Navigation und Service des Schleswig-Holsteinischen Landtags

Springe direkt zu:

Diese Webseite verwendet ausschließlich für die Funktionen der Website zwingend erforderliche Cookies.

Datenschutzerklärung

Pressefilter

Zurücksetzen
28.04.06
12:25 Uhr
B 90/Grüne

Karl-Martin Hentschel und Marlies Fritzen zum geplanten Waldverkauf

PRESSEDIENST Fraktion im Landtag Schleswig-Holstein Pressesprecherin Claudia Jacob Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel
Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 Telefax: 0431/988-1501 Mobil: 0172/541 83 53 E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Internet: www.sh.gruene-fraktion.de

Nr. 212.06 / 28.04.06

Grüne unterstützen Bündnis Wald – Kleine Anfrage: Waldverkauf bringt für die Landeskasse keine Entlastung
Zu der Gründung des „Bündnis Wald“ am Mittwoch (26.4.2006) in Kiel und der Antwort der Landesregierung auf die Kleinen Anfrage zu den Kosten des Waldes (Drucksache 16/689) erklären Marlies Fritzen, Landesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen und Karl-Martin Hentschel, umweltpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen:
Landesverband und Landtagsfraktion unterstützen das neu gegründete „Bündnis Wald“ gegen den Verkauf des Landeswaldes, an dem sich neben dem Bund deutscher Forst- leute, der IG Bauen-Agrar-Umwelt, der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald auch zahl- reiche Naturschutzverbände wie BUND, WWF und NABU und die Firma Gollnest & Kie- sel KG, die in den letzen Jahren Hauptsponsor für den Landeswald war, beteiligen.
In den Grünen Kreisverbänden wird zunehmend diskutiert, eine Volksinitiative für die Er- haltung des Landeswaldes durchzuführen. Auf dem kommenden Parteitag liegt dazu be- reits ein Antrag vor.
Die Kleine Anfrage von Karl-Martin Hentschel (Drs. 16/689) zu den Kosten des Waldes hat eine Reihe interessanter Ergebnisse geliefert, die so auch nicht dem Landeshaushalt zu entnehmen waren.
1. Der Wald ist keine betriebswirtschaftliche Investition im üblichen Sinne. Allein schon die Zeiträume zwischen „Saat“ und Ernte machen das deutlich. Wälder werden je nach Holzart nach 120 bis 150 Jahren geschlagen. Die Wälder die heu- te geschlagen werden, wurden also schon im 19. Jahrhundert angepflanzt. 60 Prozent der landeseigenen Wälder wurde nach dem 2. Weltkrieg angepflanzt – entweder aufgrund der Abholzungen durch die Besatzung oder als Neuwaldbil- dung. Ein Drittel der Wälder wird sogar erst im nächsten Jahrhundert schlagreif!

