Hermann Lüdemann war ein aufrechter Demokrat, ein überzeugter Republikaner ein homo politicus
„Hermann Lüdemann war ein aufrechter Demokrat, ein überzeugter Republikaner – ein homo politicus“Landtagspräsident Martin Kayenburg über den ersten gewählten Ministerpräsidenten Schleswig-Holsteins anlässlich der Präsentation der Biographie „Hermann Lüdemann im Kieler Landeshaus:„Es ist sehr selten, dass wir hier wegen der Erstpublikation eines Buches zusammenkommen. Aber die von meinem Landtagskollegen Rolf Fischer verfasste, facettenreiche Biographie über das Wirken des einstigen Ministerpräsidenten Hermann Lüdemann konnte nur im Landeshaus vorgestellt werden.Der erste sozialdemokratische und zugleich der erste gewählte Ministerpräsident Schleswig-Holsteins, Hermann Lüdemann, gehört in die Reihe der großen Persönlichkeiten unseres Landes wie Theodor Steltzer, Andreas Gayk oder Friedrich Wilhelm Lübke, die den Übergang Schleswig- Holsteins von einer preußischen Provinz bis zur Gründung des Bundeslands Schleswig-Holstein und darüber hinaus geprägt haben. Sie und andere haben sich um den politischen Wiederaufbau unseres Landes in den unmittelbaren Jahren nach dem Kriege verdient gemacht – aber an herausragender Stelle steht Hermann Lüdemann. Sein Wirken hat es verdient, uns wieder in Erinnerung gebracht zu werden.Kaiserzeit, Weimarer Republik, NS-Diktatur und die Frühphase der jungen Bundesrepublik - der 1880 in Lübeck geborene Herrmann Lüdemann verkörpert und verdichtet in seiner Person, in seinem Werdegang und seinem beruflich-persönlichen Schicksal mehr als 50 Jahre politischen Lebens in Deutschland - und auch dessen tiefe Brüche.Für uns, die wir diese Zeiten nicht aus eigener Anschauung kennen, ist heute kaum noch nachvollziehbar, was Hermann Lüdemann erlebt, was er erlitten und was er geleistet hat.Als Schiffsingenieur fährt der junge Lüdemann zur See, wird Schriftsteller, 1912 tritt er in die SPD ein, ist Mitbegründer einer Angestelltengewerkschaft. 1918, als das Kaiserreich zusammenbricht, findet er sich als Mitglied des Berliner Arbeiter- und Soldatenrates im Zentrum der Macht wieder. Friedrich 2Ebert, Philipp Scheidemann, das sind die Weggefährten jener Tage. Es folgen Jahre als Mitglied des preußischen Landtages, als preußischer Finanzminister und verschiedene Stationen in der preußischen Verwaltung während der Weimarer Republik.Als Oberpräsident der preußischen Provinz Niederschlesien wird Lüdemann von NS-Schergen im Juni 1933 in Breslau durch die Straßen getrieben und gedemütigt. Er leidet mehrere Jahre in verschiedenen Konzentrationslagern, wird danach entlassen und eröffnet in Berlin ein Kino.Lüdemann zählt zum Kreis der sozialdemokratischen Widerständler und kommt nach dem 20. Juli 1944 wieder in ein KZ. Den Todesmarsch der Häftlinge aus Sachsenhausen kurz vor Kriegsende überlebt er.Unmittelbar nach Kriegsende wird Hermann Lüdemann in Mecklenburg- Vorpommern aber bereits wieder für seine Partei politisch aktiv. Doch lässt er sich nicht von Sowjets und KPD vereinnahmen, - ein Beweis seiner außergewöhnlichen Charakterstärke - , widersteht dem Gleichschaltungsdruck und geht 1946 nach Schleswig-Holstein, wo er beim Wiederaufbau sofort an vorderster Stelle mit dabei ist.Im zweiten Kabinett des von der britischen Besatzungsmacht ernannten CDU-Ministerpräsidenten Theodor Steltzer übernimmt er das Amt des Innenministers. Bei den ersten Landtagswahlen 1947 wird die SPD stärkste Partei. Lüdemann wird selbst Ministerpräsident. Er bleibt es bis 1949.Zwischen dem Foto von Lüdemann mit kurz geschorenen Haaren in KZ- Kleidung und dem des Bild des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten, der seine Unterschrift unter das neue Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland setzt, liegen wenige Jahre - aber politische Welten, die nur ein Mensch mit Lüdemanns Gestaltungskraft und –willen bewältigen konnte.Hermann Lüdemann war ein Mensch mit schier unbändiger Lebens- und Schaffenskraft.Rolf Fischer hat mit seinem Werk eine bemerkenswerte Persönlichkeit, einen Charakter unseres Landes ins Licht der Betrachtung zurückgeholt. Er hat mit Hermann Lüdemann einen aufrechten Demokraten, einen überzeugten Republikaner – einen homo politicus wieder lebendig werden lassen und wieder in unser Bewusstsein gerückt, dessen Ansichten vielen seiner politischen Begleiter und Freunde damals zu visionär erschienen. Er war mit 3manchen Vorschlägen seiner Zeit weit voraus. Aus heutiger Sicht aber wirken seine Vorstellungen uns sehr vertraut und realitätsnah.Hermann Lüdemann hatte bereits 1947 die Gründung eines Nordstaates unter dem Begriff „Unterelbe“ angeregt. Eine Fusion Schleswig-Holsteins mit Hamburg war für ihn damals schon eine Option zur Bildung starker Länder im Föderalismus, um dem Armenhaus Westdeutschlands, wie unser Schleswig-Holstein charakterisiert wurde, auf die Beine zu helfen. Er setzte sich erfolgreich für den bundesweiten Finanzausgleich ein. Immer wieder forderte er eine direkte Verkehrsanbindung Schleswig-Holsteins an die Bundesrepublik, um den Wirtschaftsstandort Schleswig-Holstein zu stärken. Hermann Lüdemann könnte mit seinen Impulsen auch heute noch jede verkehrspolitische Debatte beleben; dessen bin ich mir sicher.Seine mentale Kraft und das Festhalten auch an unbequemen Überzeugungen hat politische Gegner und Freunde gleichermaßen beeindruckt - und auch die britische Besatzungsmacht. In einem internen Papier der britischen Kontrollkommission wird er als charming old buffer – als charmanter alter Kauz bezeichnet, der einen starken Willen habe – ich finde: ein beeindruckendes Kompliment.Rolf Fischer hat sich zusammengefasst rund 1,5 Jahre mit Hermann Lüdemann befasst, sich Nächte bei der Recherche um die Ohren geschlagen (wenn ich das so formulieren darf) und – ich betone es gern – die Wochen seines Urlaubs in Archiven wie dem Geheimen Staatsarchiv in Berlin oder dem Imperial War Museum in London verbracht. Er hat dabei vielleicht sogar den einen oder anderen Gewinn für die eigene Politik mitgenommen.Das Ergebnis der Arbeit von Rolf Fischer ist ein für deutsche Autoren, - die sich mit historischen Themen befassen - , ungewohnt erfrischendes Buch, das durch seine lebendige Schreibe fesselt. Da war nicht ein bestellter Biograph sondern ein begeisterter Fan, ein gestandener Sozialdemokrat am Werk.Es ist Rolf Fischer zu verdanken, dass die Person Hermann Lüdemann ihren würdigen, öffentlichen Platz in der Geschichte unseres Landes erhält.Dieses Buch hätte schon lange geschrieben werden müssen.