfang der 80er Jahre erinnern, dann denke ich nicht, dass sich heute ein ähnliches Engagement für solche Aktionen einstellen würde. Auf der anderen Seite kann dies natürlich auch ein Zeichen dafür sein, dass die Bevölkerung heute durch die Arbeit der Datenschützer in Bund und Ländern sich sicherer fühlen, was den Umgang mit ihren Daten angeht. Aber es ist schon interessant wenn ein Beauftragter für den Datenschutz seinen Bericht mit einem Kapitel einleitet, welches unter dem Titel steht: „Wie viel Datenschutz können wir uns noch leisten?“ Er kommt aber in diesem Kapitel zur genau richtigen Schlussfolgerung, die ich hier gerne zitiere: „Eigentlich ist die Frage, ob wir uns den Datenschutz noch leisten können, mit einem Blick ins Grundgesetz einfach zu beantworten: Es stellt sich nicht die Frage, ob wir können – wir müssen. Mit erfrischender Klarheit macht gerade das Bundesverfassungsgericht immer wieder deutlich, dass alle scheinbaren faktischen Zwänge kein Anlass dafür sein dürfen, das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung zu opfern.“ Ich will das noch einmal unterstreichen. Die Bedeutung des Datenschutzes ist seit der Entwicklung der Digitaltechnik ständig gestiegen, weil Datenerfassung, Datenhaltung, Datenweitergabe und Datenanalyse immer einfacher werden. Technische Entwicklungen wie Internet, E-Mail, Mobilfunktelefone, Videoüberwachung und elektronische Zahlungsmethoden schaffen neue Möglichkeiten zur Datenerfassung. Interesse an personenbezogenen Informationen haben sowohl staatliche Stellen als auch private Unternehmen. Sicherheitsbehörden möchten beispielsweise den Terrorismus durch Rasterfahndung und Telekommunikationsüberwachung bekämpfen, Finanzbehörden sind an Kontodaten und Banktransaktionen interessiert.
Christian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, 1 Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/ Unternehmen versprechen sich von Mitarbeiterüberwachungen eine höhere Effizienz, Kundenprofile sollen beim Marketing helfen und Auskunftsdateien die Zahlungsfähigkeit der Kunden sicherstellen. Vor allem durch die weltweite Vernetzung durch das Internet nehmen auch die Gefahren hinsichtlich des Schutzes personenbezogener Daten zu. Das ist die Entwicklung.Und auch in Schleswig-Holstein gab es im Berichtszeitraum genügend Beispiele, die belegen, dass wir wachsam bleiben müssen. Der Bericht führt hierzu zahlreiche Bespiele an. So haben wir die erste Funkzellenmassenabfrage nach einer Brandstiftung in Bad Segeberg im letzten Jahr nicht vergessen. Nach einer Brandstiftung hatten sich Ermittlungsbehörden dazu entschieden, sämtliche in einem gewissen Umkreise vom Tatort und in einem gewissen Zeitraum benutzte Mobiltelefone zu erfassen und deren Eigentümer anzuschreiben. Insgesamt wurden daraufhin 641 Personen im Rahmen der Ermittlungen angeschrieben und mussten darüber Auskunft geben, wo sie sich zu einem bestimmten Zeitpunkt aufgehalten hätten, ohne, dass sie einen weiteren Anlass dafür gegeben hätten irgendeine Beziehung zur Tat gehabt zu haben und ohne, dass sie klar erkennen konnten, ob sie nun Zeugen oder Beschuldigte waren. Dabei erfüllte aus unserer Sicht und aus Sicht des Datenschützers die richterliche Anordnung nicht einmal die formalen Voraussetzungen für einen solchen Beschluss. So sah sich der Generalstaatsanwalt genötigt, in einem Erlass die künftige Vorgehensweise bei der Anordnung von Funkzellenmassenabfragen klarzustellen. Bei allem Verständnis für die Ermittlungsbehörden: Bei diesem Vorgang ist ein solch laxer Umgang mit den Daten von Personen nicht hinnehmbar gewesen. Ein weiteres Beispiel ist die Rasterfahndung. Nach den Terroranschlägen 2001 wurde die Rasterfahndung wie eine Wunderwaffe zur Bekämpfung des Terrorismus angepriesen. Auf Landesebene wurde sie gesetzlich eingeführt und bis