1/5 2. Auch wenn die Privatwälder deutlich älter sein dürften, ist auch der Privatwald kein normales wirtschaftliches Unternehmen. Man schätzt, dass ein Drittel des Privat- waldes aus Splitterbesitz von BäuerInnen und/oder JägerInnen besteht, der nicht nach kommerziellen Gesichtspunkten bewirtschaftet wird. Auch für die Privatwälder muss das Land erhebliche finanzielle Mittel aufbringen. Die anliegenden Aufstellungen, die auf den Zahlen der Kleinen Anfrage basieren, machen deutlich, dass diese Aufwendungen sowohl direkte Fördermittel, Aus- gleich für Naturschutz- und andere Gemeinwohlleistungen wie auch sonstige Aus- gaben (z. B. durch die Kammer für Standortkartierung u.a. und die Forstverwal- tung) umfassen, die insgesamt nicht viel geringer sind als die Defizitabdeckung beim Landeswald.
3. Ein beträchtlicher Teil der angeblichen Ausgaben für den Landeswald betrifft aber Aufgaben, die von der Alternative Landesbesitz oder Privatisierung gar nicht be- rührt werden. Dazu gehören z.B. der Erlebniswald Trappenkamp und der Betrieb der Jugendwaldheime. Aber auch die Aufwendungen für die Neuwaldbildung, die Naturschutzleistungen, die Erholungsinvestitionen und die Waldpädagogik sind Ausgaben, die man täti- gen kann oder nicht. Aber keine PrivatwaldbesitzerIn wird diese Ausgaben tätigen, ohne dass sie durch das Land vergütet werden.
4. Völlig unabhängig vom Verkauf sind die Aufgaben, die das Land auch nach dem Verkauf unverändert fortführen muss: Dazu gehört die untere Forstbehörde, die ein Teil der Landesbetriebe ist, die die Privatforsten überwacht und die Be- rufsausbildung - die auch bei einem Verkauf des Landeswaldes weiterhin eine staatliche Aufgabe bleibt. Immerhin sind ca. 70 Prozent der Gesamtkosten der Landesforstverwaltung Personalkosten. Auch wenn sich ein Großinvestor finden sollte, der einen Teil des Personals mit übernimmt, so bleiben doch erhebliche Personalanteile dem Land erhalten, die auch weiterhin finanziert werden müssten, ohne dass sie sich durch die wirtschaftliche Tätigkeiten der Forstverwaltung zu- mindest teilweise refinanzieren könnten. Zudem kommt hinzu, dass bei einer Ü- bernahme von Teilen des Personals durch den Käufer sich der Kaufpreis erheb- lich reduzieren würde.
5. Es gibt also nach einem Verkauf des Landeswaldes nur die Alternativen:
• entweder werden alle beschriebenen Funktionen weiterhin durch das Land be- zahlt (dann als Zuwendungen an den Privatwald), dann treten voraussichtlich gar keine Einsparungen ein – im Gegenteil, da ein Teil des Personals beim Land bliebe, würden die Kosten sogar steigen müssen.
• oder das Land streicht soweit wie möglich die bisherigen Ausgaben für den Staatswald. Dann würden aber die neuen WaldbesitzerInnen selbstverständ- lich den gleichen Anspruch auf Förderung anmelden, wie die bisherigen Besit- zer von Privatwald. Auch dann treten keine Einsparungen ein (unwahrschein- lich, da das Land gar keine Fördermittel hat).
• oder das Land streicht die bisherigen Ausgaben soweit möglich ohne Aufsto- ckung der Fördermittel.
6. Ein Streichen der Mittel, wie das Schlie-Papier vorsieht, würde deshalb folgende Auswirkungen haben: • Der bisherige Fördertopf für Privatwald müsste auf die alten und die neuen Besitzer aufgeteilt werden. Die Privatwaldbesitzer würden fast die Hälfte der Förderung verlieren.
• Mit hoher Wahrscheinlichkeit würde niemand mehr, weder die alten noch die neuen Besitzer, freiwillige Gemeinwohlaufgaben des Waldes wahrnehmen, die über das nach Landeswaldgesetz erforderliche Maß hinausgehen.
• Die untere Forstbehörde müsste ausgegliedert und als eigenständige Behörde oder Teil der Verwaltungsregionen fortgeführt werden.
• Die Ausbildung von Forstfachleuten im Rahmen der Lehranstalt für Forstwirt- schaft in der Landwirtschaftskammer bleibt eine staatliche Aufgabe und muss weiter finanziert werden.
• Der Erlebniswald Trappenkamp wird geschlossen.
• Die Waldjugendheime werden geschlossen.
• Die Umweltbildung wird eingestellt.
• Für die Waldkindergärten wird die Waldbenutzung kostenpflichtig.
• Die Waldnutzung durch Touristen oder Erholungssuchende wird von den Kommunen entschädigt werden müssen.
• Die Neuwaldbildung wird eingestellt.
7. Die Vorstellung im Schlie-Papier, dass eine Veräußerung des Landeswaldes mög- lich ist und alle diese Aufgaben dann von Privaten wahrgenommen werden wür- den, ist völlig unrealistisch. Im Ergebnis wird das Land für alle diese Aufgaben er- hebliche zusätzliche Fördermittel an private Waldbesitzer erstatten müssen, oder sich gegebenenfalls auf gerichtliche Grundsatzentscheidungen einstellen müssen.
Seit je her sind in Deutschland Staatswälder Gegenstand gesellschaftlichen Engage- ments gewesen. Nicht umsonst genießt die Neuwaldbildung erhebliche Unterstützung durch SpenderInnen und durch freiwillige Arbeitskräfte. Waldjugend und Waldkindergär- ten sind ein Teil naturnaher Erziehung, die in unserer immer mehr technisierten Welt an Bedeutung gewinnt. SpaziergängerInnen, JägerInnen, PilzesammlerInnen, ReiterInnen usw. sind Beispiele für eine breite öffentliche Nutzung der Wälder, die die Steuern zah- lende BürgerIn beanspruchen möchte.
Aus diesen Gründen werden Bündnis 90/Die Grünen dazu beitragen, dass ein breites Aktionsbündnis gegen den Waldverkauf von allen Menschen, die sich mit dem Wald ver- bunden fühlen, gebildet wird.

