Navigation und Service des Schleswig-Holsteinischen Landtags

Springe direkt zu:

Diese Webseite verwendet ausschließlich für die Funktionen der Website zwingend erforderliche Cookies.

Datenschutzerklärung

Pressefilter

Zurücksetzen
23.03.06
18:07 Uhr
B 90/Grüne

Klaus Müller zum Wirtschaftsraum Brunsbüttel

PRESSEDIENST Fraktion im Landtag Schleswig-Holstein Pressesprecherin Es gilt das gesprochene Wort! Claudia Jacob Landeshaus TOP 39 – Wirtschaftsraum Brunsbüttel Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel
Dazu sagt der wirtschaftspolitische Sprecher Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Telefax: 0431/988-1501 Klaus Müller: Mobil: 0172/541 83 53 E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Internet: www.sh.gruene-fraktion.de

Nr. 170.06 / 23.03.06 Der Pannenreaktor Brunsbüttel muss abgeschaltet werden
Brunsbüttel ist eine leistungsfähige Wirtschafts- und Energieregion mit Zukunftschancen. Der Standort der chemischen Industrie an der Elbe wurde in den 70iger Jahren zum neuen Ruhrgebiet erklärt mit über 20.000 neuen Arbeitsplätzen.
So ist es nicht ganz gekommen, die damaligen Prognosezahlen wurden nicht erreicht. Aber die Zahl von 4000 unmittelbar Beschäftigten in der Chemieindustrie und mittelbar sogar 12.000 ArbeitnehmerInnen ist beeindruckend und weißt Brunsbüttel als herausra- genden Industriestandort von Schleswig-Holstein aus.
Die Lage Brunsbüttels an der Ausfahrt aus dem Nord-Ostsee-Kanal in die Elbmündung ist einzigartig. Das macht den Reiz des Hafens aus und macht ihn attraktiv für wasserori- entiertes Gewerbe.
Probleme gibt es mit Versandungen im Zufahrtsbereich des Elbehafens Brunsbüttel. Die Gründe dafür liegen neben der natürlichen Belastungen durch Tide, Oberwasser und Sturmfluten in den künstlichen Maßnahmen wie Fahrwasserverlegung und Fahrrinnen- vertiefung. Das heißt für die Zukunft, mit weiteren Elbvertiefungen vergrößern sich die Probleme für den Hafen Brunsbüttel.
Dem Bund als Verantwortlicher für beide Wasserstraßen müsste nachgewiesen werden, dass die Elbvertiefung ausschlaggebend ist für die Versandungen. Das ist schwer, gera- de für solche Akteure, die die weitere Vertiefungen der Elbe unbedingt wollen.
Die Verkehrszuwächse der letzen Jahre im Nord-Ostsee-Kanal sind sehr erfreulich. Das zeigt einerseits die Attraktivität und Konkurrenzfähigkeit dieses Gütertransportweges, anderseits aber auch, dass sich die Bunkerpreise für Schiffsdiesel bzw. Schweröle ana- log zu den Weltmarktpreisen des Erdöls entwickelt haben.
1/3 Der Umweg über Skagen ist damit einfach zu teuer und der kurze Wasserweg durch unser Land ist optimal. Wir unterstützen eine Ertüchtigung dieser wichtigsten Wasserstraße. Die 15 Kilometer von Königsförde nach Holtenau müssen ausgebaut werden, zumindest müssen die vier Kurven begradigt werden.
Große Feederschiffe mit bis zu 1.500 TEU (Zwanzig Fuß Container) Standardcontainer sind die kommende Schiffklasse im Kanal. Wie wichtig der Gütertransport auf dem Seeweg ist zeigt ein Vergleich mit der Straße.
Ein großes Feederschiff mit 1.500 TEU Kapazität transportiert somit 750 40-Fuß-Container. Kommen diese 750 Container mit LKWs auf die Straße, so bilden sie eine Schlange von 50 km bei einem Sicherheitsabstand von 40 Metern. Also wir bleiben dabei, für Gütertransporte gilt „from road to sea“.
Dass der Kanal für viele qualifizierte Arbeitplätze sorgt ist bekannt, zirka 3.000 bis 3.500 direkte und indirekte Arbeitsplätze in der gesamten Region gilt es zu sichern. Ganz nebenbei, fragen Sie mal die Beschäftigten dort, was sie von einer festen Fehmarnbelt-Querung halten. Die Antwort wird der Großen Koalition der Autobahnbauer nicht gefallen.
In der letzten Woche war in der Dithmarscher Zeitung zu lesen, dass in Brunsbüttel mit der Vor- planung für den Bau einer dritten großen Schleusenkammer begonnen werden kann. Die beiden bestehenden großen Schleusenkammern sind mehr als 90 Jahre alt und warten auf eine dringli- che Sanierung. Wenn die Entscheidung fällt, eine dritte Schleuse für 150 Mio. Euro zu bauen, dann könnte sie 2010 fertig gestellt sein.
Brunsbüttel ist ein wichtiger Energiestandort, dabei stehen das alte Auslaufmodell Atomkraftwerk direkt neben der Windenergie.
Repower stellte neben den Reaktor den Prototyp einer 5 MW-Windkraftanlage als Modell für Offshore-Anlagen auf. Brunsbüttel soll nach dem Willen der Landesregierung der Offshore-Hafen für die Nordsee-Küste werden.
