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22.02.06
12:47 Uhr
B 90/Grüne

Klaus Müller zum Husumer Hafen

PRESSEDIENST Fraktion im Landtag Schleswig-Holstein Pressesprecherin Es gilt das gesprochene Wort Claudia Jacob Landeshaus TOP 11 + 36 – Husumer Hafen Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel
Dazu sagt der wirtschaftspolitische Sprecher Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Telefax: 0431/988-1501 Klaus Müller: Mobil: 0172/541 83 53 E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Internet: www.sh.gruene-fraktion.de

Nr. 099.06 / 22.02.06


Chancen für die Westküste nutzen
Wäre die Lage nicht so ernst, dann könnte der uns vorliegende Bericht der Landesregie- rung zum Sachstand Husumer Hafen nur als schlechter Scherz verstanden werden. Auf keinen Fall darf aufgrund der Formulierungen im Sachstandsbericht die Gefahr bestehen, dass der vernünftige Hafenausbau für Service-, Wartungs- und Reparaturbetrieb nicht gefördert und umgesetzt wird.
Wenn Sie mit Menschen vor Ort in Husum reden, dann erleben sie eine ganz andere Welt als der Bericht der Landesregierung vermitteln möchte.
Aufgrund des Weglassens von Tatsachen in diesem „Sachstandsbericht“ wird der Ein- druck vermittelt, als hätten die Gutachter unabhängig und unrückgekoppelt vor sich hin gearbeitet und das Ergebnis dann einer erstaunten Öffentlichkeit präsentiert. Das ist al- lerdings mitnichten so gewesen!
Gerade aufgrund der unterschiedlichen Auffassungen von Wirtschaftsministerium und der Stadt Husum zu Beginn der Begutachtung wurde vereinbart, eine Projektgruppe zu installieren, die die Arbeit der Experten begleitet. In dieser Gruppe waren neben Stadt, Wirtschaftsförderung, dem Projektsteuerer und dem Amt für ländliche Räume (ALR) auch zwei Mitarbeiter des Wirtschaftsministeriums beteiligt. Moderiert wurde diese Gruppe, die sich insgesamt dreimal traf, von der Investitionsbank Schleswig-Holstein als Projektma- nagement.
Aufgabe der „Begleitung“ der Projektgruppe war es, im Rahmen der Gutachten- Erarbeitung den Prozess kritisch und voranbringend zu begleiten. Hierzu wurden „Spiel- regeln“ vereinbart:
1/5 Während der Erarbeitung wurde von den VertreterInnen des Wirtschaftsministeriums Vorgehen und Methode der „Begutachtung“ nicht in Frage gestellt. Das geschah erst nach Vorlage des Gutachtens und vermutlich erst nach einer erfolgten Absprache im Ministerium und der Ministeriumsspitze selbst.
Nun zur Qualität und Zielsetzung des Gutachtens. Der erste Satz zum Gutachten auf Seite 2 des Berichtes ist eine Frechheit. Es ist sehr wohl ein Konsens über Zielrichtung und Qualität des Gutachtens erzielt worden, er wurde nur nachträglich wieder aufgekün- digt. Zwischen Stadt und Land wurde vereinbart, dass man das Ergebnis des beauftrag- ten Gutachtens anerkennen werde.
Dass Husum neben Service und Wartung auch Windkraftanlagen-Hersteller anlocken möchte ist legitim – das machen letztlich alle Gemeinden, die ihre Gewerbestandorte stärken wollen. Aber Husum hat dafür ganz besondere Standortvorteile im Angebot, üb- rigens im Angebot für ganz Schleswig-Holstein! Denn die nächsten geeigneten Hafen- standorte für Service und Wartung findet man auf der Landkarte Richtung Norden: In Dänemark!
Um Transparenz in der Erarbeitung zu er- und behalten, wurde die schon erwähnte Pro- jektbegleitung installiert. Das Ergebnis des Gutachtens oder besser der „Expertenein- schätzung“ ist eindeutig: Service und Wartung ja, Komponentenherstellung eher nein. Letzteres ist schmerzlich für Husum, aber vereinbarungsgemäß wird es von der Stadt so akzeptiert.
