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22.03.06
15:28 Uhr
SPD

Bernd Schröder zu TOP 5: Kommunen können Tariftreuegesetz schon jetzt anwenden

Sozialdemokratischer Informationsbrief

Kiel, 22.03.2006 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuell
TOP 5: Tariftreuegesetz (Drucksache 16/604)

Bernd Schröder:

Kommunen können Tariftreuegesetz schon jetzt anwenden

Handlungsmaßstab für uns alle muss sein, dass ein fairer Wettbewerb auch im ÖPNV nicht über die Lohnkosten und über soziale Standards ausgetragen werden darf. Die Kolleginnen und Kollegen in den Busunternehmen in Schleswig-Holstein haben zu Recht gegen Lohndumping protestiert und wir sollten zusammen mit den im Land ver- antwortlichen Aufgabenträgern, den Kreisen, für faire Wettbewerbsbedingungen sorgen.

• Wir wollen den Erhalt der Verkehrs- und Tarifgemeinschaften. • Wir wollen die Herstellung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. • Wir wollen natürlich auch eine Kostenreduzierung, siehe unseren Wettbewerb im SPNV. • Wir wollen aber insbesondere auch eine Arbeitsplatzsicherung für die betroffenen Kolleginnen und Kollegen in den verschiedenen Bereichen.

Wir beschäftigen uns heute zum wiederholten Mal mit dem Tariftreuegesetz. Auslöser ist der Antrag des SSW, das Gesetz auf den straßengebundenen öffentlichen Perso- nennahverkehr auszuweiten und es für dessen Aufgabenträger, die Kreise und kreis- freien Städte, zur Anwendung verbindlich vorzuschreiben.

Schleswig- Holstein

Herausgeber: SPD-Landtagsfraktion Verantwortlich: Petra Bräutigam Landeshaus Postfach 7121, 24171 Kiel Tel: 0431/ 988-1305/1307 Fax: 0431/ 988-1308 E-Mail: Internet: pressestelle@spd.ltsh.de www.spd.ltsh.de SPD -2-



Der ursprüngliche Gesetzentwurf von August 2002 sah bereits vor, dass das Tarif- treuegesetz auch für den straßengebundenen ÖPNV gelten sollte. Es gab dann in die- sem Hause eine kontroverse Diskussion über die Verfassungskonformität, Kosten steigernde Effekte, insbesondere aber über eine Belastung der Aufgabenträger des ÖPNV, die Kommunen, und damit einen möglichen Verstoß gegen das verfas- sungsmäßig verankerte Prinzip der Konnexität.

Im Ergebnis haben die Fraktionen von SPD, Grünen und SSW mit Umdruck 15/2974 einen Änderungsantrag gestellt, mit dem der Bereich straßengebundener ÖPNV wie- der aus dem Gesetz herausgenommen wurde.

Hierzu verweise ich auf die vielfachen Diskussionen in 2002 und 2003, wo deutlich wurde, dass z. B. die Schülerbeförderung nach § 80 des Schulgesetzes eine Pflicht- aufgabe sei und damit der Aspekt der Konnexität wieder eine Rolle spielen würde.

Das hinter dem geltenden Tariftreuegesetz stehende Ziel der Verhinderung von So- zial- und Lohndumping war und ist auch weiterhin unterstützenswert. Über dem Ge- setz schwebt jedoch nach wie vor eine negative Entscheidung des Bundesverfas- sungsgerichtes. Zur Erinnerung: Der Bundesgerichtshof hatte das Tariftreuegesetz des Landes Berlin für verfassungswidrig gehalten und die Sache dem BverfG vor- gelegt. Eine Entscheidung ist für dieses Jahr avisiert.

Es geht dabei u.a. um die Frage, ob Tariftreueregelungen gegen die durch Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz geschützte Finanzhoheit der Kommunen verstoßen. Das Grundgesetz sichert den Kommunen einen grundsätzlich alle Angelegenheiten der örtlichen Ge- meinschaft umfassenden Aufgabenbereich sowie die Befugnis zur eigenverantwortli- chen Führung der Geschäfte. Zur Eigenverantwortlichkeit gehört insbesondere die Finanzhoheit der Kommunen. Hier würde der Landesgesetzgeber durch die Vorgabe der verbindlichen Anwendung des Tariftreuegesetzes für die Aufgabenträger des -3-



ÖPNV möglicherweise unzulässig eingreifen. Bereits jetzt haben die Kommunen die Möglichkeit, das Tariftreuegesetz anzuwenden.

Für mich stellt sich angesichts der rechtlichen Problematik die Frage, ob es nicht bes- ser wäre, wenn der Bund durch gesetzgeberische Maßnahmen unter Wahrung der Tarifautonomie das Lohndumping verhindern würde. In diesem Zusammenhang seien die Ausweitung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes sowie die Diskussionen zu den Mindestlöhnen erwähnt.

Es muss aber auch darauf hingewiesen werden, dass die Kommunen im Rahmen der von ihnen vorzunehmenden Ausschreibungen Einfluss auf die Vermeidung von Lohndumping nehmen können bzw. sogar müssen. Nach den einschlägigen Vor- schriften der Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) als auch der Verdingungs- ordnung für Leistungen (VOL) ist auf ein Angebot mit unangemessen niedrigem Preis kein Zuschlag zu erteilen. Die im Angebot aufgeführten Lohnkosten sind daraufhin zu untersuchen, ob sie sich im Rahmen tarifvertraglicher Vereinbarungen und der sonsti- gen gesetzlichen Verpflichtungen halten. Die geltenden Vergabebestimmungen bie- ten also die Möglichkeit, im Fall offensichtlichen Lohndumpings ein Angebot bei der Wertung auszuschließen!

Uns alle haben sicherlich die im Februar durchgeführten Demonstrationen der Busfah- rer wegen Lohndumpings nicht unberührt gelassen. Angesichts der rechtlichen Prob- lematik ist jedoch ein Schnellschuss mit Aufnahme des straßengebundenen ÖPNV in das Tariftreuegesetz nicht zielführend. Wir sollten im zuständigen Wirtschafsaus- schuss darüber diskutieren, welcher Weg für die Beschäftigten im ÖPNV Lohndumping verhindern kann.

Diskutieren und gegebenenfalls fortschreiben und ergänzen z. B. durch vertragliche Selbstbindung müssen wir dabei das Kooperations- und Wettbewerbspapier im -4-



schleswig-holsteinischen ÖPNV. In die Diskussion einzubeziehen ist auch das Papier des Rhein-Main-Verkehrsverbundes, wonach der Auftragnehmer das tarifvertraglich vereinbarte Niveau in der jeweils gültigen Fassung während der Laufzeit des Ver- kehrsservicevertrages nicht unterschreiten darf.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen, wenn wir eine sachgerechte Lösung finden wollen, bedarf es noch einer ausführlichen Diskussion mit den zuständigen Fachleuten im Wirtschaftsausschuss.