Nach dem Atom-Konsens, der auch für die Große Koalition weiter gilt, wird das AKW Brunsbüttel im März 2009 angeschaltet. Daran darf nicht gerüttelt werden. Es wäre nicht zu vermitteln, wenn versucht würde, Strommengen von neueren Anlagen auf den Brunsbüttelreaktor zu übertragen, um den Netzabschied zu verlängern. Jeder müsste doch heilfroh sein, wenn genau die AKWs mit der höchsten Unfallgefahr so schnell wie möglich ausgeschaltet werden.
Das AKW Brunsbüttel ist der einzige Siedewasserreaktor in Deutschland mit nur einem Kühlwas- serkreislauf. Baubeginn war 1970, 1976 ging der Meiler in Betrieb. Das Dach des Reaktorgebäu- des ist nicht gegen Flugzeugabstürze gewappnet, gerade mal gegen abgestürzte Sportflugzeuge könnte das Dach halten.
Der Pannenreaktor kommt seit Inbetriebnahme auf ungeplante Stillstandszeiten von insgesamt sechseinhalb Jahren. Wahrlich ein Rekordergebnis. Und dieses AKW soll nach Auffassung unse- res Wirtschaftsministers nicht abgeschaltet werden. Meine Damen und Herren, das ist unverant- wortlich!
Die Diskussionen über den Bau eines Kohlekraftwerkes in Brunsbüttel sind bekannt. Es gibt dafür zwei Standorte und Brunsbüttel ist ein wichtiger Kohlehafen. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass diese Investitionen kommen, wenn den EVU-Oligopolen von der Politik signalisiert wird, dass am Atomausstieg noch gedreht werden kann.
Die FDP hatte viel Wind um die drohende Ausweisung eines FFH-Gebietes vor Brunsbüttel ge- macht. Der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion malte ein Horrorszenario. Er beklagte die hohe Arbeitslosigkeit in Schleswig-Holstein und sah in und bei Brunsbüttel weite- re 4.000 hochproduktive Industriearbeitsplätze auf dem Spiel stehen, weil die EU angeblich vor- schreibt, dass die Elbe vor Brunsbüttel ausnahmslos ein FFH-Gebiet werden müsse. So hätte es der CDU-Umweltminister behauptet.
Die FDP wollte „Licht ins Dunkel des umweltbürokratischen Wildwuchses bringen und ihn später angemessen lichten.“ Welch tapferer Ritter Heiner Garg. Ihm stände der silbernschimmernde Harnisch ganz hervorragend.
Der böse Umweltdrache aus dem fernen Brüssel verschluckt sich am eigenen Feuer vor lauter Angst. So einfach ist das nicht, die EU-Kommission schickt keine feuerspeienden Drachen, son- dern gemeinschaftlich beschlossenen Richtlinien und Mahnschreiben.
Der stolze Recke sagt mutig; “Der Wirtschaftsraum Brunsbüttel darf nicht mit FFH-Gebieten er- würgt werden!“
Die Landesregierung macht in ihren Bericht deutlich, dass ihr nach dem Mahnschreiben der Kommission „so gut wie keine Entscheidungsspielräume im Rahmen der Auswahl, Abgrenzung und Meldung der Elbe vor Brunsbüttel als FFH-Vorschlagsgebiet gegeben sind.“
Das sagt das CDU geführte Wirtschaftsministerium einer Großen Koalition. Und genauso hätte es der Wirtschaftsminister einer schwarz-gelben Regierung gesagt und sogar einer FDP- Alleinregierung.
Die Landesregierung hat Zweifel, ob das Vorland von St. Margarethen, zumindest in Teilen, die Kriterien eines Ästuars erfüllt. Um aber eine Verurteilung durch das EuGH zu vermeiden, sieht sich die Landesregierung jedoch gezwungen, das St. Margarethener Vorland gänzlich nachzu- melden.
Vor Listung des vorgeschlagenen Gebietes will die Landesregierung die EU-Kommission um ein Gespräch bitten, um die gesamten Argumente bezüglich Wirtschaftsraum und Arbeitsplätzen vorzutragen. Richtig, genauso muss das gehändelt werden.
Wir haben hier die klassische Situation: Der vermeintliche Kämpfer für die Wirtschaftsentwicklung will FFH-Richtlinien nicht oder nur unzureichend umsetzen und erreicht damit genau das Gegen- teil.
Melden sie aber zügig und umfänglich Gebiete an, dann haben sie die Möglichkeit, Ausnahmen genehmigt zu bekommen. Lübeck-Blankensee lässt grüßen.
Das damalige Drama habe ich am eigenen Leibe im Kabinett mitbekommen. Der damalige Wirt- schaftsminister wollte partout nicht, dass das gesamte FFH-Gebiet gemeldet wird. Das OVG Schleswig hat dann den darauf fußenden Planfeststellungsbeschluss eingesammelt.
Der Effekt ist, es dauert zwei Jahre länger und der Investor hat die Ausbauplanungen zugunsten des Naturschutzes abgespeckt.
Wie so oft bei der FDP, viel Wind aber keine Energieausbeute.
***