Zu der Ministeriums-Aussage im Schreiben vom 17.1.06 an den Bürgermeister von Hu- sum, dass das vorgelegte Gutachten keine abgestimmte Schlussfolgerung zulasse, wirft die Frage auf, warum man sich vorher auf das abgestimmte Vorgehen geeinigt hat.
Ich habe den Eindruck, hier passt jemandem das Ergebnis des neutralen Gutachters nicht.
Neben den im Bericht zitierten Passagen äußert sich Minister Austermann in seinem Schreiben noch gewohnt deftig. Das Gutachten sei „eine Zumutung“ und eine „wenig se- riöse Arbeit“. Soweit zu den diplomatischen Formulierungskünsten des Wirtschaftsminis- ters.
Der Wirtschaftsminister warnt vor „falschen Schlussfolgerungen“ zu einer nicht zu ver- antwortenden Hafenplanung und würde gerne schriftliche Zusicherungen potentieller Nutzer erhalten.
Mal abgesehen davon, dass vergleichbare Ansprüche kaum an andere Investitionsvor- haben gestellt werden, ist der schrittweise Ausbau des Hafens eine schlaue Antwort. Dieser Empfehlung will die Stadt Husum nach meinen Informationen grundsätzlich fol- gen.
Derzeit laufen in Husum Planungen und Untersuchungen, ob in einem ersten Schritt auf die geplante Deichverschiebung verzichtet werden kann. Dann käme es zu den „Aus- baumaßnahmen vor dem Deich“, wie von Herrn Austermann vorgeschlagen. Dieser Bauabschnitt würde allerdings entweder den Bau einer zweiten Deichstöpe (eine verschließbare Öffnung im Deich) oder eine geringfügige Deichverschiebung erforderlich machen. Denn einerseits müssen die Kaiflächen überhaupt erreichbar sein und anderer- seits die für einen Hafenbetrieb mindestens erforderlichen Manövrier-, Verlade- und Ab- stellflächen geschaffen werden.
Die Kosten für diese alternativen Maßnahmen werden gerade ermittelt. Fest steht aber, dass, egal für welche dieser Varianten man sich entscheidet, ein dem Gutachten ent- sprechender Service-, Wartungs- und insbesondere Reparaturbetrieb über diese Fläche nicht abgewickelt werden kann.
In einem Reparaturbetrieb ist auch die Anlandung defekter und die Verschiffung instand gesetzter Rotorblätter einzubeziehen. Auf der vorhandenen Fläche können diese Kom- ponenten jedoch nicht manövriert werden.
Außerdem ist zu berücksichtigen, dass sowohl die zweite Deichstöpe wie auch geringfü- gige Deichverschiebung bei weiteren Ausbaustufen im Wege stehen und wieder abgeris- sen werden müssen. Hinzu kommt, dass die „Ausbaumaßnahme vor dem Deich“, aller Voraussicht nach aus Emissionsschutzgründen auch noch eine Deichverstärkung erfor- derlich machen würde.
Die Stadt Husum beabsichtigt, mit den angesprochenen Klägern über eine neue Variante zu verhandeln. Dabei geht es um eine zirka 25 Prozent geringere Kaifläche und eine der Ursprungsplanung ähnliche Deichverschiebung, die allerdings von den Hausgrundstü- cken der Kläger wesentlich weiter entfernt liegt.
Diese Umplanung macht zwar ein Planänderungsverfahren erforderlich, das jedoch vor einem möglichen Ende des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens abgeschlossen sein könnte und führt im Hinblick auf die verkleinerte Kaifläche auch zu geringeren Gesamt- kosten.
Ob allerdings - in wie auch immer bis dahin abgestuften Schritten - das Wirtschaftsminis- terium eine derartige Planung unterstützt, ist nicht absehbar.
