ASnke Spoorendonk zu TOP 40 - Europabericht 2006
PresseinformationKiel, den 23.03.2006 Es gilt das gesprochene WortAnke SpoorendonkTOP 40 Europabericht 2006 Drs. 16/641Ich muss der Landesregierung einen Lob aussprechen: Der hier vorgelegte Europabericht 2006 istvon einem selten gesehenen europapolitischen Realismus und Pragmatismus geprägt. Vorbeisind die Zeiten, wo das Hohelied eines gemeinsamen Europas und unkritisch eine blühendeZukunft der europäischen Zusammenarbeit gepriesen wurde. Der Europabericht 2006 spricht dieaktuellen Probleme der Europäischen Union klar aus und zeigt die Handlungsmöglichkeiten unddie politischen Herausforderungen des Landes in der europapolitischen Zusammenarbeitdeutlich an.So verschweigt die Landesregierung im Europabericht auch nicht, dass die Europäische Unionnach den gescheiterten Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden in eineräußerst schwierigen Lage ist. Die Akzeptanz der EU ist stark gesunken und hängt nicht zuletzt -wie es auch im Bericht steht - mit der Angst der Bürgerinnen und Bürger um Wohlstand undArbeitsplätze in den Zeiten der Globalisierung zusammen. Die Kommission und der Ministerrat 2haben daher den Ratifizierungsprozess zur Europäischen Verfassung erst einmal eingefroren undwollen die Zeit nutzen um gemeinsam mit den Bevölkerungen über die Zukunft derEuropäischen Union zu diskutieren.Aus Sicht des SSW müssen die gescheiterten Volksabstimmungen über die europäischeVerfassung und die Vertrauenskrise der EU zu einer Neubestimmung der europäischenZusammenarbeit genutzt werden. Dabei plädieren wir dafür, dass man sich von der Idee einesEuropäischen Bundesstaates endgültig verabschiedet. Wir müssen das Projekt Europa neudefinieren und es mit einer bürgernahen Vision der europäischen Zusammenarbeit verbinden.Deshalb begrüßt der SSW auch, dass die Landesregierung als landespolitischen Schwerpunkt dieSoziale Dimension Europas stärken will. Denn, wenn die Auseinandersetzungen um die EU-Hafenrichtlinie oder insbesondere um die EU-Dienstleistungsrichtlinie eines gezeigt haben, danndieses: Die Grundlage der europäischen Zusammenarbeit darf sich nicht ausschließlich auf dieFreizügigkeit des Personenverkehrs, des Dienstleistungsverkehrs und des Kapitalverkehrskonzentrieren. So ein Europa hat geringe Chancen, die Herzen und die Köpfe der Menschen zuerreichen.Wir hingegen wollen ein soziales Europa, im dem nicht nur der Markt regiert, in dem vielmehrder Sozialstaatsgedanke eine tragende Säule der europäischen Zusammenarbeit bleibt. Der SSWlehnt also ein Sozialdumping und ein Wettrennen um die niedrigsten Sozialstandards ab, weil eszu ungleichen Wettbewerbsbedingungen und zur Abschwächung von nationalen Standards imArbeitsrecht, im Umweltbereich oder in der Daseinsvorsorge führen kann. Ob ein Protokoll zumVerfassungsvertragsentwurf zum Erhalt der sozialen Sicherungssysteme – wie es dieLandesregierung empfiehlt – dabei der richtige Weg ist, erscheint aus meiner Sicht zweifelhaft,weil es den Menschen nicht um hehre Worte geht, sondern um Taten. 3Ein weiterer landespolitischer Schwerpunkt ist die Umsetzung der europäischenStrukturfondsreform in Schleswig-Holstein. Wenn der erzielte Finanzkompromiss am Ende auchvom Europaparlament angenommen wird, dann sieht es zumindest so aus, als ob das zukünftigeVolumen der Regional- und Sozialmittel aus Brüssel für Schleswig-Holstein in etwa auf gleicheHöhe wie bisher sein wird. Auch für die Höhe der Interreg-Mittel für die grenzüberschreitendeZusammenarbeit scheint für die nächsten Jahre gesichert zu sein. Das ist positiv, aber in dennächsten Jahren wird es entscheidend auf die Umsetzung und Ausgestaltung dieser Programmeankommen. Hier haben die Landesregierung und das Parlament gemeinsam noch viel Arbeit vorsich.Der letzte landespolitische Schwerpunkt der Landesregierung, den ich erwähnen möchte, ist dieOstseepolitik Schleswig-Holsteins. Es ist aus Sicht des SSW weiterhin sehr wichtig, dass dieLandesregierung hier am Ball bleibt und – wie sie selbst behauptet – Motor derOstseekooperation bleibt. Die Ostseeregion bleibt eine potentielle Wachstumsregion, aus dersich für Schleswig-Holstein große Vorteile ergeben. Dabei hat sich gerade auch das Forum„Südliche Ostsee“ bewährt. Wobei die Ostseekooperation sich nicht nur auf die wirtschaftlicheZusammenarbeit verengen darf, sondern gerade hier ist der kulturelle und zwischenmenschlicheAspekt der Zusammenarbeit äußerst fruchtbar und sinnstiftend.Der SSW will also, dass die Ostseeregion zur Wachstumsregion – insbesondere in den BereichenKultur-, Minderheiten- und Bildungspolitik - ausgebaut wird. Wir fordern zudem, dass an demgleichberechtigten Zusammenwirken von regionalen und nationalen Parlamenten in derOstseekooperation festgehalten wird. Neben dem Ostseerat der Ostseeanrainerstaaten gilt es,die Ostseeparlamentarierkonferenz als die parlamentarische Dimension in derOstseekooperation zu stärken. Die parlamentarische Dimension lässt sich nach Meinung desSSW am ehesten voranbringen, wenn sich die Parlamente dabei auf ihre Kernkompetenzenkonzentrieren. Das sind neben ihrer Öffentlichkeitsfunktion und ihrer Mittlerrolle zum Bürger dieentscheidenden Beiträge zur demokratischen Entwicklung der Gesellschaft in der ganzen Region.