Ende 2005 befristet. Sie betrifft fast ausschließlich die Daten völlig unbescholtener Bürgerinnen und Bürger. Durch die Befristung sollte überprüft werden, wie wirksam die Maßnahme ist und wie dienlich sie im Kampf gegen den internationalen Terrorismus war. Bis auf wenige dünne Berichtchen des Innenministeriums hat eine ordentliche Evaluierung des Parlaments als Gesetzgeber zur Rasterfahndung nie stattgefunden. Nach Medienberichten wurden in ganz Deutschland 8 Millionen Datensätze ausgewertet und nur ein Verfahren gegen einen so genannten Terrorschläfer eingeleitet, das später eingestellt wurde. In Schleswig-Holstein gab es überhaupt keine Hinweise auf Schläfer. Die Herausgabe eines internen für die Innenministerkonferenz erstellten Papiers wurde dam Datenschutzbeauftragten verweigert. Es soll aber auch keine Gründe enthalten, die für ein Festhalten an der Rasterfahndung sprechen. Nichts destotrotz wurde die Rasterfahndung verlängert, möglicherweise damit die Befürworter dieser Maßnahme keinen Gesichtsverlust erleiden wollten. Den Preis zahlen die Bürgerinnen und Bürger, deren Daten fleißig gesammelt und durchgesiebt werden. Zum neuen Polizeirecht ist der Bericht des Landesdatenschützers nicht mehr so ganz aktuell. Zwischenzeitlich konnte nämlich hier ein kleiner, wenn auch komplett unzureichender Erfolg verzeichnet werden. So hat die Landesregierung im Gegensatz zum Ursprungsentwurf den Lauschangriff an öffentlichen Plätzen oder technisch genannt die „Tonaufzeichnung an öffentlichen Plätzen“ aus dem Gesetz heraus genommen. Es bleiben aber verfassungswidrige Regelungen zur präventiven Telefonüberwachung. Es bleiben selbst von der Polizei nicht gewollte erweiterte Kompetenzen zum KFZ-Screening, zur Schleierfahndung und zur Durchsuchung von Personen im Rahmen von Identitätsvorstellung, die über die bloße Eigensicherung hinausgehen. Eine weitere große Gefahr, die aus Europa auf uns zukommt, ist die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikationsdaten. Nur zu Erinnerung für diejenigen, die es schon verdrängt haben: Es sollen künftig sämtliche Formen der Telekommunikation eines jeden Bürgers in Europa erfasst werden. Nicht nur die Verbindungsdaten vom Telefon, sondern auch E-Mail, Mobilfunk, SMS und jede Internetverbindung soll zwischen 6 und 24 Monaten gespeichert werden. Zwar werden die Inhalte der Gespräche per Text oder Ton nicht erfasst. Es können aber sehr wohl Kontaktprofile von Jedermann, also auch Journalisten, Anwälten, Abgeordneten, Geistlichen erstellt werden. Dies greift in die Grundrechte nicht nur der Parlamentarier, sondern von Allen in verfassungswidriger Weise ein. Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes unseres Landtages, welches auf mein Anraten erstellt wurde und welches sogar europarechtliche Bedenken gegen diese Richtlinie einräumt. Wir als FDP-Fraktion bestehen weiterhin auf unserer Forderung, dass sich die Landesregierung im Bundesrat gegen die Umsetzung dieser Richtlinie in nationales Recht einsetzt. Durch diese Richtlinie wird in vielerlei Hinsicht das deutsche Grundgesetz ausgehebelt und es ist schon beschämend, dass uns die EU im Rahmen unserer Beratungen nicht das Material zur Verfügung stellt, aufgrund dessen sie zu ihrer Entscheidung zum Beschluss dieser Richtlinie gekommen war. Wir sollten notfalls den Streit mit der EU so weit gehen lassen, dass der EuGH über die Pflicht zur Umsetzung dieser rechtlich höchst bedenklichen Richtlinie zu entscheiden hat. Wir sind uns vor der Entwicklung auch der Politik der Großen Koalitionen in Berlin und Kiel sicher, dass die Arbeit des Landesdatenschützers künftig nicht weniger, sonder eher mehr werden wird. Nie war er so wertvoll wie heute.“ Christian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, 2 Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/