Es geht hier nicht nur um den Husumer Hafen. Wir müssen die Diskussion im Rahmen einer Offshore-Strategie für Schleswig-Holstein führen. Hier relativieren sich die Nachtei- le des Husumer Hafens. Und die besonderen Stärken in seiner Nähe zu den geplanten und schon genehmigten Offshore-Bauplätzen, mit der vor Ort in Husum schon vorhande- nen Infrastruktur und mit der weitgehenden Akzeptanz der Bevölkerung treten deutlich hervor.
Er ist ein wichtiger Baustein im Offshore-Windcluster neben NEPTUN, BZEE, windcomm, CEwind und den Onshore Testfeldern z.B. in Tarp-Eggebek. Wenn wir einen schleswig- holsteinischen Offshore-Hafen für Service, Wartung und Reparatur wollen, dann ist Hu- sum die richtige Wahl. Wenn wir die Ziele der Bundesregierung im Bereich Offshore umsetzen, und wenn wir an den kommenden Entwicklungen weitgehend partizipieren wollen, so geht das nur mit Schaffung von adäquater Hafeninfrastruktur dort, wo diese benötigt wird, und das ist un- zweifelhaft in Husum.
Die „Großen“ - REpower und Vestas – sind entscheidende Akteure bezüglich der Nach- frageentwicklung beim Husumer Hafen, aber sie sind nicht alleine entscheidend. Viele kleinere und mittlere Unternehmen haben ein hohes Interesse und bieten Chancen für neue Arbeitsplätze. Als Stichwort soll hier die bereits im Gutachten skizzierte Idee einer seegestützten Service- und Wartungsstation mit einer „Nabelschnur“ nach Husum in Form eines regelmäßigen Shuttles reichen.
Jetzt geht es darum, keine Zeit mehr zu verlieren. Jede Investitionsentscheidung wie die- se ist mit einem Risiko verbunden, sie bietet aber auch die Chance, einen neuen Markt zu erschließen. Sobald sich die Mitbewerber von Husum positioniert haben, wird es Ver- drängungseffekte geben.
Eine Verschiffung von jederart Material - und dies wird auch bei Service-, Wartungs- und Reparaturarbeiten erforderlich sein - braucht besonders bei einem tiedeabhängigen Ha- fen wie Husum einen gewissen Platz. Be- und Entladevorgänge müssen zügig durchge- führt werden.
Dabei ist für Service, Wartung und Reparatur eine Verladung auch größerer Ersatzteile notwendig, die ggf. mit Zugmaschinen/LKW an- und auch wieder abtransportiert werden sollten. Eine Minderung der Schall- und Lichtemissionen ist nur durch eine Deichverle- gung und dabei entsprechende Erhöhung möglich.
Daher wird eine Deichverlegung in jedem Falle noch notwendig sein, kompromissfähig ist dabei die Möglichkeit, die Verlegung etwas bescheidener ausfallen zu lassen, so dass sich mit den klagenden EigentümerInnen möglicherweise außergerichtlich geeinigt wer- den könnte. Aus Ingenieurssicht sind allerdings durch diese Maßnahmenreduzierung keine 50prozentigen Kosteneinsparungen darstellbar.
Die Kollegen Buder und Schröder sowie Frau Sassen und Herr Arp haben sich in ihrer Pressemitteilung vom 3. Februar bereits gefreut, dass es ein Einvernehmen zwischen Minister Austermann und der Stadt Husum gäbe. Nach meiner Einschätzung haben sie sich zu früh gefreut.
In ihrer Presseerklärung vom 17. Februar erklären die StadtvertreterInnen von SPD, Grünen, SSW und FDP, dass sie eine Deichverlegung für zwingend halten und die Lan- desregierung mit ihren Erklärungen „massiv dem öffentlichen Interesse an der Förderung der Westküste und der Schaffung von Arbeitsmöglichkeiten und insbesondere den Inte- resse der Stadt Husum“ schade.
Diese Landesregierung hat sich Politik mit den Menschen auf die Fahnen geschrieben. Die Menschen in Husum haben allen Grund diese Ankündigung in den Wind zu schrei- ben. ***