Anlagen Anlage 1:
Nettoausgaben Forsten Planung 2006
(in Klammern ist jeweils die Nummer der Frage der kleinen Anfrage angegeben, aus deren Beantwortung die Zahl entnommen ist) Ausgabenbe- Ausgabengruppe (in Klammern Ausgaben in Millionen reich € Gemeinschaftsaufgabe (1) 3,67 EU-Kofinanzierung (1) 1,66 Ausgaben, die dem Privat- und Vertragsnaturschutz (1) 0,24 Kommunalwald Förderung Privatwald Gesamt 5,57 zuzurechnen sind sonstige Fördermaßnahmen – MG06 (5) 1,28 Gesamt 6.85 laufender Sachaufwand (3) 2,02 gedeckt durch Verkauf Christianslust (4) 3,50 Investitionen (3) 2,61 Staatswald Trappenkamp (2) 0,60 Sonstiges (5) 0,54 Gesamtsumme Zuschussbedarf 9,27
• Defizit Forstbetrieb (*) 3,94 • Gemeinwohlleistungen (Naturschutz, Erholung, Umweltbildung u. a.) 1,90 davon: (zu Frage Förderung Staatswald insgesamt 5,84 4 siehe ohne Nutzungsbeschränkungen (geschätzt) 4,74 Umrech- nungsta- Untere Forstbehörde (**) 1,02 belle un- • Neuwaldbildung 1,07 ten) • Trappenkamp und Jugendheime 0,70 • Ausbildung 0,65 Leistungen unabhängig vom Landeswald (**) 2,42 (*) In den Zuweisungen für den Wirtschaftbetrieb (3,94 Mio) sind nicht unerhebliche den ökologischen Zielsetzungen geschuldeten Umbaumaßnahmen zur Reduktion des Nadelholzanteils enthalten, die in dem Maße in einem wirtschaftlich ausgerichteten Betrieb nicht zu finden wären. Des weiteren ist zu berücksichtigen, dass die Landesforstverwaltung auf ca. 5000 ha Waldfläche ein Nutzungsverbot ver- hängt hat, größtenteils aus Selbstbindung. Der entgangene Nutzen beläuft sich schätzungsweise auf 1,1 Mio EURO. (**) diese Positionen sind nicht dem Landeswald zuzurechnen. Ob sie gestrichen werden, ist eine po- litische Entscheidung, die unabhängig vom Verkauf des Landeswaldes ist. Anlage 2:
Umrechnung Frage 4
Ausgabenbereich in % in M€ Defizitausgleich bei Holzproduktion, Liegenschaften, Jagd 11,0 1,02 Defizitausgleich bei Walderneuerung, Waldpflege, Waldschutz, Forst- 31,0 2,87 planung Investitionen und Fortbildung im IT-Bereich 0,5 0,05 Summe Zuschuss für Forstbetrieb 42,5 3,94 Ankauf von Grundstücken für Neuwaldbildung 5,5 0,51 Neuwaldbildung 119 ha 6,0 0,56 Zuschuss ErlebnisWald Trappenkamp 5,5 0,51 Zuschuss Jugendwaldheime 2,0 0,19 Ausbildung 7,0 0,65 sonstige Gemeinwohlleistungen (Naturschutz, Erholung, Umweltbil- 20,5 1,90 dung u. a.) Summe Zuschuss Gemeinwohlleistungen 46,5 4,31 Forstbehörde 11,0 1,02 Summe 100,0 9,27

Anlage 3:
Vergleich Ausgaben des Landes
Eigentümer Fläche Anteil Ausgaben des Landes Bund 5.973 ha 3,7% - Land 50.373 ha 31,0% 5,84 Mio. € Körperschaften 24.290 ha 15,0% 6,85 Mio. € Privat 81.831 ha 50,4% Daraus ergibt sich, dass die staatlichen Ausgaben für den Privatwald höher sind als die für den Staatswald. Ein Teil davon sind Mittel, die direkt an den Privatwald fließen – darunter auch die Aufforstungsprämien, bei dem anderer Teil handelt es sich um Ausgaben der Forst- ämter und Landwirtschaftskammer, die von der Landesregierung dem Privatwald zugeordnet werden.


***